#MeeToo im Segelsport: Kielboot-Klasse reagiert auf den Hilferuf einer Seglerin

„Die Schnauze voll“

Die Etchells Klasse hat mit einem Verhaltenskodex auf die Anschuldigungen einer Seglerin reagiert, die sexuelle Belästigungen bei der Weltmeisterschaft öffentlich gemacht hatte.

Die Etchells Klasse bei der WM 2023 in Miami. © Nic Brunk/Etchells Worlds 2023

Vor der #MeeToo-Affäre um IMOCA-Skipper Kevin Escoffier ist es bei der Weltmeisterschaft der Etchells-Klasse zu einem Vorfall gekommen, der möglicherweise zeigt, dass der Segelsport ein größeres Problem mit sexueller Belästigung hat, als bisher angenommen.

Eine Seglerin hatte Ende April in einem anonym verschickten Brief an verschiedene Medien darüber berichtet, wie sie im Laufe des Abends bei der Preisverteilung in Miami „nicht weniger als einem halben Dutzend Männern“ belästigt wurde. Es ging um anzügliche Kommentare, mehrfache unerwünschte Berührungen und mehr.

Solche Annäherungsversuche und  das Angrapschen passiere „mindestens einmal im Jahr“ bei Etchells Regatten. Kaum habe sie die Segelshorts mit einem Kleid getauscht werde sie offenbar zu Freiwild.

Auf dem Weg nachhause habe sie bei einer Situation schon den Hausschlüssel zwischen die Fingerknöchel geklemmt, weil sie dachte, sich gegen einen Belästiger wehren zu müssen. Aber im letzten Moment ließ der Mann von ihr ab.

„Keinen Respekt“

„Ich habe die Schnauze gestrichen voll. Mein Outfitwechsel gibt dir keinen Freibrief, ein Fiesling zu sein“, sagt die Seglerin in ihrer Mitteilung. „Regatta für Regatta muss ich mir den gleichen Scheiß gefallen lassen. Ihr Männer wisst genau, wer ihr seid. Ich habe keinen Respekt vor euch.

Ich hätte fast Lust, euch hier beim Namen zu nennen, damit alle anderen wissen, was für widerliche Scheißkerle ihr seid. Aber das Traurige ist, dass viele Leute bereits wissen, wer du bist, und sie erlauben dir, weiterzumachen. Ich werde nur als Dramatikerin beschimpft. Denn ‚Jungs sind eben Jungs‘. Und ich war ’so angezogen, wie ich es wollte‘.

Wenn Ihnen wirklich daran gelegen wäre, die Beteiligung von Frauen am Segelsport zu erhöhen, dann würden Sie uns tatsächlich respektieren. Als Menschen. Nicht nur als Seglerinnen. Und ich schätze wirklich alle Männer, die uns respektieren und unterstützen – ihr seid zum Glück die Mehrheit. An die guten Jungs – bitte helft uns, die Widerlinge in ihre Schranken zu weisen. Denn egal, wie oft ich nein gesagt habe, wie oft ich weggegangen bin, wie oft ich sie von mir gestoßen habe, es hat nichts genützt.“

Kein Einzelfall

Die Etchells-Klasse veröffentlichte danach eine Erklärung, in der sie die Verfasserin des Briefes unterstützte und das berichtete Verhalten verurteilte.

„Die Führung der Internationalen Etchells-Klassenvereinigung ist bestürzt über die Erfahrungen, die unser Mitglied bei und nach der Preisverleihungsparty der Weltmeisterschaft 2023 gemacht hat, und verurteilt das berichtete Verhalten. Diese Art von Verhalten ist kein Einzelfall in der Etchells-Klasse, im Segeln oder im Sport. Frauen sind in allen Bereichen ihres Lebens mit solchem Verhalten konfrontiert. Wir begrüßen den Mut der Autorin, ihre Meinung zu sagen. In der Tat muss diese Art von Handlungen angeprangert, diskutiert und beseitigt werden. Dies obliegt uns allen, nicht nur den Opfern.

