Helga Cup: 250 Seglerinnen auf der Alster – Können Frauen wirklich segeln?

„Männer sind einfach hysterischer“

So viel wurde auf dem Steg des NRV noch nie gejubelt. Wie sich die Frauen beim Helga Cup feierten. Interviews mit den Sieger-Teams. Wird die Regatta zu einer „Bewegung“?

Susann Beucke hat seglerisch mit ihren 26 Jahren schon eine Menge erlebt. Zwei Olympiakampagnen im 470er und 49erFX, viele Höhen und Tiefen, große Gefühle, aber auf diesen Helga Cup Gänsehaut-Moment war sie nicht vorbereitet.

Wie hätte sie es auch sein können. Ein solcher Zieleinlauf ist noch keinem Segler in Deutschland vergönnt gewesen. Klatschende, klappernde, pfeifende Fans auf dem Steg des Norddeutschen Regatta-Vereins vermitteln eine Stadion-Atmosphäre, die es so bei einer Segelregatta noch nicht gegeben hat.

Helga Cup
Diestrahlenden Siegerinnen Goliaß, Beucke, Böhm, Weger (v.l.) © Sven Jürgensen

Es ist Helga Cup. 250 Frauen feiern sich, ihr Event, ihre neue Bühne. Und sie lassen sich feiern. Von den Männern, Medien, Sponsoren und allen, die Angst haben, diesen Zug zu verpassen. Schon ist es nicht mehr nur eine Regatta, sondern eine Bewegung. Die Organisatoren möchten, dass es weiter geht und hoffen auf den „Helga Cup als langfristige Institution in der Frauen-Segelszene“.

Die Senatorin und der Staatsrat

Auch die Politiker finden es gut. Mit der zweiten Bürgermeisterin Senatorin Fegebank und Staatsrat Holstein inhalieren gleich zwei Hamburger Rathaus-Vertreter die Helga-Stimmung. Und Holstein, zuständig für den Bereich Sport in der Behörde für Inneres in Hamburg sagt immerhin: „Ich hoffe, dass wir uns nächstes Jahr an dieser Stelle wiedersehen.“ Ob das schon eine neue Einladung ist?

Es drängt sich der Eindruck auf, dass sie nicht so richtig informierte sind, wie diese Veranstaltung einzuordnen ist. Frau Fegebank denkt, es ist „die erste Frauenregatta weltweit“ (Rede im Video) und nimmt den Helga Cup gerne unter ihre Fittiche. Die Grünen-Politikerin ist schließlich für die Gleichstellung zuständig. Sicher ein wichtiger Aspekt, und in Zeiten von #MeToo aktueller als je zuvor. Aber diese Instrumentalisierung geht vielen Seglerinnen auf die Nerven.

Helga Cup
Die zweitplazierte Fantastic Four Crew setzt sich aus drei Opti-Freundinnen zusammen um Erstliga-Steuerfrau Johanna Meier sowie die Juliane Zepp (32), die für Schwerin Liga segelte. © Sven Jürgensen

Die Einbettung des Frauensport-Mottos in das Sportumfeld  erinnert schon fast an das Inklusionsthema. Als hätten die Frauen das nötig. Schon wird im NDR-Beitrag gefragt: „Segeln Frauen anders?“ Andere Medien stellen die Frage: „Können Frauen überhaupt segeln?“

Der Leistungssport kennt keine Unterschiede

Susann Beucke weiß es besser. Sie ist schon seit zehn Jahren auf olympischen Kursen unterwegs und behauptet sich permanent gegen hochkarätige Konkurrenz. Im Leistungssport ist der Unterschied zwischen Mann und Frau kaum existent. Nur wenn in Bootsklassen Kraft oder hohes Gewicht eine Rolle spielt, sind Männer besser.

