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Nach mehr als sieben Monaten und 35.000 Stunden Arbeits- bzw. Bauzeit wurde ein weiterer brandneuer IMOCA zu Wasser gelassen: „Arkea-Paprec“ soll von Sebastien Simon bei der Vendée Globe 2020 um die Welt gejagt werden. Mit guten Chancen aufs Podium.
Natürlich ist es immer ein großer Moment, wenn nagelneue Hochsee-Renner aus der Werft geschoben und in ihrer Gänze erstmals den Fans vorgeführt werden. Die Hallentore öffnen sich theatralisch langsam, der Bug des Bootes schiebt sich dramatisch in Richtung Tageslicht, mit jedem Meter wird mehr und mehr vom Neuen, Schöneren, Besseren und (hoffentlich) Schnelleren sichtbar, das im Inneren der Werft über eine gefühlt ewig lange Zeit zusammengesetzt wurde.
Da ist es durchaus verständlich, wenn manche Teams daraus ein mords Event machen, „Gott und die Welt“ einladen, die Presse vor Ort betüteln und überhaupt alle an ihrer Freude teilhaben lassen.
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Wohlgemerkt: mache Teams. Andere machen das eher auf die Understatement-Tour. Sie kündigen zwar auch das bevorstehende „Vorhang-auf-Event“ medial an, nehmen sich dabei aber nicht ganz so ernst (siehe Video mit Riou und Simon). Zum Event als solchem kann dann kommen wer will, Lust und gerade Zeit hat. Einladungskarten? Unnötig. Champagne? Im Papp(rec)becher…
Nicht nur Foiler
Dabei war es wirklich ein besonderer Genuss, was diesmal in Port la Foret dem interessierten Publikum vorgeführt wurde: ein IMOCA, der (zunächst) ausschließlich für den Einsatz bei der Einhand-Nonstop-Weltumseglungsregatta Vendée Globe 2020 konzipiert und gebaut wurde.
Was danach kommt – Stichwort: Ocean Race – steht erstmal nicht zur Diskussion.
Und da steht sie nun vor der Werft: „Arkea Paprec“, der neue Renner für Sebastien Simon, erdacht und konzipiert von Vincent Riou, gezeichnet vom Franko-Argentinier Juan Kouyoumdjian. Ohne Enthüllungsdramatik oder sonstigem Pipapo blinzelt die Rennyacht etwas verlegen im bretonischen Sonnenlicht.
Eine wahre Schönheit, die es nicht nötig hat, ihre Formen mit spektakulärer Farbgebung hervorzuheben: Vorne auffallend rund und voluminös, mit einem viel zu flach anmutenden Rumpf, wie ihn sich eigentlich Langstreckenboote kaum leisten können. Es sei denn, sie wollen möglichst viel Zeit über der Wasseroberfläche verbringen.
Und tatsächlich scheint alles bei diesem Boot aufs Foiling ausgerichtet zu sein – ein Anblick, wie man ihn zumindest in Port la Foret oder in Lorient schon seit einiger Zeit gewohnt ist.
„Ein Foiler? Ja, schon. Aber nicht nur!“ protestiert Designer Juan Kouyoumdjian. In diese Falle habe er sich eben nicht locken lassen. „Das Boot soll in möglichst allen Einsatzbereichen schnell und sicher unterwegs sein. Wer sich heutzutage voll und ganz auf Foils konzentriere, ergänzt der Argentinier, habe einige Erfahrungswerte aus den Jahren seit der letzten Vendée Globe verpasst. Nach dem Motto „was dich schnell macht bei 20 Knoten Wind kann dich bei 6 Knoten ziemlich abbremsen“ war Juan Kouyoumdjian im gewissen Sinne beim gesamten Bootsbau auf Harmonie aus.
Harmonie im Sinne von Ausgeglichenheit bei den unterschiedlichen Anforderungen, die bei einer Weltumseglung auf solche Boote unweigerlich zukommen. Und Harmonie zwischen Skipper und Boot, der auf dem „Geschoss“ die längsten Wochen seines Lebens durchhalten muss.
