Erik Heil, Thomas Plößel: 20 Jahre in einem Boot, die zweite Olympia-Medaille im Visier

„So nah dran, wie noch nie“

Gestern sind sie in Richtung Tokio abgeflogen, in 19 Tagen fällt der erste olympische Startschuss für die 49er-Segler Erik Heil und Thomas Plößel. Am 27. Juli beginnt für den 31-jährigen Steuermann und seinen 33-jährigen Vorschoter der zweite Olympia-Einsatz nach 2016.

Thomas Plößel (33, l.) und Erik Heil (31) haben die zweit Olympia-Medaille im Visier. © Frithjof Schade

Vor fünf Jahren hatten die gebürtigen Berliner in Rio de Janeiro mit Bronze die einzige Medaille für Deutschlands Segel-Olympioniken geholt. Nichts weniger als Edelmetall hat das Duo vom Norddeutschen Regatta Verein in Hamburg auch bei seinem zweiten Olympiastart im Visier. „Wir wollen wieder eine Medaille gewinnen“, sagt Erik Heil, „am liebsten in einer noch schöneren Farbe als beim letzten Mal.“

Medizinstudent Heil und der Maschinenbau-Master Plößel zählen zu den stärksten Herausforderern der Klassen-Dominatoren Peter Burling und Blair Tuke aus Neuseeland. Die Olympiasieger von 2016 und sechsmaligen Weltmeister gelten auch bei der anstehenden olympischen Regatta in Japan als Maß der Dinge im attraktiven Skiff. Jedoch haben ihre deutschen Rivalen nicht nur bei der umkämpften WM 2019 bewiesen, dass sie den Kiwis sehr gefährlich werden können. Sie haben die Neuseeländer dort beinahe vom Thron gestoßen. Erik Heils Erkenntnis danach: „Wir sind ihnen nähergekommen, so nah wie nie zuvor.“

Abgang beim Training vor Lanzarote. Steuermann Heil ist aus dem Trapez gefallen. © Frithjof Schade

Während die Kiwis in diesem Frühjahr den America’s Cup im heimischen Auckland erfolgreich verteidigten und weniger Zeit als gewohnt auf dem 49er (sprich: Fourtyniner) verbringen konnten, haben Erik Heil und Thomas Plößel ihr Segelspiel in enger Zusammenarbeit mit den spanischen Trainingspartnern Diego Botín und Iago López Marra taktisch und technisch intensiv vorangetrieben.
 

MIT DER „BESTEN TRAININGSGEMEINSCHAFT DER WELT“ STARK 
GEWORDEN, IN INTERNATIONALER KOOPERATION VORGERÜCKT
 
Sieben Jahre arbeiteten Erik Heil und Thomas Plößel zwischen 2013 und 2020 Seite an Seite mit den Kielern Justus Schmidt und Max Boehme an ihrem Aufstieg in die Weltspitze. Die Mission gelang. Zum zweiten Mal in Folge konnten sich die im Segelsport auch als „HP Sailing“ bekannten Berliner in der nationalen Ausscheidung bis 2020 gegen ihre Sparring-Partner und Freunde Schmidt/Boehme durchsetzen. Erik Heil und Thomas Plößel haben darüber nicht vergessen, was sie der vertrauensvollen Kooperation mit den Norddeutschen zu verdanken haben.

Gennaker-Kurs mit den engen Trainigspartnern aus Spanien. © Frithjof Schade

Erik Heil sagt: „Das war die beste Trainingsgemeinschaft der Welt. Die hat uns stark gemacht.“ Seit dem Karriereende der Kieler sind es vor allem die Spanier Diego Botín und Iago Lopez Marra, mit denen Heil und Plößel in bewusst offener Kooperation arbeiten, obwohl sie in Japan miteinander um die Medaillen ringen werden.

