Highnoon vor der Nordermole

Drama-Finale in der Sailing Champions League

Die 133. Travemünder Woche feierte mit dem Finale der Sailing Champions League am vierten Regattatag einen Höhepunkt, wie er besser nicht hätte inszeniert werden können. Die vier Finalisten lieferten sich ein Rennen auf Augenhöhe bis zum letzten Zieldurchgang: Mit einer Bootslänge Vorsprung zog schließlich der NRV Hamburg durchs Ziel, die Vierer-Crew hüpfte auf dem Boot und feierte den ersten Titelgewinn in der Königsklasse für den deutschen Rekordmeister im Liga-Segeln. Eine klare Sache war dagegen der Gewinn des deutschen Meistertitels im Finn für den Berliner Fabian Lemmel. Dazu setzten die Katamaran-Klassen ihre internationalen Meisterschaften fort – sowie die Folkeboote ihre deutsche Bestenermittlung.

Die Finns beendeten mit einem anspruchsvollen Abschlusstag ihre Deutsche Meisterschaft. Foto: segel-bilder.de

Besser geht es wohl nicht: Die Sailing Champions League schaffte in der Vorrunde satte 68 Rennen, um vier Teams aus vier Nationen für das Final Four zu ermitteln. Und dort lieferten die Mannschaften von den Aland-Inseln (Finnland), aus Roskilde (Dänemark) und dem Bodensee (Schweiz) dem Vorrunden-Sieger aus Hamburg einen harten Kampf. Erst im letzten aller möglichen Rennen rettete sich der NRV mit David Chapman, Luisa Krüger, Florian Thoelen und Leon Passlack schließlich als Sieger ins Ziel und schrie bei einem Freudentanz an Bord seine Erlösung und Freude heraus. Nachdem der Hamburger Club in den vergangenen Jahren den Triumph ein paar Mal knapp verpasst hatte, war die Freude nun umso größer. „Es ist unglaublich emotional. Heute wird groß gefeiert“, so Florian Thoelen. Der Hamburger Sieg war auch von Land aus gut zu beobachten. Denn die Regattabahn hatte die Wettfahrtleitung dicht unter Land gelegt und viele Zuschauer fanden sich auf der Nordermole ein.

Erstmals gelang dem deutschen Rekordmeister im Liga-Segeln, dem NRV Hamburg, der Sieg in der Königsklasse, der Sailing Champions League. Foto: segel-bilder.de

Erlösung pur gab es auch nach der deutschen Titelentscheidung bei den Finn Dinghys. „Endlich hat es geklappt. Da habe ich lange genug drauf hingearbeitet!“ Fabian Lemmel freute sich über den gelungenen Meisterschaftscoup bei den Finn-Dinghys. In der Vergangenheit hat es der 52-Jährige immer mal wieder auf das Podium geschafft, aber der Titelgewinn blieb ihm bisher verwehrt. Diesmal aber war ihm die Konkurrenz nicht gewachsen.

Der Berliner Fabian Lemmel war der Mann der Finn-Meisterschaft. Souverän gewann er den Titel. Foto: segel-bilder.de

„Ich hatte ein gutes Setup, habe zur Deutschen Meisterschaft noch mal ein neues Segel bekommen. Damit hatte ich den perfekten Trimm. Körperlich habe ich das Jahr über viel getan – mit Rudern, Radfahren und Segeln“, so der Berliner. Diese Intensivvorbereitung mündete in eine Meisterschaftsperformance, der kein Konkurrent gewachsen war – bei allen Windbedingungen. Auch Titelverteidiger Thomas Schmid konnte nach einer Frühstart-Disqualifikation in der zweiten Wettfahrt nicht mehr angreifen: „Ich musste nach dem Frühstart konservativ segeln. Das entspricht nicht meinem Naturell. Aber man muss auch sagen, Fabian war einfach besser.“ Immerhin schaffte der Weltmeister von 1988 mit zwei starken Tagen zum Abschluss noch den Sprung auf Platz zwei und verdrängte damit den Dänen Otto Strandvig auf den Bronze-Platz. Ein dickes Lob gab es von Thomas Schmid für das Revier: „Wirklich sehr empfehlenswert. Wir hatten alles, was das Herz beglückt.“

Bei den weiteren Meisterschaftsentscheidungen steuern zwei Hobie-Klassen auf den finalen Tag ihrer Europameisterschaften am Mittwoch zu – mit der Chance auf zwei komplette Nationen-Podeste: ein deutsches bei den Hobie 14 und ein italienisches bei den Hobie Dragoon.

