Erik Kosegarten-Heil zieht nach der sensationellen Entwicklung des deutschen SailGP Teams bei den jüngsten Events in Europa mit den Plätzen 5, 4, 1 und 3 Bilanz. Was hinter der Erfolgsserie steckt.

Alle vier Europa-Events sind gesegelt, die Karten fürs Finale von Saison fünf verteilt. Die Briten, die Neuseeländer und die Australier stehen mit einem Bein im großen Finale von Abu Dhabi (29./30. November). Die Spanier könnten in den Fleetraces in Abu Dhabi mit einem mega Lauf noch eines der Teams abfangen. Wir werden darum kämpfen, die Saison nach der erfolgreichen europäischen Schlussphase im Hoch zu beenden.
Ja, die letzten zwei Monate haben uns sehr gutgetan: Mit den Plätzen 5, 4, 1 und 3 haben wir unsere Zielsetzungen bei den Europa-Events nach schwerem Einstieg in die Saison weit übertroffen. Damit sieht unsere Saisonbilanz vor dem Finale so aus, dass wir mit zwei Finalteilnahmen in diesem Jahr und einem Event-Sieg unsere Erwartungen überbieten konnten.

Nicht ganz erreicht haben wir aufgrund der Strafen in Sydney die angestrebte Saisonplatzierung in der ersten Hälfte des Feldes. Auch unterboten haben wir unsere erhoffte Startbilanz im Durchschnitt. Nimmt man allerdings die letzten fünf Events, dann haben wie unsere Zielsetzung deutlich übertroffen. Wir wollten in den Top-Sechs sein, waren konstant deutlich drüber und zuletzt sogar die Besten.
Wieso seid Ihr plötzlich so gut? Die Frage ist mir in letzter Zeit oft gestellt worden. Die einfache Antwort darauf wäre: Wir können die vielen Puzzle-Teile, die es im SailGP zum Erfolg braucht, als junges Liga-Team noch nicht immer, aber immer öfter gut zusammensetzen. Es gibt viele Beispiele, wo die wachsende Erfahrung uns zunehmend hilft. Ich selbst kann beispielsweise mit wachsender Routine mehr Strategie und Taktik machen als gerade Bootshandling.
Mit hoher Event-Frequenz zu mehr Kontinuität
Die Europa-Legs haben uns eine Serie von Events ohne zu große Pausen beschert. Auch das hat uns enorm geholfen. Es war cool für uns, ohne die großen Lücken kontinuierlich arbeiten zu können. Das letzte Event in Cádiz war mit dem Atlantik-Swell superschwer. Dabei sind wir relativ gut weggekommen. Das hat die anderen Teams sehr beschäftigt, wie ich bei Begegnungen mit dem einen oder anderen gemerkt habe.

Kleine Konstellation, große Wirkung?
Viel gesprochen wurde in Cádiz und danach auch über unsere „Mini-Slingshot-Starts“. Gemeint ist damit der aus dem Mittelfeld (nicht so ganz weit ausgeholt wie es oft die Franzosen tun) erfolgende Durchstoß an die Linie zum Start. Man muss dafür unter anderem gut einschätzen können, wie sich das Feld verhält. Auch hier gilt: Je mehr Erfahrung, je besser geht das. In Cádiz sind uns diese Starts in Serie gut gelungen. Das war sehr gut und es tat sehr gut.

Eine weitere Frage war, ob wir das in in Cádiz so gut hinbekommen haben, weil wir in der kleinsten Drei-Personen-Konstellation unterwegs gesegelt sind. Es könnte sein, dass da insofern etwas dran ist, als dass es in der großen Standard-Konstellation deshalb noch am schwersten für uns ist, weil die etablierten Teams mit mehr Erfahrung – auch aus dem America’s Cup – hier einen Vorsprung haben. Ich schätze, dass wir hier beim Aufholen die größte Distanz zurückzulegen haben.
Die Gegner sind keine Karnevalstruppen
Bei Spezialthemen, eben beispielsweise beim Segeln in kleinster Crew-Konstellation oder auch in anderen Bereichen, gilt: Da haben wir genauso Nachteile, können aber schneller aufholen, weil der Vorsprung der anderen bei Besonderheiten nicht so groß ist. Segelst du zu dritt, sind auch weniger Stimmen im Ohr. Der Koordinationsanspruch ist geringer. Das liegt vor allem mir und Stu Bithell ziemlich stark.
Für uns sind die jüngsten Erfolge eine enorme Motivation! Wir sehen damit Erfolge auch an anderen Teamfronten in greifbarer Nähe. Dazu können wir bis zum Saisonfinale in Abu Dhabi sicher mehr sagen. Das Thema Erfolge war bei uns im Team vielleicht ein bisschen unterschätzt. Wir wollten realistisch bleiben, Schritt für Schritt weiterkommen, uns nach oben arbeiten. Wir wussten, dass es ein schwerer Weg wird. Oder wie es Per Mertesacker einmal bei der Fußball-WM 2014 sagte: Wir treten hier ja nicht gegen Karnevalstruppen an.
Sassnitz bleibt unvergesslich!
Es ist im SailGP schon sehr hilfreich, wenn man die anderen Teamabteilungen bei ihrer Arbeit mit sportlichen Erfolgen unterstützen kann. Das gilt von Commercial bis Media. Die letzten acht Wochen von Sassnitz bis jetzt waren für alle im Team anstrengend. Aber sie haben sich auch sehr gelohnt.

Unvergesslich bleibt für uns Sassnitz: Wie fantastisch der SailGP und wir als Team aufgenommen wurden von der deutschen Sport- und Segelwelt! Es war der Hammer, wie viele Menschen dahin gereist sind. Bemerkenswert und vielen nicht bekannt: In Sassnitz wurde der Merchandising-Rekord der Liga gebrochen, obwohl wir sonst nur in Orten sind wie New York, San Francisco und Sydney.
Tolle Begeisterung für den SailGP und uns als Team
Das ist schon eine wilde Nummer, dass die Leute in Sassnitz mehr SailGP-Souvenirs und Bekleidung einkaufen als alle anderen auf der Welt. Dort wurde knapp 300.000 Euro an Merchandise verkauft. Ich glaube, der bisherige SailGP-Rekord lag bei etwa bei 230.000. Es ist gigantisch gelaufen in Sassnitz. Das war für uns alle eine extrem tolle Überraschung, dass die Leute eine solche Begeisterung zeigen für das Thema SailGP und auch für uns als Team.

Aktuell liegt unser Fokus längst darauf, die sechste Saison komplett zu strukturieren. Sie beginnt bereits am 17. und 18. Januar 2026 mit dem Oracle Perth Sail Grand Prix in Australien. Wir wollen bis Abu Dhabi das komplette Setup für die neue Saison eingelockt zu haben. Das gilt fürs Personal ebenso wie für die Trainingsmöglichkeiten und alle anderen Pläne. Wir wollen viel im Simulator trainieren und mehr In-Person-Briefings und Debriefings machen, weil da mehr Kreativität entsteht.
Stay tuned. Wir werden Euch in den kommenden Monaten sehr viel zu berichten haben und freuen uns bis dahin auf ein furioses Finale Ende November in Abu Dhabi!“
Quelle: Germany SailGP Team / Erik Heil
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