Mit einem einmaligen Ereignis verbindet Kiel vom 10. bis 21. August die Historie des Segelsports mit dessen Zukunft. Den Segel-Auftakt bilden die Gemeinsamen Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften (GIDJM) vom 10. bis 16. August, bevor vom 17. bis 21. August vier ehemalige olympische Klassen von 1972 zeitlich gestaffelt zum Revival der olympischen Segelwettkämpfe vor Kiel-Schilksee an den Start gehen. Mit zahlreichen weiteren Veranstaltungen an Land und auf dem Wasser feiert die Landeshauptstadt vom 6. August bis 8. September das 50-jährige Jubiläum der olympischen Segelwettkämpfe von 1972.
Zusammen mit den bereits beendeten Strander KÜZ-Regatten mit sechs Nachwuchsdisziplinen und gleichzeitig stattfindendem blueribboncup (17. bis 21. August) für Offshore-Yachten bietet Kiel innerhalb von zwei Monaten nach der Kieler Woche ein zweites Mal die ganze Bandbreite des Segelsports. Im Alter von zehn bis 82 Jahren sind von der Jugend bis zu den Senioren drei Generationen am Start. In den Räumen des Deutschen Segler-Verbandes in Kiel-Schilksee präsentierten die Veranstalter gestern (8. August) das umfangreiche Segelprogramm im August.
Die Olympischen Segel-Wettkämpfe von 1972 vor Kiel waren ein Jahrhundertereignis für Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt. Für die 318 Segler aus 42 Nationen, darunter viel Prominenz und Blaues Blut, wurde in Schilksee das Olympiazentrum gebaut, das auch nach 50 Jahren immer noch rege genutzt wird. Auch wenn nicht jeder dem Charme der 70er Jahre erliegt, den die Anlage ausstrahlt, so hat sie doch bis heute allemal einen großen Pluspunkt zu bieten: Kaum ein Olympiazentrum ist nachhaltiger. Bis heute findet in Schilksee jährlich die Kieler Woche mit bis zu 4000 Aktiven statt. „Wir haben den Olympischen Spielen viel zu verdanken. Jetzt möchten wir uns mit dem Revival-Event zum 50. Jubiläum bedanken“, so der Organisationsleiter der Regatten, Dirk Ramhorst (Kieler Yacht-Club). „Und die Vorfreude ist sehr groß, ist es doch ein wirkliches Highlight. Die olympischen Segelwettbewerbe haben uns zu dem werden lassen, was wir heute sind. Der Ausspruch ,Do it like in Kiel’ wurde geboren und beflügelt uns bis heute. Dabei den Bogen von den Jugendklassen bis hin zu den ehemaligen olympischen Klassen zu spannen, ist einfach toll“, so Ramhorst, der sich gleichzeitig für die Unterstützung durch den Deutschen Segler-Verband, das Land Schleswig-Holstein und die Stadt Kiel bedankt. Mitveranstalter sind der Norddeutsche Regatta Verein und der Verein Seglerhaus am Wannsee.