Wir als Klasse setzen uns weiterhin dafür ein, dass der Sport für alle Segler zugänglich ist und ihnen Spaß macht. Es ist uns wichtig, die Beteiligung von Frauen zu erhöhen, und wir dulden kein Verhalten, bei dem sich Frauen unwohl oder in irgendeiner Weise objektiviert fühlen. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, mit unseren Flotten und Seglern zusammenzuarbeiten, um solchem Verhalten Einhalt zu gebieten, und rufen andere Klassen und Segler auf der ganzen Welt auf, sich uns anzuschließen.“

Die Seglerin sah sich nach ihrer öffentlichen Botschaft von den positiven Reaktionen ermutigt und bestätigt, dass ihre Erfahrungen keine Einzelfälle sind. „Viel zu viele Frauen haben die gleichen oder noch schlimmere Erfahrungen gemacht“, schreibt sie in einem Folgeartikel. Sie gründete daraufhin die Plattform SafeSail, wo unter anderem Vorfälle als Zeuge oder Opfer gemeldet werden können.

Regatta-Veranstalter werden dazu aufgefordert die Teilnehmer, einen Verhaltenskodex unterschreiben zu lassen. So versucht auch, die Etchells Klasse auf die Situation zu reagieren. Sie hatte versprochen, sich mit dieser Situation zu befassen und Prozesse zu etablieren, die Abhilfe schaffen. Das Ergebnis: Ein zweiseitiger „Code of Conduct“.

 

Inakzeptable Verhaltensweisen

Ein Wettbewerbsteilnehmer darf nicht:

× eine andere Person missbrauchen oder ihr damit zu drohen (verbal, körperlich oder schriftlich);
× eine andere Person körperlich oder sexuell angreifen;
× jemanden aufgrund seiner Rasse, seines Geschlechts, seines Alters, seiner sexuellen Orientierung, seiner Behinderung oder anderer persönlicher Merkmale diskriminieren oder weniger gut behandeln
× eine andere Person einschüchtern, bedrohen oder belästigen;
× eine andere Person durch unerwünschtes, unwillkommenes oder ungebetenes Verhalten sexuell belästigen;
× eine andere Person schikanieren, isolieren oder demütigen;
× jemanden schikanieren, ungerecht behandeln oder bedrohen, weil er eine Beschwerde eingereicht hat oder Zeuge einer Untersuchung ist
× sich unangemessen oder unethisch verhalten

4 Antworten zu „#MeeToo im Segelsport: Kielboot-Klasse reagiert auf den Hilferuf einer Seglerin“

  1. Fabian

    sagt:

    @Michi & @Klar:
    Nein, das ist natürlich nicht die zu Ende gedachte Konsequenz. Natürlich sind gemischte Crews möglich. Natürlich wissen die meisten ziemlich genau, wie sie Ihre Tochter behandelt wissen wollen. Natürlich kann man im Zweifelsfall auch mal nachfragen, ob eine Berührung oder Annäherung auch gewünscht ist.

    Dieses Gejammer von „dann ist ja nichts mehr möglich“ ist wirklich kindisch und ziemlich beschränkt. Und ich bin mir sicher, dass auch die anonyme Segelkameradin den unterschied zwischen netter und respektvoller Ansprache und ständig wiederkehrendem betrunkenem Angrabschen auf der Siegesfeier sehr wohl versteht. Nur wohl leider noch nicht jeder gesetzte Herr, der „es schon immer so gehandhabt“ hat.

  2. Michi

    sagt:

    Wenn ich die Liste der Inakzeptablen Verhaltensweisen konsequent in allen Details in der Praxis umsetze ergibt sich folgende Schlussfolgerung:

    keine gemischten Crews mehr auf Regatten – jede Berührung während des Wettkampfs kann als Übergriff empfunden werden – je nach Sensibilität der Berührten
    getrennte Tische und Barbereiche auf den Regattapartys um jeglichen körperlichen Kontakt zu vermeiden- es könnte als Absicht empfunden werden

    Nur so kann man wirklich sicher gehen in keine unangenehme Lage zu geraden 😉

    Zur Klarstellung- jeder strafrechtlich relevante Übergriff muss natürlich konsequent verfolgt werden.

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  3. Klar

    sagt:

    Rumjammer, schimpfen, unkonkrete und nebulöse Vorwürfe und sich dann wieder aus gespielte Rücksicht keine Namen nennen.
    Herrje, metoo ist Out!
    Transen sind das neue In…besser Transphilosophie….?

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  4. Stephan Bode

    sagt:

    Ist das nicht ein Fall für World Sailing, mit einem Regel 69 Verfahren das klar zu sanktionieren?

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