Auf dem Ein-Personen-Katamaran Hobie 14 zeigt die Bosauerin Tanja Rindt der vorrangig männlichen Konkurrenz nach neun von zwölf Wettfahrten das Heck. „Es macht Spaß und ist ein tolles Revier. Heute war mir fast zu viel Wind, da ich eher zu den leichteren Seglern gehöre. Aber es hat trotzdem ganz gut geklappt.“ Für die 50-Jährige ist allein der Start zur EM ein Sieg. Vor zwei Jahren hatte sie sich bei einem Fahrradunfall einen Komplett-Muskelabriss des Oberschenkels zugezogen und in den vergangenen eineinhalb Jahren erst einmal wieder richtig laufen lernen müssen. „Hobie bin ich erst in diesem Jahr wieder bei zwei Regatten gesegelt“, so Tanja Rindt. Das Gefühl für den kleinen Kat ist aber wieder voll da. Vor dem Abschlusstag hat die Führende beste Chance auf die Goldmedaille vor Friedhelm Weller (Dümmer) und André Hauschke (Zülpich).

Das kleine Feld von nur neun Nachwuchs-Katamaranen Hobie Dragoon ist eine Zwei-Nationen-Gesellschaft von Italienern und Belgiern. Klar Führende sind hier Leonardo Vascellari/Gaia Bernedetta Frau (Italien).

Thomas Proust/Clement Martineau zeigen mit einer starken Serie, wie sicher sie den F16-Kat im Griff haben. Foto: segel-bilder.de

WM-Halbzeit feiern die Formula 16. Und das Bild an der Spitze entspricht den Erwartungen. Die Franzosen dominieren das Geschehen, waren diejenigen, die auch bei den stärkeren Winden am Dienstag problemlos über den Kurs kamen. „Es war sehr anspruchsvoll heute. Für uns war es zu viel. Wir wollten keinen Bruch riskieren“, berichtete Thomas König, Presseverantwortlicher der deutschen Klassenvereinigung. „Aber die Franzosen an der Spitze verstehen ihr Handwerk. Am aktuellen Klassement wird sich nach meiner Einschätzung nicht mehr viel ändern.“ Das bedeutet: Die Franzosen Thomas Proust/Clement Martineau, Emmanuel le Chapelier/Eric le Boudedec sowie Michel Kermarec/Fanny Merelle können den Champagner schon mal kaltstellen.

Zwei Tage haben auch noch die Folkeboote vor sich, bevor die besten Deutschen feststehen. Der Kampf um den nationalen Titel ist allerdings heftig umstritten. Zwischenzeitlich haben sich die Berliner um Andreas Blank an die Spitze des Klassements gesetzt.

 

NRV Hamburg siegt im Herzschlagfinale

Jubel bei David Chapman, Fabian Thoelen, Leon Passlack und Luisa Krüger: In einem Herzschlagfinale sicherte sich der NRV den Champions League Titel. Foto: segel-bilder.de

Spannender hätte das Finale der Sailing Champions League im Rahmen der Travemünder Woche wohl kaum enden können. Nach der souveräner Vorstellung und dem klaren Sieg in der Vorrunde zog der NRV Hamburg mit einem Punkt ins Finale der Top-Vier ein. Ein weiterer Punkt hätte im Final Four zum Sieg gereicht. Doch die Hamburger um Steuermann David Chapman machten es spannend. Durch einen Frühstart im ersten Rennen verpasste das Team die Chance auf einen schnellen Gesamtsieg. Stattdessen ersegelten alle drei Konkurrenten ebenfalls einen Punkt in den weiteren Rennen. Erst im letzten der vier möglichen Finalrennen fiel die Entscheidung – doch noch zugunsten des NRV-Teams.

Hätte das Team aus Litauen nicht abgesagt, wäre der NRV gar nicht beim Finale der Sailing Champions League (SCL) gestartet, da sich das Team nicht vorab qualifiziert hatte. Mit einer Wild Card ausgestattet nutzten die Hamburger die Chance und setzten sich schon an Tag zwei an die Spitze des Feldes. Danach schien alles auf einen klaren Sieg der Hamburger hinauszulaufen. Doch die Champions League hat ihre eigenen Gesetze, das Final Four eine besondere Dramatik, und plötzlich war alles auf Null gesetzt.

Schreckmoment im alles entscheidenden Rennen: Mit einem Sonnenschuss setzte der NRV die Führung aufs Spiel, rettete sich aber noch ins Gate und schließlich als Sieger ins Ziel. Foto: segel-bilder.de

„Wir dachten, das wird eine entspannte Nummer im Finale, da wir die Vorrunde ja so gut waren“, erzählte Florian Thoelen vom NRV-Team. Nach einem Frühstart des Teams im ersten Finalrennen und einem Sieg der Finnen waren die Karten jedoch neu gemischt. Auch im zweiten Rennen kam es zu keiner Entscheidung. Der Punkt ging an Dänemark. Somit hatten im dritten Rennen des Finals gleich drei Mannschaften die Chance auf den Sieg: der NRV, Finnland und Dänemark. Doch die Spannung war noch nicht hoch genug gedreht. Auch die Schweizer setzten ihren Sieg und machten damit das Final Four im vieten Rennen zum Showdown für alle Teams.

