Faszinierende ILCA7-WM bei Starkwind: Buhl auf Platz vier – Respekt für Willim

„Guter Schritt nach vorne“

Philipp Buhl hat die angestrebte Medaille bei der ILCA7-Weltmeisterschaft um einen Platz verpasst. Dennoch gelingt ihm ein großer Schritt Richtung Olympiaqualifikation.

Der aktuelle ILCA7-Überflieger Matt Wearn. Der Olympiasieger verteidigt seinen WM-Titel im Heimatland. © Jack Fletcher / Down Under Sail

Bei Starkwind gibt es beim ILCA-Segeln keinen Platz für Überraschungen. Unter den Top Ten landen schließlich fünf ehemalige Weltmeister und vier weitere Segler haben schon eine oder mehrere WM-Medaillen gewonnen. In der härtesten Olympia-Klasse entscheidet schiere Physis. Wer lange genug ausreiten kann, über ü-1,90 Körpergröße und ein Gewicht jenseits der 85 Kilogramm verfügt sowie beim Wellenreiten vor dem Wind die Technik beherrscht, segelt vorne. Der reine Speed reicht aus. Große Winddrehungen spielen kaum eine Rolle. Zumindest wenn man sich wie vor Adelaide auf eine stabile Thermik verlassen kann.

Die Hackordnung bei solchen Bedingungen ist wie in Stein gemeißelt. Umso mehr, wenn wie bei der jüngsten Weltmeisterschaft in Adelaide die Kurse wieder deutliche verlängert wurden. Bei der WM 2023 in Den Haag betrug die Zielzeit für ein Rennen noch 45 Minuten, in Adelaide sind es 60 Minuten. Den Großteil davon verbringen die Segler mit den Füßen unter dem Ausreitgurt und einem so weit wie möglich nach Luv gestreckten Oberkörper.

Buhl auf der Erfolgswelle. © Jack Fletcher / Down Under Sail

Denn am Wind erreicht ein ILCA7 bei den WM-Bedingungen in Australien kaum 5 Knoten Speed, vor dem Wind dagegen bis zu 12 Knoten. Die Skipper kämpfen im Vergleich also mehr als doppelt so lange mit schmerzenden Beinen auf der Kreuz, bis sie den Rausch des Vorwindsegelns oder eines kurzen, spitzen Raumschenkels genießen dürfen.

Entsprechend gibt es bei einer Starkwind-Serie kaum Verschiebungen im Feld. Man muss über viele Jahre die Muskeln stählen, um sich in die Gefilde der Spitzen-Performer hochzuarbeiten. Vordere Plätze sind nicht durch einen Lucky Punch zu erreichen, der schon Mal bei Leichtwind gelingt.

Die Konkurrenz immer im Blick, den Körper maximal weit draußen. © Jack Fletcher / Down Under Sail

Der Brite Micky Beckett, der in Adelaide seine Silbermedaille aus dem Vorjahr wiederholte, bestätigt, dass der starke Wind verbunden mit dem hohen Wellengang eine „extreme Herausforderung“ dargestellt hat, aber „genau dafür trainiert man“. 

Beckett scherzt: „Wir gehen oft ins Fitnessstudio, essen viel, gehen dann wieder ins Fitnessstudio  beschweren uns darüber, und essen dann noch mehr. Aber wir haben das Glück, Vollzeit-Profis zu sein. Das heißt unser Bestreben zielt darauf ab, genau solche windigen Bedingungen zu meistern. Das heißt nicht, dass es nicht weh tut, aber wir können die Belastung aushalten.“

Hängen bis der Arzt kommt auf dem kurzen Trapezoid-Schenkel. © Jack Fletcher / Down Under Sail

Zu den wenigen, die das auf höchstem Niveau schaffen, gehört auch Philipp Buhl. Das hat er bei seinem WM-Sieg 2020 in der Bucht nebenan vor Melbourne gezeigt. Und auch vier Jahre später bestätigt er seine Zugehörigkeit zu dieser Starkwind-Elite. Insbesondere der Rennsieg im letzten Goldfleetrennen zeigt die physische Stärke.

Seine 65 Punkte in der Endabrechnung hätten noch bei der WM in Haag Gold bedeutet. Der Vergleich mag etwas hinken, weil in größeren Flotten gesegelt wurde (70 statt 51) und sechs statt vier Goldfleetrennen stattfanden, aber die Tendenz wird bestätigt. Bei dauerhaftem Starkwind sind immer die gleichen vorne. Es gibt kaum Verschiebungen. Der australische Sieger Matt Wearn, Olympiasieger und WM-Titelverteidiger segelte nur einmal als 11. nicht unter die Top Ten. Und so ähnliche Serien gelangen auch den anderen beiden Medaillengewinnern.

Dicke Backen auf der Buckelpiste. © Jack Fletcher / Down Under Sail

So reichte für Philipp Buhl schon ein kleiner Moment der Schwäche am dritten Quali-Tag, dass die angestrebte Medaille außer Reichweite geriet. Nach einem 11. Platz berechnete er im nächsten Rennen die Anliegelinie zur Luvtonne zu knapp und musste mit einer Halse abdrehen. Das kostete ihn den Streicher (38.) und schon vor dem Medalrace lag er 20 Punkte zurück. Allerdings blieb ihm auch nach hinten zum Neuseeländer Thomas Saunders ausreichend Platz, so dass das doppelt zählende Finale keine große Herausforderung mehr bedeutete.