Der Lohn für beide Crews auf Kurs Enoshima: Bei der WM 2019 verpassten Heil/Plößel WM-Gold als Vizeweltmeister nur knapp, Botín/López wurden Vierte. Bei der WM 2020 waren die Spanier Zweite, die Deutschen Dritte. Das Ziel, Burling/Tuke die Krone abzujagen, eint sie und macht sie zu ernsthaften Herausforderern für die Kiwis. „Pete und Blair waren zuletzt bei den Testregatten keinen Kilometer mehr weg wie sonst“, hält Heil fest, „sie sind immer noch sehr, sehr gut, aber nicht mehr unschlagbar.“

EREKORDPARTNERSCHAFT: ZWEI
JAHRZEHNTE IN EINEM BOOT
 
Erik Heil (Kiel) und Thomas Plößel (Hamburg) verbindet miteinander eine Rekord-Partnerschaft, die auch international ihresgleichen sucht: Sie lernten sich schon als Schüler im Tegeler Segel-Club in Berlin kennen und sitzen seit 20 Jahren in einem Boot! Jugendtrainer und Mentor Michael Koster hatte das gute Auge und brachte sie zusammen.

Stichtage der ersten gemeinsamen Regatta auf dem Tegeler See sind der 19. und der 20. Mai 2001. Der damals zweite Platz beim Tegeler Jüngstenfestival ist die Wurzel der gemeinsamen Karriere von Erik Heil und Thomas Plößel. Michael Koster, der seine frühere Crew bei den Olympischen Spielen 2016 besucht hatte, aber dieses Mal aus der Ferne mitfiebern muss, sagt: „Erik und Thomas generieren ihre Leistung aus der Freude am Segeln heraus. Sie mussten nach Rio hart arbeiten. Wenn sie gut in den Wettkampf reinkommen, traue ich ihnen alles zu.“

Manchmal hebt der 49er auch (scheinbar) ohne Crew ab. © Frithjof Schade

Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten werden Erik Heil und Thomas Plößel auch vom NRV Olympic Team beflügelt, wo der 1,85 Meter große Heil und sein 1,81 Meter großer Vorschoter Plößel zu den top-geförderten Teams zählen. Im Olympia-Aufgebot des German Sailing Teams sind die gelernten Binnensee-Segler mit Vorliebe für komplizierte Bedingungen neben dem befreundeten Laser-Weltmeister Philipp Buhl die erfahrensten Akteure.

Thomas Plößel attestiert der deutschen Segelnationalmannschaft in Enoshima eine gute „Chemie“: „Die soziale Komponente ist durchaus wichtig. Die Stimmung im Team ist gut. Wir treten mit einem auffällig leistungsstarken Team und einer ganzen Reihe von geladenen Kugeln an. Ja, ich wünsche mir eine Medaille für unsere Crew. Aber fast noch mehr hoffe ich, dass es im Erfolgsfall nicht die einzige wäre.“

DAS BOOT IHRER TRÄUME: DER 49ER IST 
DAS OLYMPISCHE SPORTGERÄT DER WAHL
 
Der 49er war zur Jahrtausendwende in Sydney erstmals olympisch im Einsatz. Die New York Times beschrieb das Skiff einmal so: „Wenn Batman ein Segler gewesen wäre, dann hätte er vielleicht den 49er als Batmobil in Betracht gezogen.“ Für Erik Heil und Thomas Plößel ist die kippelige, aber so dynamische Doppeltrapez-Jolle das ultimative olympische Sportgerät. Der Steuermann sagt: „Für uns ist der 49er das beste Boot, weil es am meisten Spaß macht, fordernd und technisch schwierig zu beherrschen und auch taktisch anspruchsvoll ist.“

Magischer Moment im Doppeltrapez. © Frithjof Schade

Co-Pilot Plößel „liebt es, im 49er übers Wasser zu fliegen“. Der „Flow“, wenn alles passt und das 4,99 Meter lange und mit seinen Wings etwa 2,90 Meter breite Geschoss in Perfektion übers Wasser fliegt, ist die Triebfeder für Plößels Einsatz an Heils Seite. Der 49er, sagt Plößel, erfordere „schnelle Entscheidungen, eine Portion Mut und eine gewisse Abgezocktheit“.

