IMOCA: Die Sommer-Refits gehen zuende – Herrmanns „Malizia“ topfit für die Weltumseglung

Good bye Summer – vive le Vendée Globe

Boris Herrmann kann sich auf ein perfekt überholtes Boot freuen, auf Sam Goodchilds „for the Planet“ steht endlich wieder ein Mast und an Isabelle Joschkes MACSF wird gerade der Kiel montiert. Die Sommer-Refits sind vorbei – bald fliegen die IMOCA wieder tief!

Good bye Summer – vive Vendée Globe! So oder ähnlich könnte man die derzeitige Stimmung im Hafen La Base in Lorient bezeichnen. Langsam, aber stetig werden immer mehr IMOCA zu Wasser gelassen, die noch vor ein paar Tagen still und geruhsam in ihren Hangars und Hallen schlummerten, während Dutzende Praparateure, Techniker und Designer auf und an ihnen arbeiteten.

Sommer-Refit oder „chantier d’été“, wie sie in Frankreich sagen, liest sich immer so nach Sommerfrische, Wind, Sonne und Badespaß. Klar, mit ein bisschen Arbeit zwischendrin, aber alles eben … sommerlich.

Essenziell wichtige Arbeiten am Boot

Die meisten dieser Arbeiten spielen sich allerdings unter anderen Vorzeichen ab. Zwar ist in den seltensten Fällen das gesamte Shore-Team „auf Maloche“. Denn auch Preparateure und Boat-Captains haben Familie und müssen mit selbiger zwischendurch mal am Strand durchatmen. Aber gerade deswegen ist für die „Arbeitsschicht“ häufig ordentlich Zeitdruck angesagt. Je nach dem, wie umfangreich die Sommer-Arbeiten am Boot sich nach der ersten Inspektion an Land darstellen.

© Team Malizia

Klar, die meisten Teams wissen en détail schon bevor das Boot in die Halle geschoben wird, was in den darauf folgenden Wochen zu tun ist. Doch mitunter eröffnen sich mehr oder weniger große oder böse Überraschungen, die dann im Eiltempo erledigt werden müssen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Über diese Überraschungen wird, wenn sie sich nicht allzu katastrophal auswirken, geflissentlich geschwiegen. Allgemeine Devise nach dem Sommer-Refit vor einer Vendée Globe: Alles im grünen Bereich, Boot ist superfit für die Weltumseglung! Konkurrenten – zieht Euch warm an!

Malizia topfit

So auch bei bei Boris Herrmanns „Malizia/Seaexplorer“, die neben anderen Booten (dazu später mehr) in La Base zu Wasser gelassen wurde.

Wie so häufig, präsentiert sich das Team Malizia dabei als vorbildlich in Sachen Kommunikation und Transparenz. Co-Skipper Will Harris gibt einen Überblick, was an Malizia alles „gemacht“ wurde (Auszüge):

© miku

Elektronik – In den vergangenen Wochen hat unser Team sichergestellt, dass alles einwandfrei funktioniert, insbesondere nach dem Blitzeinschlag, den wir im Mai in New York erlebt haben. Fast alle Kabel wurden ausgetauscht und verstärkt.

Energieversorgung – ein essenzieller Bereich für eine Nonstop-Weltumseglung. Boris hat jetzt Ersatz-Hydrogenatoren, sodass er sie bei Bedarf austauschen kann. Die Sonnenkollektoren wurden gereinigt und verbessert, um mehr Energie zu erzeugen. Die Batterien, die für die Speicherung dieser Energie unerlässlich sind, wurden ebenfalls überprüft.

Kommunikation – wenn man 80 Tage auf See ist, ist es wichtig, mit dem Team an Land, den Freunden und der Familie sowie den Malizia-Fans in Kontakt zu bleiben! Die Möglichkeit, mit der Rennleitung und dem Team an Land zu kommunizieren, ist auch ein Sicherheitsaspekt. Alle Antennen wurden getestet und an strategisch günstigen Stellen positioniert, damit sie leicht zugänglich sind. Boris hat auch ein Backup-System an Bord.

Neuer J2-Vorstag

Takelage – das J2-Vorstag wurde ersetzt, ein Großteil der Schoten und Fallen ausgetauscht. Die nächsten Trainingsschläge vor Lorient werden dazu genutzt, Referenzpunkte an den Schoten und Fallen anzubringen. Wie läuft das Boot bei welchem Windeinfallswinkel und welcher Segelstellung am besten?