Einen Blick zurück warf Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer. „Kiel hat seine Jahrhundertchance wahrgenommen, das wusste schon unser damaliger Oberbürgermeister Günther Bantzer – und dabei ging es um weitaus mehr als die olympischen Segelwettbewerbe. Der Einfluss, den das Event ,Olympia‘ auf die Landeshauptstadt Kiel hatte, war enorm und ist auch heute noch zu spüren und vor allem in der Infrastruktur zu sehen. Mit dem Bau der A 215 wurde Kiel endlich direkt an das Autobahnnetzwerk angebunden, eine weitere Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal, die Fördestraße und die B 503 wurden gebaut. Wichtige Teile der Kieler Infrastruktur gehen auf die Olympischen Spiele von 1972 zurück, und daher kann ich Günther Bantzer nur zustimmen: Olympia war eine Jahrhundertchance, und Kiel hat sie genutzt. Darüber können wir uns heute noch freuen“, so Kämpfer, der gleichzeitig auf einige Veranstaltungshighlights an Land und auf dem Wasser hinwies: „Der erste Höhepunkt liegt schon hinter uns – heute Morgen sind die Oldtimer, die am Revival der Olympia-Rallye teilnehmen, vom Wilhelmplatz in Richtung München aufgebrochen. Dass ich passionierter Radfahrer bin, dürfte hinlänglich bekannt sein, aber diese Oldtimer und Rallye-Legende Walter Röhrl in der Stadt zu Gast zu haben, ist schon etwas ganz Besonderes. Im Fokus der Jubiläumsfeierlichkeiten stehen aber natürlich die Segelregatten. Spannend dürfte es überall werden, aber in der Klasse Tempest werden bei uns auf der Förde sogar Weltmeisterschaften ausgetragen. Wettbewerbe von diesem Format in der Stadt zu haben, ist immer eine große Ehre“, so Kiels Oberbürgermeister, der ergänzte, dass Kiel für seglerische Höhepunkte bereit sei: „Kiel und Olympia sind fest miteinander verbunden. Im Bürgerentscheid 2015 haben sich die Kieler*innen mit mehr als 65 Prozent pro Olympia ausgesprochen. Und wer weiß, was noch kommt. Unser zukunftsweisendes Konzept für künftige olympische Segelwettbewerbe liegt griffbereit in der Schublade.“
Den Auftakt bei dem Segel-Großevent „GIDJM trifft Historie“ machen die gemeinsamen Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften, die für alle Jugendklassen ausgeschrieben waren. In Kiel gehen neun Klassen ins Rennen. Dabei platzt vor allem das Optimisten-Feld mit über 300 Meldungen von Aktiven aus elf Nationen aus allen Nähten. Auch die ILCA 6, ILCA 4, 420er und 29er melden starke Teilnehmerfelder. „Insgesamt werden wir auf fünf Bahnen Regatten segeln. Dabei werden die 280 Optis, die wir zulassen konnten, in vier Gruppen starten“, so der Oberste Wettfahrtleiter Fabian Bach. Insgesamt segeln über 820 Aktive mit rund 650 Booten um die neun Internationalen Deutschen Junioren-Titel.
Der höchste Vertreter des Deutschen Segelnachwuchses, DSV-Jugendobmann Timo Haß, ist mit der Starterzahl zufrieden, auch wenn es zeitliche Überschneidungen gibt: „Die Meldezahlen liegen mit einigen Ausnahmen im Rahmen des Erwarteten. Bei den Optis haben wir die Zahl erhöht, um allen deutschen Seglerinnen und Seglern, die gemeldet und die Kriterien erfüllt haben, die Teilnahme zu ermöglichen. Bei den 29ern liegen wir zeitlich nach der Europa- und der Weltmeisterschaft, was sicherlich ein paar internationale Teilnehmer davon abgehalten hat zu melden; 420er und ILCA 6 haben parallel stattfindende Weltmeisterschaften, was aber leider nicht zu vermeiden war. Die ILCA 4 haben ein starkes Feld; leider hat es bei den Cadet, Techno 293 und O´pen Skiff trotz viel Werbung und Ansprache nicht geklappt; hier werden wir uns Gedanken machen müssen, wie man damit in Zukunft umgeht.“
Beim Blick in die Zukunft ist das DSV-Präsidiumsmitglied optimistisch: „Wir haben eine sehr gute Basisarbeit in den Vereinen, und die Zahlen sind im Vergleich zu anderen Sportarten recht stabil; dennoch werden wir uns darauf einstellen müssen, dass der ,Wettbewerb‘ um Nachwuchs härter wird.“ Und natürlich ist eine GIDJM immer etwas Besonderes. Auch wenn der Rhythmus der bisherigen sechs GIDJM etwas holperig war, werde die nächste Gemeinsame Internationale Deutsche Jugendmeisterschaft für das Jahr 2026 geplant, so Haß.
