Der Name taucht seit 15 Jahren zumeist ganz weit oben in den Ergebnislisten weltweiter Hochseeregatten auf. Die „Varuna“ des Hamburger Eigners Jens Kellinghusen knüpft längst an die glorreichen Zeiten der deutschen Admiral’s Cupper in den Achtziger und Neunzigerjahren an. Und am 21. Juli, dem 68. Geburtstag ihres Skippers, wird eine neue getauft – noch schneller und noch extremer als ihre Vorgängerinnen.
Die Hightech-Carbon-Rennyacht, eine Ker 56 mit Schwenkkiel und Seitenschwertern, Doppelrudern und vollständig einklappbarem Propeller, ist bis dahin bei der Kieler KNIERIM-Werft aus der Arbeitsgruppe DEUTSCHE YACHTEN in Bau. Jedermann kann sie am Sonnabend (13. Juni) von 11 bis 17 Uhr beim Tag des offenen Werfttors zum 50-jährigen Firmenjubiläum in der Uferstraße 100 bewundern.
Schon auf den ersten Blick macht der rohe, kohleschwarze Bootskörper in der Werfthalle am Nord-Ostsee-Kanal eine knallharte Ansage: Born to be wild! Mit 17 Metern gerade mal gut fünf Fuß länger als die bisherige, bereits kompromisslose Ker 50 „Varuna“ wird ihr der eigentliche Turbo noch untermontiert.
Der hydraulisch bis zu 40 Grad zu beiden Seiten neigbare Schwenkkiel, dessen Bombe einen Großteil der 7,6 Tonnen Gesamtgewicht ausmachen wird und 4,07 Meter unter die Wasseroberfläche reicht, erhöht das Geschwindigkeitspotenzial auf weit mehr als 30 Knoten.
„Bei den Topspeeds wird die Skala künftig weit nach oben geöffnet“, sagt Bootsmann Tim Daase, der zur 12- bis 14-köpfigen Stammcrew gehört, die vorige Saison mit dem Gewinn des prestigeträchtigen Round Britain and Ireland Race international für Furore sorgte. Und Begehrlichkeiten bei anderen weckte.
Kaufangebote für das Siegerschiff bewogen Kellinghusen, bei seiner Erfolgswerft im November 2014 nochmals einen Neubau in Auftrag zu geben. „Zufriedene Kunden sind gut, wiederkehrende am allerbesten“, so die Geschäftsführer Gunnar Knierim und Steffen Müller, deren Belegschaft sich erneut für ein Nonplusultra der Bootsbaukunst ins Zeug legt.
Alle Formteile für die Rumpfschale über die Schotten und Strukturteile bis zum Deck und den Anhängen wurden zunächst in einer der drei Fünf-Achs-Fräsen der KNIERIM Tooling zehntelmillimetergenau angefertigt. Die „ausgebackenen“ Kohlefaser-Prepreg-Gelege mit Nomex-Honigwabenkern sind der neuste Stand der Komposit-Technologie. „Nur im Bugbereich haben wir einen Schaumkern genommen“, verrät Daase, der auf dem Wasser genau dort seinen Arbeitsplatz hat, „damit die harten Schläge auf die Wellen besser abgefedert werden.“
Das zeigt schon zweifelsfrei, welchen Bedingungen auch die neue „Varuna“ wieder ausgesetzt sein wird. Ihre Feuertaufe soll sie nach ersten Tests auf der Ostsee ausgerechnet beim legendären Rolex Fastnet Race bestehen. Der 90 Jahre junge Hochseeklassiker über 608 Seemeilen startet Mitte August mit rund 350 Teilnehmern in Südengland.
Verläuft das Rennen positiv, peilt der Eigner bereits das Pendant zum Jahresende auf der Südhalbkugel in Australien an. Beim Rolex Sydney Hobart Race feierte Kellinghusen 2013 den Klassensieg in der Wertungsgruppe IRC-1.
Aus den Erfolgen, für die es zweimal in Folge den German Offshore Award für das beste deutsche Hochseesegelteam gab, flossen viele Erfahrungen in den Neubau ein. So wird das Deckslayout diesmal einfacher gehalten.
Fallen und Strecker verlaufen kaum noch unter Deck, sind dafür aber im Zweifel schneller zu reparieren oder auszutauschen. Auch auf Genuaschienen wird zugunsten von Padeyes verzichtet. „Das folgt auch der Prämisse, die Anzahl von Decksdurchbrüchen zu minimieren“, erklärt Daase, denn die Mannschaft erwartet bei entsprechenden Bedingungen viel Wasser über Deck. „Da soll es wenigstens unten drunter so trocken wie möglich bleiben.“ Für die Segler wurden gleich auch 14 neue, rundum wasserdichte Spraytops mitbestellt…
Sie werden beides danken, wenn sie in die Freiwache gehen. Denn im Cockpit trimmen sie die Schoten der Segel auf den Winschen über Grinder wieder manuell. Hydraulik per Knopfdruck, die für den Schwenkkiel ohnehin zur Verfügung steht, gibt es nur für andere Trimmeinrichtungen wie zum Beispiel den Vor- und den Unterliekstrecker sowie den Baumniederholer. Der 25,50 Meter hohe Mast (über Wasseroberfläche) von „Hall Spars“ wird diesmal mit „Carbolink-Rigging“ in Carbon verstagt. Das Schweizer Unternehmen hat zuletzt alle foilenden AC72-Katamarane des 35. Americas Cups ausgerüstet und genügt dem gegenseitigen Anspruch auf die Verwendung führender Technologien.
Durch die insgesamt höheren Bootsgeschwindigkeiten und den entsprechend spitzer einfallenden scheinbaren Wind werden alle Segel vergleichsweise flach geschnitten sein. Der A2-Gennaker mit 333 Quadratmetern am vier Meter langen Bugspriet (vom Vorstag) ist das größte von allen. Die meisten Vorsegel werden gefurlt, das heißt nicht nur der 161 Quadratmeter messende Code Zero im Vorliek eingedreht. Für die Statistiker: Die Segelfläche am Wind beträgt gut 200 Quadratmeter, davon entfallen auf das Groß 121 und die Genua 81,5 Quadratmeter.
Äußerlich dürfte die neue „Varuna“ gut wiederzuerkennen sein, denn im matten flint black metallic von „Alexseal“ mit den bunten Standern des Norddeutschen Regatta Vereins und der Alsterpiraten (beide aus Hamburg) am 4,95 Meter breiten Rumpf bleibt sie ihrem Kohlefaserantlitz innen wie außen treu. Unter Deck dagegen macht nicht nur die große Box für Aufhängung und Technik des Schwenkkiels deutlich, was in der Ker 56 steckt. Eine Mehrzahl von Spanten und Stringern zeugt von den viel höheren Lasten, die abgefangen werden müssen, bei Vollgas mit mehr als 30 Knoten durch die Wellen hindurch.
Quelle: Andreas Kling
Schreibe einen Kommentar