Boris Herrmann spricht über seine neue Malizia, das 25-köpfige Team, seine Sieg-Ambitionen, den CO2 Fußabdruck, sein erhöhtes Budget und das große Medienecho.
Am 19 Juli exakt um 10 Uhr soll der Stapellauf der neuen bei VPLP konsturierten und der Multiplast-Werft gebauten Malizia erfolgen. Das gibt Boris Herrmann im aktuellen Interview mit den Szene-Insidern von T&S preis.
Außerdem sagt er…
…zu den Umsetzungen der neuen Regeln, die für mehr Nachhaltigkeit sorgen sollen.
Es gebe kein Geheimrezept. Aber man werde die Vorgaben zur geforderten Nutzung der Bio-Verbundwerkstoffe bei Luken, Türen, Böden und Teilen der Cockpitabdeckung optimal umsetzen. Aber man habe auch bewusst die Reisen reduziert. „Mit Covid hat sich eine neue Arbeitsweise entwickelt.“
Wichtig sei es Boote zu haben, die auch nach zwölf oder mehr Jahren noch konkurrenzfähig sind. So wie das Schiff von Jean Le Cam, dass es bei seiner fünften Vendée Globe noch unter die Top 5 geschafft hat. „Wir werfen die Boote nicht nach jeder Vendée Globe auf den Müll. Das verringert den Kohlenstoff-Fußabdruck mit der Zeit. Das muss man mal betonen. Manchmal verläuft diese Debatte etwas einseitig.“
…über die Möglichkeit neu bauen zu dürfen.
Erst die riesige Begeisterung in Deutschland habe den Neubau ermöglicht. Eine Studie des Melt Water Instituts schätze den Werbewert des Medienechos auf 420 Millionen Euro. „Das muss man sicherlich mit Vorsicht genießen, aber es zeigt, wie sich die Medienwirkung entwickelt hat. Das Eis in Deutschland ist gebrochen und das haben wir überhaupt nicht erwartet!“ Man habe sich die Partner sogar aussuchen können – aktuell sind es acht. „Diese Dynamik hat dazu geführt, dass wir ein neues Boot bauen. Vielleicht kommt eine solche Gelegenheit nur einmal im Leben. Deshalb haben wir die Wahl sehr schnell getroffen.“
…zum erhöhten Budget.
„Wir hatten vier Jahre lang ein sehr begrenztes Budget. Erst am Ende fanden wir Kühne+Nagel und die anderen Partner, die es uns ermöglichten, die größeren Foils anzubringen.“ Zum genauen Budget will Herrmann nichts sagen. Aber er bestätigt, dass es sich „auf dem Niveau der anderen Favoriten“ bewegt. Das Team sei auf 25 in Vollzeit angestellte Mitarbeiter angewachsen.
… über die sportliche Ziele.
„Der Traum eines jeden Sportlers ist es, etwas zu gewinnen. Auch wenn ich denke, dass ich bei der letzten Vendée Globe in meinem Kopf nicht zu 100 Prozent diese Einstellung hatte: Ich war nahe am Podium und das hat mich am Ende gestresst. Ich war in meinem Kopf nicht bereit, zu sagen, dass ich es verdient habe und dass ich in den letzten Stunden alles geben werde. Das bedauere ich ein wenig.“
Für diese zweite Kampagne wolle er sich nun mental und technisch verbessern, um gewinnen zu können. Aber auch der Konkurrenz spiele der mediale Erfolg der Vendée Globe in die Karten. Es werden 15 neue Boote gebaut und damit gebe es fast ebenso viele Favoriten. Das Niveau steige deutlich. „Selbst ein fünfter Platz, wie bei meiner ersten Vendée, wird wahrscheinlich viel härter zu erreichen sein. Für mich ist das sportliche Ziel der Prozess, der es mir ermöglicht, konkurrenzfähig zu sein. Man sollte den Erfolg der Kampagne nicht an einer Zahl auf einem Blatt Papier messen. Das ist in diesem Spiel zu riskant.“
…über The Ocean Race.
„Wir fanden es gut, ein Boot für die Vendée Globe zu bauen. Aber wir wissen auch, dass es ein superhartes Rennen ist, das nach zwei Tagen zu Ende sein kann, wenn man einen kleinen Schaden hat. Also haben wir uns gefragt, wie wir die Chancen für den Gesamterfolg des Projekts vergrößern können. Die Antwort war: mehr Aktivität, also mehr Rennen.“
Das Ocean Race habe ihn immer inspiriert und von Anfang an fand er die Annäherung der beiden Regatten eine gute Idee. Aber die Entwicklung der Meldezahlen macht ihm Sorgen. „Ich hoffe, dass es 4-5 Boote sein werden, vielleicht auch 6. Aber auch im schlimmsten Fall, wenn das Rennen ausfällt, werden wir die Strecke trotzdem segeln.“
Als Crew sei der Brite Will Harris eingeplant, der Boris Herrmann schon seit drei Jahren begleitet. Außerdem ein noch nicht benannter „Franzose, der in Frankreich sehr bekannt ist“, und eine Nicht-Französin, deren Namen noch nicht öffentlich ist.
…zu den Linien der neuen „Malizia“.
Sie werde von vorne bis hinten runder. „Ein gutes Boot für die Vendée Globe erreicht keine hohen Speed-Spitzen, sondern hohe Durchschnittswerte. Beim letzten Zyklus errechneten die Designer bei ihren VPPs (Velocity Prediction Programs) Geschwindigkeiten von 26-28 Knoten im Southern Ocean. Tatsächlich lagen die guten Schnittwerte über 24 Stunden bei höchstens 18 Knoten. Wenn wir also schon ein oder zwei Knoten zulegen können, wäre das nicht schlecht.“
Das Cockpit werde im Stil von Hugo Boss geschlossen sein, aber mehr Platz und eine bessere Sicht, auf die Segel, den Horizont, aber auch nach hinten aufweisen. Die Koje werde nun im Cockpit platziert nicht weit von der Winsch mit gutem Blick auf die Bildschirme. Nach der einhand gesegelten Route du Rhum sei vor dem Start des Ocean Races keinen großen Umbau für die Aufnahme der Crew vorgesehen.
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