Inzwischen segeln Frauen beim Volvo Ocean Race gleichberechtigt und selbst als Skipperinnen um die Welt, konkurrieren auch auf der Steuerposition im olympischen Mixed Nacra Foiler auf Augenhöhe mit den Männern und schicken selbstbewusste Teams zur Sailing Champions League. Den wirklichen Unterschied zwischen Frauen und Männern beim Segeln erklärt die Dänin Josephine Boel beim Liga-Segeln in Porto Cervo:

„Männer sind einfach hysterischer. Sie schreien mehr, sie fühlen sich immer ungerecht behandelt, immer haben die anderen Schuld.“ Die Däninnen qualifizierten sich auf Rang acht im Männerfeld für das Championsleague Finale.

Frauensegeln funktioniert längst

Auf der Leistungsebene funktioniert das Frauensegeln längst. Bei den Optis, 420ern oder 29ern lernen viele Mädchen mit den Jungs, auf Augenhöhe zu segeln und schaffen es immer öfter. Das haben nur noch nicht viele mitbekommen. Es ist eher die ältere Generation Frauen, der das Steuer von ihren Männern aus der Hand genommen wird, oder die sich nicht zutraut, es zu ergreifen. In diesem Sinne kann der Helga Cup vielleicht durchaus Impulse liefern.

Helga Cup
Die Alsterdeerns haben sich getraut und die Prüfung mit Bravour bestanden. © Sven Jürgensen

Schließlich ist der Erfolg des Helga Cups ist weniger aus sportlicher Sicht zu betrachten. Vielmehr er definiert sich durch die Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes. An der Spitze wird durchaus hochklassiger Sport abgeliefert. Und die Topp-Teams müssen sich auch im Segel-Liga-Umfeld nicht verstecken.

Das tun sie auch gar nicht. Unter den sieben Finalisten-Crews finden sich jede Menge Seglerinnen, die schon in der Liga gegen die Männer starke Leistungen gezeigt haben. Die Siegerinnen vom DSV-Kader-Team sind zwar eine Ausnahme, aber nur weil sie eben noch eine Ebene höher segeln auf olympischem Niveau. Sie gehören nominell zu den zurzeit besten deutschen Seglerinnen überhaupt.

Die nominell besten Seglerinnen gewinnen

Steuerfrau Nadine Böhm (25) hat mit Ann-Christin Goliaß (27) gerade erst EM-Bronze im 470er gewonnen, Laser-Europameisterin Svenja Weger (24) punktet immer konstanter in der Weltspitze und Susann Beucke (26) erreichte schon zwei Top-Ten WM-Platzierungen im 49erFX. Sie brillieren auch ohne Trainingszeit mit den ungewohnten Kielbooten.

Helga Cup
Das Siegerpodest mit dem DSV-Kader oben auf dem Podest, den HSC Frauen (l.) als Dritte und den „Fantistic Four auf Rang zwei. © Sven Jürgensen

Klasse, wie sie im Finale den perfekten Start abliefern, die entscheidende Linksdrehung vor der Luvtonne zum Vorteil nutzen, die Manöver mit dem sehr fordernden, großen Gennaker der Seascape24 meisterten und schließlich souverän im Deckungsmodus den Spitzenplatz sicherten.

Aber das eigentliche Phänomen ist die ungewöhnliche Struktur des Teilnehmer-Feldes. Spitzensegler mischen sich mit Anfängern, 16 Jahre alte Jungspunde mit 70-jährigen Damen. Etwas Vergleichbares gibt es nicht in der Segelwelt. Man konnte vielleicht befürchten, dass die weiter hinten liegenden Crews von dem Rummel um die Veranstaltung abgeschreckt sein würden.

Mehr Tanzen, weniger Bruch

Aber gerade sie sorgen für die einzigartige Stimmung bei dieser Regatta. Sie verausgaben sich nicht nur emotional beim Segeln, sondern auch bei der langen Feier bis vier Uhr in der Nacht. So sehr sind die heiligen Hallen des NRV noch nicht erbebt. Der Unterschied zu Männer-Veranstaltungen? „Es wurde viel mehr getanzt, und es ging nichts zu Bruch“, sagt eine Seglerin.

