INEOS Britannia Kenterung: Hat Ben Ainslie zum Unglück beigetragen?

Zu lange festgeklammert?

Es gibt Hinweise darauf, dass die fatale Durchkenterung des INEOS Britannia America’s Cup Testbootes auch eine Folge des Verhaltens von Skipper Ben Ainslie war. Hat er sich zu lange am Traveller festgehalten.

Der Brite Tom Morris hat sich in seinem Youtube-Kanal Mozzy Sails  schon beim vergangenen America’s Cup als sachkundiger Detail-Erklärer hervorgetan. Der nationale Meister in der RS800 Klasse 2022 und Gewinner der britischen Meisterschaft der Meister  sorgt nun mit einer ausführlichen Analyse der INEOS Britannia Kenterung für Aufsehen.

Dabei wertet er die Videos aus, die für den 37. America’s Cup erstmals von offiziellen Beobachtern erstellt werden und den Cup-Teams zur Verfügung gestellt werden. Das Ziel der Regel: Die Kosten für individuelle Spionage bei den Syndikaten sollen wegfallen. Morris nutzt die Gelegenheit, um seine Fachkenntnis zu zeigen und neue Entwicklungen in der Cup-Szene zu erklären.

So nimmt er sich auch den Vorfall der Briten vor, der insbesondere wegen der Durchkenterung zum Drama geworden ist. Das Schiff erlitt deutliche Schäden nach einem Brand der Batterien durch den Kontakt mit Seewasser.

Ainslie bastelt im Wasser am blockierten Traveller.

Ursache für die Situation ist ein Versagen der Kontrollsysteme, nachdem das Schiff von den Foils gefallen und massiv auf das Wasser geklatscht war. Es kam dadurch zu einem schweren Wassereinbruch, der offenbar die Systeme außer Funktion gesetzt hat.

Die Segel konnten nicht gefiert und auch der Backbord-Foilarm nicht mehr nach unten geschwenkt werden. Das Schiff kippt langsam um. In den Videos ist zu sehen, wie Ainslie schwimmend versucht, im Traveller-Bereich die Großschot durchzuschneiden, um für das Aufrichten den Druck aus den Segeln zu nehmen.

Ben Ainslie hängt am Traveller, als sich das Boot wieder aufrichtet.

Ihm gelingt es auch, etwas Spannung aus der Schot zu bekommen, damit das Boot in aufrechter Position mit dem Segel im Wind steht. Aber als der Foiler namens “T6” in den Wind geschleppt wird, klammert sich der Steuermann am Traveller-Rutscher fest und – so die Beobachtung von Morris – verhindert dadurch zusätzlich die Bewegung des Segels in Mittschiffsrichtung.

Danach kommt es zur zweiten Kenterung, bei der das Rigg unter Wasser gerät und es zu den Schäden kommt. Ob ein anderes Verhalten des Skippers diesen Ablauf verhindert hätte? Es ist nicht klar. Am Ende geht es wohl wieder einmal um eine Verkettung unglücklicher Umstände.

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

4 Kommentare zu „INEOS Britannia Kenterung: Hat Ben Ainslie zum Unglück beigetragen?“

  1. avatar Anmerkung sagt:

    Ich würde Herrn Morris gerne in Teilen widersprechen. Wenn man sich das gesamte Video ansieht (INEOS Britannia – Capsize and Recovery – February 8, 2023 – LEQ12) ist ab Minute 1:20 zusehen, wie die Schleppleine zum Begleitboot angeschlagen wird. Minute 1:49 zeigt die Farbgebung der Schleppleine vor dem Bug (schwarz). Bei Min. 2:22 gibt der Rudergänger per Handzeichen die Zugrichtung vor. Diese ist jedoch nicht direkt luvwärts, sondern zwingt das Boot im aufrichtenden Moment in die Wende. Minute 2:36 zeigt die sich straffende Schleppleine quer zur Windrichtung. Min. 3:05 zeigt den Zugaufbau nach Backbord. Die Flaggen auf dem Begleitboot bestätigen die Richtung. Das Boot richtet sich auf, die Gesten des Steuermanns begleiten das Unheil. Das luvwertige Foil wirkt, wie Morris es beschreibt. Das Boot wird auf Backbord Bug gezogen und es scheint Unklarheit über den weiteren Prozess zu geben. Ziehen oder nicht ziehen. Bei Min. 3:25 winkt der Steuermann ab – keinen weiteren Zug, bei 3:30 fordert er Zug und lässt das Boot in die Kenterung ziehen. Ben Ainslie trifft hier keine Schuld. Sicher hätte er das Groß früher freigeben können, aber der Hauptpunkt ist die fehlerhafte Schlepprichtung und das mangelnde Abstoppen. Lösung: Wenn ein Boot auf diese Weise aufgerichtet werden soll, gibt es Folgendes zu beachten:
    – Schlepprichtung ist Luv und nur Luv.
    – Die Schleppleine muss auf slip liegen – nur so ist gewährleistet, dass das Boot im Moment des Aufrichtens kurzfristig freikommt und ausschwojen kann. Es darf kein weiterer Vortrieb erzeugt werden und das Boot wird sodann wie vor Anker im Wind gehalten.
    -Sobald das Boot im Wind ausschwojet ist unendlich Zeit aufzuräumen.

    PS: Diesen Fehler haben wahrscheinlich schon viele erlebt, denen auf der KiWo oder anderswo „geholfen“ wurde. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

  2. avatar LieberNicht sagt:

    Ich finde sie nicht nur hässlich sondern “HALTE SIE” auch für eine Fehlentwicklung des Segelns (bzw BOOTSBAUS)

    Sorry, aber mir sträuben sich die Nackenhaare, wenn ich lese: “Ich finde (sie) … auch für eine Fehlentwicklung”
    Mein Gott, was man nicht alles finden kann .. ist unglaublich

    Aber Schwamm drüber, machen mittlerweile viele so und da muss ich wohl toleranter werden.
    Also nur mal so gesagt!

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  3. avatar Matthias Pape sagt:

    Diese Boote werden mir zunehmend ein Greul. Hightech mit zu viel Fehlern. Erstaunlich was alles zur Kenterung führt. Und wie wenig die Kracken abkönnen. Ich finde sie nicht nur hässlich sondern auch für eine Fehlentwicklung des Segelns

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    • avatar Till sagt:

      Technisch sind die Boote in meinen Augen schon sehr spannend, Krakenfoils wird man wohl auch in Zukunft (hoffentlich nicht) in kleinen Bootsklassen sehen, einfach weil ich das Verletzungsrisiko für immens halt. aber Beispielsweise das Flügelsegel mit Fall und einige sehr spannende neue Trimmeinrichtungen könnte ich mir in Zukunft durchaus auch in anderen Klassen vorstellen. die Boote müssen ja nicht unbedingt schön sein, sondern hauptsächlich schnell. ein Formel 1 Auto gefällt mir jetzt auch nicht so gut, trotzdem kam von dort in der Vergangenheit eine Menge Technologie in die Serie. So könnte das auch bei den AC75 laufen. Das foiling an sich halte ich durchaus für eine gute Entwicklung.

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