Die olympischen Boote der bestechend synchron agierenden deutschen 49er-Akrobaten heißen nach der Ehefrau ihres Förderers, des NRV-Olympic-Team-Gründers Gunter Persiehl, immer „Gyde“, auch wenn der Name nach olympischem Reglement im Revier von Enoshima nicht zu sehen sein darf.
 
MASSGESCHNEIDERT FÜR DIE DEUTSCHEN 49ER-
ASSE: EIN OLYMPIA-REVIER FÜR ALLROUNDER
 
Alles ist möglich: Das Olympiarevier von Enoshima, so prophezeien es die Wetterexperten, könnte vom Taifun bis zur totalen Flaute die ganze Bandbreite von Wind- und Wetterbedingungen servieren. Die japanischen Olympia-Gewässer mit den vielen Gesichtern passen gut zu den deutschen Skiff-Allroundern. „Je schwieriger und unberechenbarer die Winde, je besser für uns“, sagt Heil.

Ebenso bekannt ist die Sagami-Bucht für ihre bei Seglern beliebten Wellenbedingungen. Die olympische Regatta wird für insgesamt zehn Segeldisziplinen vom 25. Juli bis zum 4. August ausgetragen. Die 49er-Segler sind in diesem Zeitrahmen wie die 49erFX-Frauen vom 27. Juli bis zum 2. August gefordert, für das finale Medaillenrennen auf dem Programm steht.

DIE WICHIGSTEN DATEN ZUR ZWEITEN OLYMPIATEILNAHME VON ERIK HEIL UND THOMAS PLÖSSEL
 
Das Team
Team D, Segelnationalmannschaft, German Sailing Team
 
Die Crew 
Erik Heil (31), geboren in Berlin, lebt in Kiel, Norddeutscher Regatta Verein (NRV)/Tegeler Segel-Club (TSC)
Thomas Plößel (33), geboren in Berlin, lebt in Hamburg, Norddeutscher Regatta Verein (NRV)/Tegeler Segel-Club (TSC)
 
Das Boot
49er (Skiff Männer), seit Sydney 2000 im olympischen Programm, seitdem zwei deutsche Olympia-Medaillen:
2008: Bronze für Hannes und Pit Peckolt
2016: Bronze für Erik Heil und Thomas Plößel
 
Die größten Erfolge
Bronze Olympische Spiele 2016, Vizeweltmeister (2019), WM-Platz 3 (2020)
 
Die olympische Regatta
25. Juli bis 4. August 2021
 
Die olympischen 49er-Wettfahrttage (4 + Finale)
27. Juli, 28. Juli, 30. Juli, 31. Juli, 2. August (Medaillenrennen)
 
Der Favoritenkreis
Peter Burling/Blair Tuke (Neuseeland, Titelverteidiger, 6 x Weltmeister)
Erik Heil/Thomas Plößel (Kiel/Hamburg, Vize-Weltmeister 2019 + WM-Dritte 2020)
Diego Botín/Iago López Marra (Spanien, Vize-Weltmeister 2020)
Dylan Fletcher/Stuart Bithell (Großbritannien, Weltmeister 2017)
Benjamin Bildstein/David Hussel (Österreich, Weltranglisten-Erste November 2020)
Jonas Warrer/Jakob Precht (Dänemark, Olympiasieger 2008)
Sime Fantela/Mihovil Fantela (Kroatien, Weltmeister 2018)
 
Die Zeitdifferenz
Japan ist Deutschland zeitlich voraus. Die Differenz beträgt im Sommer sieben Stunden. Beginnt der Regattatag in Japan um 12 Uhr mittags, ist es in Deutschland erst 5 Uhr morgens. Beim geplanten Ende der Regattatage um 18 Uhr ist es zuhause in Deutschland 11 Uhr am Vormittag.
 