Die Serien der Top 15. Kaum Verschiebungen auf den ersten Plätzen bei Starkwind.

Buhl sagt nach der Regatta: „Ich bin froh, dass ich seit dem 12. Platz in Den Haag im vergangenen Jahr einen guten Schritt nach vorne gemacht habe. Diese Woche segelten Matt Wearn, Hermann Tomasgaard und Micky Beckett fast fehlerfrei und haben die Messlatte sehr hochgelegt. Ich respektiere und ehre ihre Leistung zutiefst. Aber ich bin auch froh, einen großen Schritt in Richtung Qualifikation für die Spiele gemacht zu haben und dass ein Teil des alten Buhli wieder da ist.“

Nach den schlechten dritten Tag habe er sich durchaus andere Sorgen machen müssen als um das Podium. Aber danach sei er zufrieden gewesen mit der konzentrierten Reaktion darauf. Mit zwei soliden Plätzen 10/9 segelte er vorsichtig und vermied etwa das Frühstartrisiko im ersten Goldfleetrennen bei Schiebestrom. Sieben Konkurrenten wurden disqualifiziert, darunter Teamkollege und Olympia-Rivale Nik Aaron Willim.

Der hatte sich bis auf sechs Punkte an Buhl herangeschoben war dann aber durch den Frühstart und einen weiteren 27. Platz von Rang 12 auf 21 zurückgefallen. Danach sorgte er noch einmal mit Rang vier für Respekt unter den besten der Welt, aber schließlich war nicht mehr drin, als Platz 14.

Besonders ärgerlich: Das letzte Fleetrace fiel aus, weil sich die Seebrise nicht rechtzeitig vor dem Ablauf der Zeit stabilisierte. So wurde ihm die gute Chance genommen, noch auf Platz 11 vorzurücken. In der Gesamtwertung der Olympiaqualifikation hat sich Willims Rückstand also von 4 auf 14 Punkte vergrößert.

Willim beim Abfallen auf den Vorwindkurs. © Jack Fletcher / Down Under Sail

Das ist bei der letzten Qualifikationsregatta Princess Sofia Trophy auf Mallorca zwar zu schaffen – etwa durch einen Sieg, der fünf Bonuspunkte bringt, aber die deutlich besseren Karten hat nun Kontrahent Buhl.

Deshalb wiegt er sich der Führende auch nicht in Sicherheit. „Ich traue Nik Top-Drei-Platzierungen zu.“ Mit dem sieben Jahre jüngeren Trainingspartner und Rivale sei eine starke Trainingsarbeit möglich gewesen. „Und unser Umgang  war in den letzten sechs Monaten sehr respektvoll und fair. Das schätze ich sehr! Die Tatsache, dass ich ein starkes Augenmerk auf ihn richten muss, zeigt, dass er einen großen Sprung gemacht hat und an der Weltspitze kratzt. Ich freue mich über ein paar Punkte, die ich auf Nik gewinnen konnte. Aber ich freue mich auch über seinen starken 14. Platz bei dieser WM.“

Willim selbst erklärt: „Ich bin auf dem richtigen Weg und habe das beste WM-Ergebnis meiner Karriere erreicht. Ich hatte zwar auf eine Top-Ten-Platzierung gehofft, war aber bei fünf Tagen Ballermann auch an meinen physischen Grenzen.“ Mit Blick auf die letzte Ausscheidungsregatta vor Mallorca sagte Nik Willim: „Ich bin bei mittleren Winden sehr schnell. Wenn Philipp sich dort Fehler erlaubt und ich extrem gut bin, ist immer noch einiges möglich. Wir arbeiten die ganze Zeit komplett zusammen und holen das Beste heraus. Am Ende fährt der Bessere zu den Spielen. Das ist dann okay.“

Coach Alex Schlonski mit den ILCA-7-Besten im German Sailing Team arbeiten. Sein WM-Fazit: „Natürlich will Philipp immer Medaillen gewinnen, wenn er bei Wettkämpfen startet. Hier aber ging die Ausscheidung vor, weshalb der vierte Platz sehr in Ordnung geht. Man muss erst die Ausscheidung gewinnen, bevor man olympische Medaillen ins Visier nehmen kann. Nik hatte hier einen schwarzen Tag, aber sein 14. Platz ist sehr gut. Der Druck war bei uns allen wie in einigen anderen Nationenteams hoch. Das Ergebnis ist unter diesen Bedingungen gut.“

Dazu beigetragen hat auch der Einsatz des österreichischen Co-Trainers und Laser-Olympia-Silber-Gewinners Andreas Geritzer (46). Dank der Unterstützung des Heinz Nixdorf Vereins konnte er in Australien die fünf jüngeren deutschen ILCA7-Segler betreuen, die in der Silver-Fleet ansprechende Leistungen ablieferten.

 

Buhl auf der Erfolgswelle. © Jack Fletcher / Down Under Sail

Zur Hierarchie in der ILCA7-Klasse sagt Philipp Buhl: „Beckett und Wearn sind über die letzten 12 Monate klar die besten und einen Schritt voraus. Dass mein norwegischer Freund und Trainingspartner Hermann die Party sprengen konnte, werde ich versuchen für uns zu nutzen.“

Ergebnisse ILCA7 Worlds 2024 Adelaide

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