Bei der jetzigen Ausgabe der Veranstaltung geht es in neun Klassen um die Titel. Und einer, der immer zu den Favoriten zählt, ist ILCA-Segler Ole Schweckendiek. Der 17-Jährige hat schon so einige Titel gehamstert. 2019 gelang dem Kieler der Hattrick bei der großen deutschen Regattaserie: Er wurde Erster bei der Kieler, der Warnemünder und der Travemünder Woche. Mit dem Sieg der Deutschen Jugendmeisterschaft rundete er das Jahr ab. Die Auszeichnung zum Nachwuchssegler des Jahres 2019 durch Immac war da nur logisch.
Das Segeln liegt Korbinian Grawe im Blut: Er ist der Enkel von Heinz Laprell, der 1972 vor Kiel im olympischen Tempest an den Start ging. Und natürlich hat der ehemalige Olympionike seinem Enkel von diesem Ereignis erzählt. „Die Erzählungen meines Opas zeigen ganz klar, dass sich die Zeiten geändert haben. Mein Opa hat damals Medizin studiert und ist Arzt geworden. Heute kann man wohl nicht mehr so leicht nebenbei zu Olympia fahren. Das ist ein Fulltimejob geworden“, weiß auch der Zehnjährige schon. Auf dem Weg zu seinem Ziel in Kiel, zu einem Platz unter den Top-50, lässt sich der Schüler gern beraten. „Opa lebt ja in Kiel und wir am Chiemsee. So haben wir noch gar nicht oft zusammen Zeit auf dem Wasser verbracht. In Kiel möchte ich mir dieses Jahr unbedingt gute Tipps von ihm geben lassen. Reviercheck ist Opas Königsdisziplin, und die Kieler Förde kennt er wie seine Westentasche“, so Korbinian, der gleichzeitig Mitglied im Chiemsee Yacht-Club und dem Kieler Yacht-Club ist. Die Verbundenheit zu Bayern und Kiel sind gute Gründe für die gesamte Familie, beide Standorte zu nutzen. „Meine Mutter ist in Kiel aufgewachsen und erst nach dem Abitur nach Bayern gezogen. Opa Laprell und die ganze Kieler Familie ist gefühlt schon seit Jahrhunderten im KYC. Hinzu kommt, dass meine Mutter immer Heimweh hat, und wir schon seit meine Brüder und ich auf der Welt sind, immer den ganzen Sommer im Norden verbringen. Seit dem Moment, als wir mit dem Segeln angefangen haben, sind wir also auch Mitglied im KYC geworden, um im Sommer mit der coolen KYC-Gruppe zu trainieren“, so Korbinian, dessen Mutter Marie-Charlotte Grawe Opti-Obfrau in Bayern ist. Vier bis fünf Jahre wird der Zehnjährige noch im Opti segeln, bevor er in die nächsten Bootsklassen umsteigt – und dabei sicherlich noch einige Male vor Kiel antreten.
Bereits am 15. August findet parallel zur GIDJM die Vermessung der Finns (EM) und Tempest (WM) statt, die beim Olympia-Revival starten. Die ersten Wettfahrten beginnen am Mittwoch, 17. August. Einen Tag später steigen die Drachen ein, ab Freitag die Flying Dutchman und die Stare.
Insgesamt sind 372 Aktive mit 167 Booten aus 13 Nationen gemeldet. Zum Vergleich: Bei den Olympischen Spielen 1972 waren 318 Segler mit 153 Booten aus 42 Nationen am Start.
Ein Wiedersehen gibt es wie angekündigt mit dem Bronzemedaillengewinner von 1972 im FD, Ulli Libor. Der heute 82-Jährige tritt mit seinem Vorschoter von 1976, Ernst Greten (Steinhude), bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft an. Vier Jahre nach Olympia-Bronze in Kiel 1972 unterlagen Ullrich Libor/Ernst Greten in der deutschen Olympia-Ausscheidung den späteren Goldmedaillengewinnern von Montreal (Kanada), den Brüdern Jörg und Eckart Diesch.
Ein Wiedersehen gibt es auch mit Heinz Laprell – jedoch nicht auf, sondern am Rande der Regattabahn. „Natürlich sehe ich mir die Regatten meines Enkels Korbinian und auch die der ehemaligen olympischen Klassen an“, so Laprell, der seinen Lebensmittelpunkt zum zweiten Mal nach Kiel verlegt hat.