Helga Cup
Das Journalistinnen-Team um Skipperin Christine Bauer.© Sven Jürgensen

Auch kleine Hakler beim Management der Veranstaltung konnte die Euphorie nicht trüben. Die Jury machte Überstunden mit der Verarbeitung von Widergutmachungsanträgen. Besonders die Tatsache, dass eine J/70 aus dem NRV-Pool mit starkem Bewuchs auf die Bahn gelassen wurde, sorgte für Erstaunen. Das Boot segelte signifikant oft hinten, und die Ergebnisse wurden schließlich aus der Wertung genommen. Das salomonische Jury-Urteil: Den betroffenen Seglern wurde eine mittlere Punktzahl gewährt. Aber solche Episoden hören zu einer solchen Mammut-Veranstaltung, die viele im Vorfeld nicht für möglich gehalten hatten. Die Nord-Vereine sorgten mit vereinten Kräften für das Gelingen.

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Das Team der NRV-Geschäftsstelle Anika Pohlenz, Claudia Langenhan und Melanie Schum mit der ex Europe-Kader-Seglerin Nicola Parlow (geb. Schwarz) freut sich über Plat 21. © Sven Jürgensen

Einige Seglerinnen mögen sich auch überfordert gefühlt haben insbesondere mit den größeren Seascape-Yachten, die weniger für Flauten-Treiberei auf der Alster als für den Glitsch auf offener See gedacht sind. Aber durch die Größe des Teilnehmer-Feldes verschwimmen die Platzierungen hinter den Top Ten. 20. 40. 60? Egal. Die skurrilen Team Namen sorgen ohnehin für eine gewisse Ergebnis-Anonymität und das schadet nicht.

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Die Tutima Crew um Skipperin Kirsten Harmstorf-Schönwitz. © Sven Jürgensen

Niemand kann sich so richtig einschätzen, wo er im Vergleich zur Konkurrenz steht. Es geht eher darum, die Manöver zu bewältigen, und das gelingt den meisten immer besser. So halten sich Enttäuschungen in Grenzen, und der Stolz, diese Boote als Team zu beherrschen überwiegt. Anders als vielleicht beim Männer-dominierten Segeln oder dem frühen Euphorie-Stadium der Regatta geschuldet gibt es keine Hackordnung, derentsprechend sich die Gesprächspartner ausgesucht werden. Jeder klönt, quatscht, schnackt mit jedem. Was fürht euch hier her? Und alle haben spannende Geschichten zu erzählen.

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Das Team um 505er Europameisterin Meike Schomäker © Sven Jürgensen

So wirkt es nicht aufgesetzt, wenn sich Susann Beucke auf dem Siegerpodium bei allen Frauen bedankt, die dabei waren. „Die, die zum ersten Mal Regatta gesegelt sind, die sich getraut haben an den Start zu gehen. Ich hoffe, wir haben der eher männlich besetzten Segelwelt gezeigt, dass Frauen zum Segelsport gehören wie Arsch auf Eimer.“

„Alles Frauen, oder wie?“ – „Oh ist der schräg“ Wie Passanten das Helga-Cup-Finale verfolgen:

Wiedergutmachung: Boot nicht geputzt

Top 15 von 62 Teams. Sieben Crews qualifizierten sich für Finale mit einem Rennen.

Ergebnisse Helga Cup

Wer sich hinter den Team-Namen verbirgt

2 Antworten zu „Helga Cup: 250 Seglerinnen auf der Alster – Können Frauen wirklich segeln?“

  1. oh nass is

    sagt:

    “Männer sind einfach hysterischer. Sie schreien mehr, sie fühlen sich immer ungerecht behandelt, immer haben die anderen Schuld.” Ja, das ist absolut korrekt. Ist auch meine Beobachtung aus einigen Jahren Regattasegelei. Allerdings habe ich auch nie Frauencrews explizit beobachtet. Mag sein, dass die es anders managen. Ich habe das jedenfalls wegen der erwähnten Schreierei irgendwann aufgegeben. Das ging mir auf die Nerven.

  2. Sehr gut recherchierter, fröhlicher Artikel. Wer dabei war, do wie wir, können alles zu 100% bestätigen. Chapeau!

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