Das Auftaktwochenende der Kieler Woche 2023 war geprägt von Leichtwind. Bis auf den ersten Teil der Aalregatta mit mehr als 200 Dickschiffen wurde am Samstag wegen Flaute nicht gesegelt. Am Sonntag konnten schließlich auf fast allen Regattabahnen die ersten Wettfahrten absolviert werden.
Statt der geplanten 30 Seemeilen der Aalregatta blieb für das Rennen am Samstag noch eine Kurslänge von 10 Seemeilen, nachdem die Wettfahrtleitung um Eckart Reinke und Ralf Paulsen den Start aus der Kieler Innenförde an den Ausgang der Eckernförder Bucht verlegt hatten. In der launischen Flaute gelang es schließlich um 13:35 Uhr, die erste von neun Startgruppen auf Kurs Eckernförde zu bringen. Während die großen Renner aus der leichten Brise noch genug Power herauspressten, um ins Ziel zu eilen, wurde es für die kleineren Yachten in den späteren Startgruppen immer schwieriger. „Genau zu Beginn der letzten Startgruppen blieb der Wind fast komplett weg. Da Gegenströmung aus der Bucht heraus herrschte, war Stillstand“, berichtete Ralf Paulsen. Gegen 16 Uhr setzte aber wieder eine leichte Seebrise ein, die die Flotte in Fußgänger-Geschwindigkeit vor sich hertrieb.
Auch am zweiten Tag der Traditionsregatta sorgte die Flaute für Sorgenfalten in der Planung eines frühen Starts um 10 Uhr. „Wir halten nach jedem Windstrich Ausschau, haben die Bahn komplett aufgebaut“, berichtete Paulsen, nachdem der frühe Kaffee getrunken war. Ein Ausweichplan, um die Crews auf den Yachten nicht erneut bis in den späten Abend segeln zu lassen, lag auch schon bereit. Die Marke Stollergrund Nord war als vorgezogene Zielmarke auserkoren worden.
Die Suche nach Wind fand unerwartet schnell Belohnung. Pünktlich schickte Paulsen die Flotte auf die Reise nach Kiel. Und die schnellen Boote tasteten sich unter Ausnutzung der leichten Brise an der Nordküste der Eckernförder Bucht gen freie Ostsee. Je weiter es jedoch hinausging, desto schwächer wurde der Wind. Rund um Stollergrund lag die See wieder glatt da.
Nach und nach tröpfelten die Yachten ins Ziel – wie bereits bei der Hinregatta angeführt von der „Halbtrocken 4.5“ von Michael Berghorn. „Es ging super los mit dem Wind, leider wurde es dann immer weniger. Der Blick zurück sagte uns, dass die anderen noch mit frischer Brise weitersegeln konnten“, so der Skipper vom Kieler Yacht-Club. Berechnet reichte es für Berghorn zu Rang zwei in der Gruppe der großen Yachten.
Zu den ersten Verfolgern nach gesegelter Zeit gehörte die „Störtebeker“. Für die junge Crew des Hamburgischen Vereins für Seefahrt (HVS) ist die Aalregatta ein weiterer Schritt hin zu den großen 600-Meilen-Klassikern. Nach der Kieler Woche soll die Carkeek 47 nach Südengland überführt werden, um dort am Rolex Fastnet Race teilzunehmen. Anschließend geht die Yacht ins Mittelmeer. Die Teilnahme an der Voile de St. Tropez ist eine Option, das Rolex Middle Sea Race im Oktober auf jeden Fall eingebucht.
„Zwei Drittel der Fastnet-Crew waren jetzt auch schon an Bord, so dass wir hier einige Manöver trainieren konnten“, berichtete Paula Classen aus der Crew. Der Essener Max Gärtner skippert die Yacht. Er gehört mit einer Fastnet-Teilnahme von 2021 schon zu den erfahrenen HVS-Seglern. Beim Fastnet wird das Durchschnittsalter der „Störtebeker“-Crew bei lediglich 24,9 Jahren liegen. Zur Kieler Woche ist es sogar noch darunter. 23,1 Jahre sind die HVS-Segler alt, der Bordälteste bringt es gerade mal auf 26 Jahre. Den zweiten Teil der Aalregatta beendete die „Störtebeker“ auf Rang zwei in ORC I.