Der heute 74-jährige Arzt im Ruhestand ging für die Bundesrepublik Deutschland in der Tempest an den Start – in dem Boot, das nur 1972 in Kiel und 1976 in Montreal (Kanada) olympisch war und danach wieder dem Star weichen musste. Die seglerische Karriere des gebürtigen Bayern war bestimmt von Talent, enormem Trainingseinsatz und allerhand Zufällen. Einen sportlichen Höhepunkt erlebte er 1972 bei den olympischen Segelwettkämpfen vor Kiel. Doch Rang elf entsprach nicht seinen Erwartungen. Die vorherrschende Flaute, die neue Polyester-Tempest und die kurze Zeit, um sich mit dem neuen Boot vorzubereiten, sind Erklärungen für die Platzierung, doch bis heute kein Trost.
Natürlich ist bei den Erinnerungen an die Spiele von München und Kiel auch das Attentat an der israelischen Mannschaft vom 5. September bis heute präsent. „Wir haben es erst am Abend nach den Wettfahrten im Hafen erfahren. Es herrschte Schockstarre. Die Stimmung der Aktiven war auf dem Nullpunkt. Es herrschte eine rege Diskussion, ob man überhaupt weiter segeln könne. Zu den Offiziellen hatten wir wenig Kontakt“, erinnert sich Heinz Laprell. Schließlich fiel die Entscheidung: „The games must go on“.
Den gebürtigen Bayern vom Tegernsee zog es seinerzeit beruflich nach Kiel, wo er bis zur Rente Chefarzt in der Lubinus-Klinik war. Der Versuch, danach wieder in Bayern heimisch zu werden, misslang. „Ich liebe Kiel und bin hier zuhause“, so Laprell, der dem Segelsport bis heute eng verbunden geblieben ist – als Fahrtensegler mit einer Carter 33 mit Heimathafen Kiel-Schilksee und mit direktem Blick auf die GIDJM und das Revival der Olympischen Segelwettkämpfe von 1972. Und natürlich mit einem besonderen Blick auf Enkel Korbinian.
Starke internationale Felder sind auch bei der Tempest-WM mit den Titelverteidigern Markus Wieser/Thomas Auracher sowie den Zweit- und Drittplatzierten, bei den Staren (mehrere ehemalige Olympia-Teilnehmer) und Drachen (erfolgreiche Offshore-Segler) zu erwarten.
„Neben dem sportlichen Höhepunkt auf dem Wasser gibt ein buntes Rahmenprogramm für ein schönes Segelfest. So wird in den Räumen des DSV eine Ausstellung zu den Spielen von 1972 zu sehen sein“, freut sich Organisationsleiter Dirk Ramhorst auf das zweite seglerische Großereignis in Kiel innerhalb von zwei Monaten.
Bereits am 15. August findet parallel zur GIDJM die Vermessung der Finns (EM) und Tempest (WM) statt, die beim Olympia-Revival starten. Die ersten Wettfahrten beginnen am Mittwoch, 17. August. Einen Tag später steigen die Drachen ein, ab Freitag die Flying Dutchman und die Stare.
Insgesamt sind 372 Aktive mit 167 Booten aus 13 Nationen gemeldet. Zum Vergleich: Bei den Olympischen Spielen 1972 waren 318 Segler mit 153 Booten aus 42 Nationen am Start.
Ein Wiedersehen gibt es wie angekündigt mit dem Bronzemedaillengewinner von 1972 im FD, Ulli Libor. Der heute 82-Jährige tritt mit seinem Vorschoter von 1976, Ernst Greten (Steinhude), bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft an. Vier Jahre nach Olympia-Bronze in Kiel 1972 unterlagen Ullrich Libor/Ernst Greten in der deutschen Olympia-Ausscheidung den späteren Goldmedaillengewinnern von Montreal (Kanada), den Brüdern Jörg und Eckart Diesch.
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