Als der Startschuss zum vierten Rennen fiel, war alles offen. Der NRV Hamburg, der Schweizer Regattaclub Bodensee, der Roskilde Sejlklub aus Dänemark und der finnische Verein Ålandska Segelsällskapet hatten jeweils ihre Chance zum Match-Punkt. Und es hätte nicht spannender sein können. Der NRV wählte nach dem Start die rechte Seite des Kurses, kam an der Luvmarke in der Top-Position an und schien auf dem Vorm-Wind-Kurs zu enteilen. Doch erst spät setzte Steuermann Chapman die Halse, steuerte im spitzen Winkel auf das Gate zu, bekam Druck und lief aus dem Ruder. Mit viel Mühe und flatterndem Gennaker schafften es die Hamburger noch um die Tonne. Doch an der zweiten Luvmarke waren sie gemeinsam mit den Dänen nur noch Verfolger. Die führenden Finnen standen jedoch vor dem Problem, wen sie absichern sollten. Sie entschieden sich für die Dänen, entließen die Hamburger auf die andere Kursseite – und wurden bestraft. Mit tiefem Gennaker-Kurs steuerte Chapman auf das Ziel zu, setzte sich direkt vor die Finnen und feierte mit dem Sieg den ersten Triumph für den NRV in der Champions League. Dahinter feierten sich Finnland, Dänemark und die Schweiz ein.

„Auf dem Downwind-Kurs haben sich die Dänen und Finnen gegenseitig abgedeckt, sodass wir auf der anderen Seite durchziehen konnten“, erklärte NRV-Steuermann Chapman, „das war Glück, aber verdientes Glück.“ Für den gebürtigen Australier ist es der zweite Finalsieg in der Champions League, aber der erste mit dem NRV-Team. „Dieser Sieg ist noch spezieller als der erste mit Sydney. Das war hochspannend. Wir sind mit einem Mixed-Team an den Start gegangen, mussten aber nach zwei Tagen Olympia-Seglerin Anastasiya Winkel durch Leon Passlack ersetzen, weil Anastasiya als Sportsoldatin zum Dienst abberufen wurde“, sagte er und freute sich darauf, am Abend den Sieg mit seinem Team zu feiern.

Sein Team vom NRV war froh, Chapman beim Champions-League-Finale an der Pinne gehabt zu haben. „Wir waren schon mal sehr dicht dran am Sieg in St. Moritz, sind dann aber Zweiter geworden, weil David Chapman für Australien gesegelt ist und uns das Ganze weggenommen hat. Diesmal hatten wir das Glück, dass er bei uns im Team war. Und wir haben es vollbracht. Wir hatten uns eigentlich nicht qualifiziert für die Champions League, aber sind dann noch zwei Tage vorher reingerutscht und mit einer Wild Card gestartet. Dadurch haben wir unser Team so zusammengewürfelt. Da bei uns im NRV aber alle auf einem guten Niveau segeln, ist das nicht ins Gewicht gefallen“, sagte Florian Thoelen, zweifacher Meister in der J/70.

„Liga-Erfinder“ Oliver Schwall und Organisator des Champions-League-Finales in Travemünde war mit der Premiere des SCL-Finals in Deutschland zufrieden: „Das war ein großartiges Finale. Mehr Drama geht nicht. Das Format, die Tage in Travemünde – alles war sehr inspirierend, wir haben es genossen. Es war allerbeste Werbung für den Segelsport, auch für das Ligasegeln in anderen Ländern.“ Ab Freitag geht es bei der Travemünder Woche mit der Bundesliga in die nächste Liga-Runde.

 

Ergebnisse

Sämtliche Ergebnisse der Travemünder Woche sind über das Portal Manage2sail zu bekommen. Die Ergebnisse der Champions League sind unter sapsailing.com abrufbar.

Tagesprogramm der 133. Travemünder Woche
Mittwoch, 27. Juli
11:00 Uhr, Bahn Bravo: EM-Quali Hobie 16 Open
11:00 Uhr, Bahn Charlie: WM Formula 16, EM Hobie 14, EM Hobie Dragoon
11:00 Uhr, Bahn Delta: WM Yngling, Deutsche Bestenermittlung Folkeboot
12:00 Uhr, Bahn Foxtrott: Regatta Kielzugvogel
12:00 Uhr, Travepromenade: Volksbank Rotspon Cup von Bürgermeister Jan Lindenau gegen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack
17:00 Uhr, Travepromenade: Trave Races der Formula 16
17.00 Uhr, Stadtwerke Lübeck Bühne an der Nordermole: Lübecker Shantychor Möwenschiet
19:15 Uhr, Stadtwerke Lübeck Bühne an der Nordermole: Rudolf Rock & die Schocker
19:30 Uhr, Bühne an der Sailors Bay auf dem Priwall: Jasmin Antic & Support
20:00 Uhr, Travepromenade: Illumination der Viermastbark Passat
20:30 Uhr, Ballsaal Atlantic Grand Hotel: Cubana Classica

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