Teamwork
Kouyoumdjian ist normalerweise keiner, der sein Licht unter den Scheffel stellt. Doch im Zusammenhang mit seinem jüngsten Sprössling „Arkea-Paprec“ spricht er nur im Plural, wenn es um technisches Verständnis und seglerische Kompetenz geht.
Womit wir bei Vincent Riou angekommen wären. Der vierfache Teilnehmer bei der Vendée Globe, die er dann auch ein Mal gewinnen konnte, gab bekanntlich im letzten Jahr das buchstäbliche Ruder an Sebastien Simon ab. Und versprach, auch im Sinne seiner Sponsoren, maximale Hilfe beim Bau einer neuen IMOCA.
Was er sozusagen „gnadenlos“ umsetzte. Riou ist bekannt für seine unaufdringliche, meist zurückhaltende Art, die allerdings bei der Arbeit von einer gewissen Akribie und einem Hang zum Perfektionismus gekrönt wird. Kurz: auf einem Boot, an dem Riou mitdenkt, mitbastelt und mitbaut, muss alles stimmen. Alles.
Genau das erfuhr dann auch Juan Kouyoumdjian. „Bei niedrigen Geschwindigkeit ist die Form des Rumpfes ausschlaggebend,“ erklärt er. „Bei hohem Speed sind es die Foils. Also müssen Kompromisse gemacht werden, um erneut Harmonie ins Boot zu bringen.“ Dafür spielten Erfahrungswerte von Riou eine elementare Rolle, erklärte der Designer weiter. Und es müssen Unmengen Statistiken und somit Zahlen richtig angepackt, vor allem aber richtig bewertet und analysiert werden. Doch genau das könne Riou, so Juan Kouyoumdjian weiter. „mit Zahlen umgehen, Kompromisse suchen und diese praktisch umsetzen!“
Das Gewicht ist und bleibt ein Faktor
So entstand mit der „Arkea Paprec“ ein Boot, das sich nicht nur optisch von vielen anderen IMOCA unterscheidet. Sondern auch per se eine Menge Potential hat, um eben nicht „nur“ mit Foils die entscheidenden Meter vor der Konkurrenz heraus zu arbeiten. Zwar wurden nur wenige Details bekannt gegeben, Es gilt jedoch als Tatsache, dass Riou und Kouyoumdjian auch den Faktor Gewichtsverteilung im Rahmen der Klassenregeln neu ausgelegt haben. „Doch vielleicht ist der wichtigste Aspekt an diesem neuen Boot der Umstand, dass es zunächst einmal ausschließlich auf Einhandbetrieb ausgerichtet ist. Und auch dafür habe Riou als einer der erfahrensten Hochsee-Einhandsegler Frankreichs eine Menge Input eingebracht.
Da ist es nachvollziehbar, dass der junge Skipper Sebastien Simon schon während der Bauphase an seinem IMOCA von einem unglaublichen Glücksfall sprach, als er die Zusammenarbeit zwischen Kouyoumdjian und Riou beschrieb. Er habe schon bei den Diskussionen im Trio mehr über sein Boot erfahren, als manch anderer Skipper nach einer Weltumseglung über seinen Untersatz weiß.
Jetzt könne er es kaum abwarten, bis die Foils gesetzt sind (kommende Woche), der Mast steht und die ersten Probeschläge gemacht werden. Und Riou freut sich auf auf die ersten Messwerte und Daten, die nach dem Segeln ausgewertet werden müssen.
Im Herbst wollen Riou und Simon die Transat Jacques Vabre gemeinsam auf dem neuen Renner segeln. Erster großer Test für die Vendée Globe im nächsten Jahr. Riou gibt dann als Segler praktisches Know-how an Simon weiter und wertet als technischer Direktor Daten und Zahlen aus. Mal ehrlich – geht’s noch harmonischer?
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