Olympia-Regatta im TV
Sowohl ARD als auch ZDF übertragen die Rennen auf ihren Olympia-Kanälen, die über die Mediatheken (ard.de; zdf.de) zu finden sind. Auf der Homepage des German Sailing Teams gibt es einen Live-Tracker zu den Wettfahrten. 
 

Die Partner

# Red Bull
Zwei der aktuell 14 von Red Bull unterstützten internationalen Seglerinnen und Segler kommen aus Deutschland: Erik Heil und Thomas Plößel. Das 49er-Duo ist Teil der Red-Bull-Familie, der auch die Olympiasieger Santi Lange/Cecilia Carranza (Argentinien), America’s-Cup-Gewinner Jimmy Spithill (Australien) oder die österreichischen Olympiasieger Roman Hagara und Hans-Peter Steinacher angehören. 

# German Sailing Team
Die Segelnationalmannschaft (German Sailing Team) ist der Team-Heimathafen von Erik Heil und Thomas Plößel, die hier früh und intensiv gefördert wurden. 2004 starteten sie im Berliner D-Kader durch, heute sind Erik Heil und Thomas Plößel Mitglieder im Olympiakader und erhalten Unterstützung in vielen Bereichen wie Training oder Logistik.

# Norddeutscher Regatta Verein + NRV Olympic Team + Tegeler Segel-Club
Erik Heil und Thomas Plößel wurden seglerisch im Tegeler Segel-Club in Berlin groß und fanden dort 2001 in Regie ihres Jugendtrainers Michael Koster zusammen. Im Norddeutschen Regattaverein sind sie seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten Mitglieder und werden als Top-Crew vom NRV Olympic Team unterstützt. 

# SUSE
Das international operierende Software-Unternehmen (Linux-Spezialist) SUSE ist stolzer Partner der deutschen Medaillenjäger, unterstützt Erik Heil und Thomas Plößel auf ihrem Weg zum zweiten Olympia-Einsatz in Japan. 

# Salzbrenner Würstchen
Treu und verlässlich: Das Unternehmen Salzbrenner Würstchen, unter anderem auch Partner des FC St. Pauli und von Hannover96, unterstützt das Hamburger NRV Olympic Team und die Segler Erik Heil und Thomas Plößel fast schon so lange, wie sie Mitglied im NRV sind. 

# Cleanhub
Jüngster Partner der Crew ist Cleanhub. Ziel des Unternehmens ist die Etablierung starker Plastiksammelsysteme, weil es die kostengünstigste und nachhaltigste Lösung zum Schutz der Ozeane ist. Als Cleanhub-Botschafter wollen Erik und Thomas helfen, die Meere zu schützen und mehr Aufmerksamkeit für die Plastikvermüllung der Ozeane generieren. Für jede Seemeile, die das 49er-Duo bei den Olympischen Spielen segelt, wird Cleanhub zehn Kilogramm Plastik sammeln. Dadurch ergeben sich alleine aus dem Olympia-Einsatz 1,5 Tonnen Plastik, die nicht mehr die Umwelt belasten. 

# American Pistachio Growers
Das Unternehmen American Pistachio Growers versorgt die Olympioniken mit köstlichen und nahrhaften Pistazien – ein idealer Snack für Leistungssportler und Menschen, die sich gerne gesund und lecker ernähren. Da Pistazien große Mengen an wertvollen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthalten, können sie helfen, einem zu hohen Cholesterinspiegel und Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen. 

# Zhik
Die Outdoor- und Sportbekleider von Zhik genießen bei Olympiaseglern höchstes Ansehen. Das australische Unternehmen gilt als innovativer Trendsetter für leistungsunterstützende Funktions-Bekleidung, die ihren Namen verdient. Top-Athleten wie Weltumsegler Alex Thomson die holländische Olympiasiegerin Marit Bouwmeester oder auch Doppel-Olympiasieger Robert Scheidt vertrauen Zhik. Mit Erik Heil, Thomas Plößel und Laser-Weltmeister Buhl segeln drei der aktuell erfolgreichsten deutschen Olympiasegler in Zhik.

Quelle: HPSailing

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