America’s Cup: Spezielles Manöver – Wie Team New Zealand mit dem “JK” überholt

Der kleine Unterschied

Beim 36. America’s Cup geht es am Ende zwischen Luna Rossa und Team New Zealand um kleinste Unterschiede. Beim letzten Duell nutzen sie erneut ein optimiertes Manöver zu ihrem Vorteil.

TNZ versucht gar nicht erst, sich beim 10. Rennen in Luv von LNR zu halten, sondern wendet nimmt den Beschleunigungsspeed mit in die Wende – wie beim JK-Manöver

Wenn ein Ablauf, ein Gegenstand, ein Ort nach einem Menschen benannt wird, ist das normalerweise etwas Ehrenvolles. Der Kempa-Trick etwa beim Handball, der Fosbury-Flop beim Hochsprung. Der Segelsport kennt den nach America’s Cup-Sieger Briggs Cunningham benannten Vorliekstrecker, oder die von Manfred Curry erfundene Klemme – es gibt aber auch das “JK”-Manöver benannt nach John Kostecki.

Der Amerikaner (56) ist zweifelsohne einer der besten Segler der Welt. Er ist der einzige Mensch, der das Volvo Ocean Race gewonnen hat (2002 mit Illbruck), den America’s Cup (2010 und 13 mit Oracle) und eine Olympiamedaille (1988 Silber in der Soling). Zuletzt feierte er insbesondere als Taktiker von Harm Müller Spreer auf der TP52 “Platoon” Erfolge, als J/70 oder Melges 20 Weltmeister.

John Kostecki

John Kostecki als Oracle Team USA Taktiker. © gilles-raget

Aber das JK-Manöver geht als alles andere als ein glorreiches Denkmal seiner Schaffenskunst in den Segler-Sprachschatz über. Es ist das Symbol seiner größten Niederlage.

2013 beim America’s Cup in San Francisco befahl er als Oracle-Team-USA-Taktiker seinem Team erstmals diesen Kunstgriff. Er nutzt bei der Leetor-Rundung den hohen Speed des Vorwindkurses aus, um nicht nur auf einen Amwindkurs zu luven, sondern direkt in eine Wende zu steuern.

Kostecki lag gut 150 Meter vor dem Team New Zealand und wollte mit dem schnellen Manöver in die strömungsbegünstigte Zone unter der Gefängnisinsel Alcatraz kommen. Prinzipiell keine falsche Entscheidung, aber das Manöver ging ziemlich daneben. In der Drehung rutschte der AC72 Katamaran auf seinen vergleichsweise kleinen und im Vergleich zur heutigen Technik deutlich weniger effektiven Flügeln seitlich weg. Er nimmt kaum Fahrt durch die Wende mit.

Die Kiwis zogen kurz danach vorbei:

Obwohl Kostecki kaum einen Anteil an der mangelhaften Ausführung des Manövers hatte, wurde er zum Sündenbock gemacht. Das Problem für ihn: Nachdem er seinen Platz an der Seite von Steuermann Spithill nun Ben Ainslie übernommen hatte, lief es tatsächlich besser. Oracle Team USA gelang noch das große Comeback zum 9:8-Sieg über Team New Zealand.

Erstes Überholmanöver eingeleitet

Nun wird der Ausdruck “JK” nach diesem America’s Cup umso mehr in den Segel-Jargon eingehen. Denn dieses Manöver hat bei der Entscheidung über den Sieg keine geringe Rolle gespielt. Es ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie sehr die Teams an den Details basteln. Es geht nicht nur um die offensichtlichen Dinge, wie die Form der Foils oder Rümpfe, sondern kleinste Veränderungen etwa beim Optimieren spezieller Segeltechniken.

 2013 hat das JK-Manöver für die Amerikaner nicht funktioniert. Aber acht Jahre später leitet Team New Zealand damit das erste Überholmanöver beim Cup-Finale ein. Im siebten Rennen erzeugten die Kiwis damit den nötigen Querabstand zum Gegner, um sich aus der engen Umklammerung zu lösen.

Luna Rossa wollte den 145-Meter-Vorsprung durch eine Halse vor der Leegate-Rundung absichern und sich damit direkt vor dem Gegner passieren. Team New Zealand antwortet aber mit einer sofortigen Wende im Manöver (JK).

Dabei ist insbesondere bemerkenswert, wie perfekt die Drehung im Vergleich zu Luna Rossa ausgeführt wird. Trotz nur 9 Knoten Wind bleibt der Speed auch nach dem Drehen des Buges durch den Wind noch bei 30 Knoten:

TNZ rast im siebten Rennen bei 9 Knoten Wind mit 30 Knoten durch die Speed-Wende am Leetor .(JK)

Luna Rossa dagegen verliert im zweiten Rennen bei dem gleichen Manöver trotz stärkeren Windes deutlich mehr Meter:

Luna Rossa verliert bei diesem Manöver im zweiten Rennen trotz stärkerem Wind deutlich mehr Speed

Der Brite Thomas Morris erzählt in seinem Youtube-Video sehr detailverliebt die Unterschiede zwischen den beiden Crews bei diesem Beispiel. Erhält das TNZ-Manöver für einen möglichen Schlüssel beim Cup-Sieg.

Und diese Ansicht bestätigt sich beim entscheidenden letzten Rennen. Denn Peter Burling nutzt die gleiche Technik für die sofortige Wende nach dem Start. Er versucht gar nicht erst, die enge Luvposition bis zur linken Spielfeldgrenze zu halten, um sich dann doch vom Gegner abquetschen zu lassen. Er weiß, dass sein Team dieses Manöver perfekt beherrscht und dass Luna Rossa diese Speed-Wende nicht kontern kann. Vielleicht spielt die mögliche schnelle Wende als Verteidigung auch deshalb in Spithills Überlegung keine Rolle. Jedenfalls wird an Bord darüber nicht kommuniziert.

Ja, Team New Zealand hat das schnellere Boot entwickelt. Und der Sieg ist verdient. Aber es hätte auch anders ausgehen können. Das Beispiel “JK” zeigt, wie sehr die Segler davon abhängig sind, dass auch die Techniker ihren auf höchstem Niveau arbeiten. Sie haben Burling und Co schließlich eine Waffe geliefert, mit der sie die Entscheidung bei diesem 36. America’s Cup herbeiführen konnten.

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

3 Kommentare zu „America’s Cup: Spezielles Manöver – Wie Team New Zealand mit dem “JK” überholt“

  1. avatar Christian sagt:

    Mozzy Sails rocks… astreiner YouTube-Kanal mit profunden Analysen. Die Details bei den AC75 sind so versteckt wie wichtig.

  2. avatar Marc sagt:

    ETNZ, die Erfinder der Foil Rollwende. Zumindest wenn man sich das Video von Thomas Morris anschaut.

  3. avatar Christof sagt:

    Wäre zu erwähnen, dass Kostecki damals zur full foiling tack aufgerufen hat, was damals mit den AC72 sonst nicht möglich war. Durch die Wende foilen ist ja heute Standard, auch bei den Italienern. Nur hatten diese beim JK beide foils unten.
    ETNZ sind größtenteils auf einem foil um die Tonne rum.

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