Marseille 2024: Corona setzt DSV-Planung zur Neueinteilung des Kaders unter Druck

Olympia-Quali im Eiltempo

Olympia 2020 verschoben, Ersatztermin in 2021 unsicher, und für die Spiele 2024 müsste bereits jetzt die Vorbereitung angeschoben werden: Corona wird für die deutsche Leistungssportförderung zum langfristigen Problemfall.

Für 2021 können die 470er noch geschlechter-spezifisch planen, danach geht es dann im Mixed weiter. Foto Wehrmann

Sämtliche Kaderkriterien sind über den Haufen geworfen, eine Förderung für die Spiele in Paris/Marseille wird wohl frühestens 2022 starten können. Dann allerdings stehen bereits die ersten Qualifikationen für die Nationentickets auf dem Programm. Und der Segelsport ist besonders betroffen: Fünf der zehn Medaillen-Wettbewerbe werden komplett neu eingeführt oder umgestaltet. Für eine gelungene Vorbereitung auf 2024 müssten sich die Sportler der neuen Disziplinen parallel zu denen der aktuellen vorbereiten. Aber die finanziellen Mittel durch die Sportförderung des Bundes sind begrenzt, und aktuell gilt der Fokus den Wettbewerben in Tokio.

So sieht die Kadernominierung in der aktuellen Olympiade aus. Welche Wettkämpfe aber für den nächsten Zyklus herangezogen werden können, ist völlig offen. Grafik: DSV

DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner hätte eigentlich allen Grund, sich mit Blick auf 2024 zu freuen. Denn anders als in der aktuellen Olympiade kann sie für die Segeldisziplinen von Marseille vermelden: „Es gibt in allen neuen Disziplinen für 2024 Interesse durch deutsche Talente. Wir könnten also für alle zehn Wettbewerbe planen.“ Doch Corona macht aus dem Vorbereitungs-Indikativ einen Konjunktiv.

Im 470er, der aus den beiden bisherigen geschlechter-getrennten Disziplinen zum Mixed-Geschehen für 2024 verschmilzt, ist noch nicht eine Karte für 2021 gespielt. Eigentlich hätte in der vergangenen Woche der Worldcup in Genua gesegelt werden sollen. Es wäre nicht nur der Abschluss der internen deutschen Qualifikation bei den Männern und Frauen gewesen, sondern auch die letzte Chance für die deutschen Männer, für Tokio ein Nationenticket zu ziehen. Jetzt aber ist das Spiel noch komplett offen.

Mit Frederike Loewe/Anna Markfort, Theres Dahnke/Birte Winkel und Luise Wanser/Helena Wanser sowie Malte Winkel/Matti Cipra, Simon Diesch/Philipp Autenrieth und Daniel Göttlich/Linus Klasen kämpfen jeweils drei Mannschaften aus dem DSV-Kader um die Olympia-Tickets für 2021. Fotos: Lars Wehrmann

Jeweils drei Mannschaften stehen im Perspektivkader, gehen also mit DSV-Unterstützung in die Ausscheidung für Tokio, wenn sie denn endlich terminiert werden kann. Damit ist der mit dem DOSB abgesprochene Terminplan, der auf die Olympia-Quali zu Beginn dieses Jahres ausgerichtet war, Makulatur. Und die Neubildung der Mixed-Mannschaften aus den aktiven 470er-Seglern und -Seglerinnen muss warten. Dazu hoffen auch die Nachwuchscrews, die ins Mixed-Geschehen wollen, auf eine Förderung.

Erste Klarheit hätte der April auch für die Seesegler geben sollen. Mit Blick auf die erste Weltmeisterschaft in der künftigen Olympia-Disziplin Doublehanded Mixed Offshore war eine deutsche Qualifikation vor Kiel angesetzt – und ist inzwischen wieder abgesetzt worden. Der neue Bundestrainer Tim Kröger, der im internationalen Vergleich ohnehin schon im Nachteil ist, da in anderen Nationen die Variante des Shorthanded Offshore Segeln im Leistungsbereich viel populärer ist, ist nun weiter im Wartestand. Wann und ob sich tatsächlich eine Mixed-Crew für die WM im Oktober vor Malta empfehlen kann, ist völlig offen.

Johannes Christophers, Leiter der DSV-Abteilung Technik, DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner und Offshore-Coach Tim Kröger (von links) hatten bereits begonnen, die Strukturen für die neue Offshore-Olympia-Disziplin aufzubauen. Foto: DSV

 

In den drei weiteren „neuen“ Marseille-Disziplinen muss zusätzlich die Struktur noch aufgebaut werden. Im Mixed-Kiten starten zwar vermeintlich alle Nationen bei Null, aber in anderen Ländern sind die Boarder unter dem Drachen schon deutlich weiter in der offiziellen Förderung. Die deutschen Asse mit Florian Gruber und Leonie Meyer an der Spitze haben zwar bereits starke Leistungen bei internationalen Wettkämpfen abgeliefert, aber ihnen steht aktuell kein Bundestrainer an der Seite, und auch eine Unterstützung bei Reisen zu Trainingscamps und Regatten muss aus anderen Hand als der des DSV erfolgen.

2018 war Kiten bereits bei den Worlds in Aarhus vertreten, für 2024 erhält es nun als Mixed-Disziplin den Olympiastatus. Foto: Sailing Energy

Auch die Surf-Struktur muss in Deutschland neu aufgebaut werden. Nach dem Olympiastart von Toni Wilhelm in 2016 wurde das DSV-Engagement mangels Masse in der Weltspitze eingestellt. „Die Umstellung des Surf-Equipments für 2024 auf das IQ-Foil hat aber für Interesse in Deutschland gesorgt“, berichtet Stegenwalner. Sowohl aus den Segeldisziplinen als auch aus dem nicht-olympischen Surfbereich drängen Athleten in das Geschehen. Aber auch sie hängen ohne Regatten und Chance, sich zu präsentieren, noch in der Luft.

„Wir hätten gern die Kader-Kriterien für alle Disziplinen formuliert, aber uns fehlen die Regatten. Wir hoffen, dass wir im Herbst noch einige Wettkämpfe haben, so dass wir dann einige Ergebnisse zur Entscheidung heranziehen können“, sagt die DSV-Sportdirektorin. „Aber es wird alles sehr eng. Denn die Marschrichtung ist, dass wir mit der Gruppe, die für 2021 in Frage kommt, konzentriert arbeiten. Damit wird die Zeitspanne bis 2024 noch kürzer. Wenn dann ein Großteil der Nationentickets analog zu den jetzigen Spielen bei den Worlds vergeben wird, dann bleibt nach 2021 nur wenig Zeit. Denn die nächsten Worlds finden ja bereits im Sommer 2022 vor Den Haag statt.“

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