© miku

Foils – hierzu gibt sich Will Harris etwas „bedeckt“: Wie ihr vielleicht wisst, haben wir seit diesem Winter neue Foils. Unser Team hat daran gearbeitet, sie für mehr Effizienz und Vielseitigkeit unter allen Bedingungen zu optimieren.

Segel – während einige Segel neu und für die Vendée Globe reserviert sind, wurden alle älteren Segel gründlich inspiziert, um sicherzustellen, dass sie keine Risse aufweisen.

Segelmacher Jesse Naimark-Rowse vom Team Malizia kommentiert: „Im Rahmen unserer Sommerüberholung und nach den beiden Transatlantikregatten im Frühjahr haben wir genau festgelegt, welche Segel wir für die Vendée Globe verwenden werden. Die meisten von ihnen sind neu, auch das Großsegel.

Es ist eine große Aufgabe, ein neues Großsegel anzufertigen und es an das Boot zu montieren. Fast alle Segel sind neu, die, die nicht neu sind, wurden nur sehr wenig benutzt. Bei der Vendée Globe darf man 8 Segel mitführen, darunter das Großsegel und das J4, eine Art Sturmfock. Wir werden in den nächsten Wochen alles testen.“

Das Leben an Bord – in diesem Bereich gab es nur minimale Änderungen, da Boris bereits sehr zufrieden mit der Einrichtung und den Verbesserungen war, die während der Winterüberholung vorgenommen wurden. Der Cockpitsitz hat jetzt ein neues Kissen, das auch bei langen Fahrten für mehr Komfort sorgt. Die Matratze für die Koje wurde ebenfalls erneuert, und es wurden viele neue Ablagefächer eingebaut, damit Boris besser organisiert ist und schnell findet, was er braucht.

Die einen noch in der Halle, die anderen schon beim Training

Zurück zu den „anderen“ IMOCA, die derzeit bereits in La Base am Steg liegen und mittlerweile nahezu täglich für Trainingsschläge auslaufen. Zu Justine Mettraux’s ex-Charal, die heutige Teamworks, hat sich die neue Charal von Jeremie Beyou gesellt, auf der fieberhaft nach der Wasserung weiter gearbeitet wird.

© miku

Auch die knallrote Rennrakete Initiative Coeur von Samantha Davies ziert schon seit 10 Tagen die Stege von La Base – hier haben sich die Arbeiten deutlich beruhigt, alles ist bereit für die ersten Trainingsausfahrten.

An Isabelle Joschkes MACSF wurde gerade der Kiel angehängt, als der Autor dieser Zeilen seine Inspektionsrunde durch den Hafen drehte. Später wurde das Boot seinem Element übergeben – auch hier stehen für die nächsten Tage wichtige Trainingsausfahrten an.

Für große Erleichterung in der Szene sorgte ein an sich ja alltäglicher Anblick, der letztlich eben nicht so selbstverständlich ist. Neu formuliert: Auf Sam Goodchilds IMOCA „for the Planet“ steht wieder ein Mast. Der 34-jährige Brite, der auf dem alten Boot von Thomas Ruyant segelt und. für die Vendée Globe qualifiziert wurde, hat die „Palme“ bekanntlich bei der Rückregatta New York – Les Sables verloren.

Taucher Jean-Philippe holt sich letzte Instruktionen vor seinem Einsatz © miku

Lange Zeit war unklar, ob man in der kurzen Zeit bis zum Start der Weltumseglung überhaupt einen neuen Mast „finden“ wird. Doch bei Lorima in Lorient war ein neuer Karbonmast für Armel Tripon „im Ofen“, den der Vendée Globe Skipper mit Start-Ambiancen für 2028 an Sam Goodchild abtrat. Der eine Skipper hat (noch) Zeit, der andere nicht! 

Letzter Test vor der Vendée Globe: Defi Azimut

Nächstes Highlight für die IMOCA-Skipper wird die alljährliche Regatta „Defi Azimut“ sein, die vom 11. bis 15. September stattfinden wird. Darunter Die Runs – Kurzstreckenrennen gegen die Uhr – die vorwiegend die VIP und Sponsoren der einzelnen Boote erfreuen wird. Etwas ernster kann dann schon das 48h-Rennen genommen werden, bei dem die Skipperinnen und Skipper gemeinsam mit einem Medien-Vertreter an Bord durch die Biskaya kreuzen werden.

Danach kann es in den Köpfen der Seglerinnen und Segler und ihrer Teams nur noch die eine Regatta geben: die Vendée Globe!

Manchmal sehen die IMOCA dann doch richtig klein aus – zumindest zwischen den Ultim-Trimaranen © miku

Michael Kunst

Näheres zu miku findest Du hier

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