Mit viel Erfahrung, aber extrem kurzer Vorbereitung trat die „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berlin) die Regatta von Eckernförde nach Kiel an. Erst am Vortag war die Yacht nach Eckernförde überführt worden. Dort fand sich die Crew mit einigen Umbesetzungen zusammen. Robert Stanjek und Annie Lush aus der Ocean-Race-Crew des Guyot Team Europe gehören zur „Intermezzo“-Mannschaft, fehlen aber zur Kieler Woche. Phillip Kasüske hat wie Skipper Jens Kuphal den schnellen Weg vom Ocean-Race-Etappenort Den Haag nach Kiel gewählt. In Ex-America’s-Cup-Segler Sten Mohr (Dänemark) hat Kuphal einen hochkarätigen Interims-Navigator engagiert. „Es war ein schöner Segeltag mit einer großartigen Stimmung an Bord. Max Gurgel hat das Boot noch mal verbessert. Es segelt sich super. Und Sten hat sich gleich bestens eingefügt“, sagte Kuphal. Sten Mohr freute sich, an Bord der Landmark 43 sein zu können: „Ich bin schon oft gegen das Boot gesegelt. Eine superschnelle Yacht. Da sie immer weiter optimiert wurde, ist sie nahe bei 100 Prozent. Es hat Spaß gemacht. Das Teamwork war outstanding, und die Yacht wurde sehr gut geskippert.“
Für die letzten 500 Meter zum Ziel, als der Wind ausgeknipst wurde hatte Mohr ein arbeitsreiches Mittel parat: „Wir haben außer den schweren Tüchern alle Segel gesetzt, die wir hatten.“ Das passte, um die Top-Position nach Berechnung in der ORC I zu übernehmen, obwohl die „Intermezzo“ sonst in die Gruppe ORC II gehört.
Nicht ganz vom Glück begünstigt fühlte sich die Crew der „Katima“ von Jan Opländer (Flensburger Segel-Club). Nachdem sie am Vortag noch den Sieg in der Klasse der großen Schiffe feiern durfte, blieb sie diesmal hängen. „Erst lief es gut, dann hat uns kurz vor dem Ziel das Fortune verlassen. 20 Minuten ging kaum noch etwas. Die Strömung hat uns vorwärts gedrückt, aber gefühlt ging es rückwärts“, berichtete der Hamburger Tim Kröger aus der Crew. Immerhin wurde es Rang vier.
Die weiteren Startgruppen hatten mit einbrechendem Wind Mühe, ihre Wettfahrten bis zum Abend ins Ziel zu bringen. Doch mit etwas Verspätung konnten auch hier die Siegerehrungen auf der Bühne im Olympiazentrum vorgenommen werden.
470er Mixed
Bei den 470ern entwickelte sich am Sonntag vom ersten Start weg der erwartete Kampf der deutschen Spitzenteams. Nur die amtierenden Weltmeister Luise Wanser/Philipp Autenrieth (Hamburg/Augsburg) bremsten sich durch zwei Frühstarts selbst aus. Die Vize-Europameister Diesch/Markfort erklärten den Sieg zum Auftakt: „Wir haben den Vorteil aus dem guten Start direkt an der Tonne mitgenommen, konnten frei vorm Feld segeln und die Dreher schön mitnehmen“, so die Vorschoterin, und der Steuermann ergänzte: „Ein guter Start ist immer der Plan, aber gerade bei diesem schwachen Wind ist es wichtig, den auch konsequent umzusetzen.“ Dahnke/Cipra zogen anschließend gleich. Die Vorjahressieger Winkel/Winkel holten den dritten Tagessieg.
ILCA 7
Für eine echtes Ausrufezeichen sorgte der Youngster in den Olympiaklassen: Der 18-jährige Ole Schweckendiek hat sich in den vergangenen Wochen auf sein Abitur konzentriert, kehrte nach erfolgreicher Prüfung auf den ILCA 7 zurück und durfte beim leichten Wind gleich den Auftakterfolg zur Kieler Woche feiern: „Das ist natürlich schön, und ich nehme es gern mit. Aber es ist eben auch nur ein Rennen“, so der U21-Weltmeister des vergangenen Jahres.
Aus Sicht von Trainer Alexander Schlonski war der Wettfahrttag okay, aber an der unteren Grenze des Segelbaren: „Es war in Ordnung, die Wettfahrt anzuschießen. Im letzten Drittel war der Wind dann unter dem Limit, und es war mehr Treiben als Segeln. Aber es gab keine großen Verschiebungen mehr. Deswegen war es in Ordnung, das Rennen laufen zu lassen. Aus deutscher Sicht hatten wir neben dem Sieg von Ole noch ein paar weitere gute Ergebnisse. Leider ist es bei Nik Aaron Willim heute nicht aufgegangen.“ Der Schleswiger wurde nur 41. Bei den Frauen im ILCA 6 setzte sich die Schwedin Hanna Koba nach der einzigen Tageswettfahrt an die Spitze des Feldes. Julia Büsselberg (Berlin) schaffte es knapp in die Top-Ten (9.).
Nacra 17
„Wir haben den Schaden in Grenzen gehalten“, bekannte Nacra-17-Steuermann Paul Kohlhoff nach einem vierten und einem dritten Platz, der ihn mit Vorschoterin Alica Stuhlemmer (beide Kiel) auf Gesamtrang drei rangieren lässt. „Wir sind frisch aus dem Trainingslager in Marseille angereist und fahren auch gleich zu den Pre-Olympics wieder runter. Deshalb haben wir hier nicht das Top-Material am Start. Vor allem aber sind wir zu inkonstant gestartet und haben auch die Anliegelinie wiederholt nicht getroffen“, so die Olympia-Dritten von Tokio. „Leichte Winde sind nicht unsere Stärke, aber wir müssen lernen, sie zu mögen.“ An der Spitze der foilenden Kats rangieren die Italiener Margherita Porro/Stefano Dezulian vor den Niederländern Willemijn Offerman/Scipio Houtman.
49er
Einen mäßigen Auftakt erwischten die deutschen 49er-Skiffs mit den Berlinern Fabian Rieger und Tom Heinrich im einzigen Tagesrennen als Siebte ihrer Gruppe. Die deutlich höher eingeschätzten Jacob Meggendorfer/Andreas Spranger (Kiel) wurden nur 23. Die ersten Tagessiege gingen nach Frankreich an Rual/Amores und in die USA mit Mollerus/Macdiarmid.
OK-Jollen
Bei den internationalen OK-Jollen führt der Däne Thomas Gabs vor dem Schweden Laban Soren. Der Berliner Oliver Thies ist Spitzenreiter in der 2.4mR punkgleich vor Antonia Quinzzato aus Italien. Seriensieger Heiko Kröger (Ammersbek) holte zwar einen Tagessieg im zweiten Rennen, muss aber vorerst mit Rang vier vorliebnehmen. Gleich zweimal auf eins landeten Lysander Winter und Constantin Bötsch vom NRV Hamburg im 420er.
iQ-Foil und 49erFX
Komplett leer gingen nur die iQ-Foiler und die 49erFX aus. Für die olympische Surfklasse reichte die Seebrise gar nicht, für die Gleitjollen am Ende nicht mehr. Für Montagvormittag sind optimale Winde vorhergesagt, die ersten Starts für 11 Uhr geplant.
Am Vorabend feierte die boot noch einmal ihre 30-jährige Premium-Partnerschaft mit der Kieler Woche. Die Messe Düsseldorf nahm das Jubiläum zum Anlass, um mit dem Deutschen Segler-Verband (DSV) in Schilksee eine umfangreiche Unterstützung des ukrainischen Segelsports auf den Weg zu bringen. Mit der Anmeldung zur weltgrößten Wassersportausstellung im Januar 2024 am Rhein werden (nicht nur) alle Aussteller um Material- und Geldspenden gebeten, auch gebrauchte Ausrüstung ist willkommen. Die humanitäre Hilfe richtet sich an Vereine, Marinas und Aktive gleichermaßen. Seit Kriegsbeginn zerstörte Infrastrukturen sollen wiederaufgebaut, Nachwuchs und Spitzensport im Hinblick auf Olympia in Frankreich gefördert werden. Rodion Luka, der als Präsident des Ukrainischen Segelverbands die Kieler Woche-Regatta mit eröffnet hatte, nahm die breit aufgestellten Rückendeckung mit großer Dankbarkeit entgegen.
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