Das Offshore Team Germany gelingt im Coastal-Race die Sieg-Sensation. Nun ist „Einstein“ auf dem Weg nach Gibraltar. 11th Hour ist mit einem Motorboot kollidiert.
Der Respekt der Konkurrenz vor der Leistung des Offshore Team Germany beim The Ocean Race Europe war bereits nach der ersten Etappe groß, als der einzige Nicht-Foiler im Feld der Imocas gleichauf mit der Spitze ins Ziel kam. Bei der Mirpuri Foundation Sailing Trophy, dem Coastal-Race im Etappenort Cascais, sorgte die deutsche „Einstein“ nun für die Sensation. Der weiße Renner feuerte den Foilern auf dem 40-Meilen-Rennen davon und sicherte sich den Sieg vor „11th Hour Racing“ (USA) und „Linked Out“ (Frankreich).
Die Sieger der ersten Etappe der Europa-Rennens, das Team von „Corum L’Épargne“, hatten nach der Millimeter-Entscheidung bei der Etappen-Ankunft in Cascais bereits den Hut vor der Crew um den Berliner Skipper Robert Stanjek gezogen und Glückwünsche übermittelt, obwohl es für die „Einstein“ hier am Ende nur zu Platz vier gereicht hatte. Nun kam die Top-Mannschaft des Franzosen Nicolas Troussel aus dem Staunen nicht mehr heraus. Denn das OTG-Team machte nicht nur einen guten Eindruck beim Coastal-Race, sondern landete mit einer starken Leistung den Sensationssieg. In der Gesamtwertung des The Ocean Race Europe liegt das OTG-Team nun hinter „11th Hour Racing“ gleichauf mit „Corum L’Épargne“ auf Rang zwei.
Einstein auf dem Weg nach Gibraltar:
Bereits am Start hatten Robert Stanjek, Benjamin Dutreux, Annie Lush, Phillip Kasüske und Boatcaptain Ian Smyth, der für das Coastal-Race die Position von Onboard-Reporter Felix Diemer übernommen hatte, gezeigt, dass sie auch in diesem Rennen alles geben wollten. Das Timing am Start war einmal mehr perfekt: In Top-Position zogen Stanjek und Crew über die Linie.
Entlang der Küste, vorbei an der Boca do Inferno von Cascais, konnten sich die vier konkurrierenden Foiler-Imocas zwar auf ihre Flügel setzen und einen kleinen Vorsprung herausfahren. Doch als der Winkel zur ersten Rundungsmarke spitzer wurde, nutzte „Einstein“ den Vorteil, mit den geraden Schwertern einen besseren Winkel zum Wind segeln zu können. Und der Vorteil, sich besser positionieren zu können, blieb auch auf dem Vorm-Wind-Kurs.
Mit tieferem Kurs und damit weniger Halsen steuerte sich das OTG-Teams bereits auf Platz zwei. Und als es dann auf den Kreuzkurs zurück nach Cascais ging, spielten die Olympia-erfahrenen Akteure im OTG-Team ihre Erfahrung in Kleinraum-Taktik aus, schlichen sich Wende für Wende an „11th Hour Racing“ heran, übernahmen schließlich auf dem letzten Teilabschnitt zum Ziel die Führung und verteidigten diese souverän. Direkt vor der Hafenmole von Cascais kreuzten schließlich die deutschen Farben im „Einstein“-Segel als Sieger das Ziel – Covid-bedingt zwar nur mit kleinem Publikum, aber mit dem Jubel der gesamten OTG-Shorecrew und unter den staunenden Blicken der Fans aus den anderen Teams.
Teammanager Jens Kuphal, der die Crew direkt im Ziel auf dem RIB in Empfang nahm, war überwältigt: „Ich bin noch voller Emotionen, weiß gar nicht was ich sagen soll. Das ist der Lohn harter Arbeit über Jahre. Wir konnten endlich zeigen, was wir können. Auf dem Reach nach dem Start hat sich gezeigt, welch unterschiedliches Potenzial die Boote der verschiedenen Generationen haben. Aber als es dann auf die klassischen Vorm-Wind- und Am-Wind-Kurse ging, haben Robert und die Crew gezeigt, was sie können. Diesen Erfolg hat sich die Crew und das gesamte Team so sehr verdient.“
Die nächste Etappe von Cascais/Portugal nach Alicante/Spanien ist seit Sonntag 13 Uhr im Gange. Dabei ist die Wetterprognose, gerade für die Durchfahrt der Straße von Gibraltar, sehr instabil. Navigator Benjamin Dutreux rechnet der auf dem zweiten von drei Teilstücken mit einer Ankunft am Mittwochmorgen kalkuliert.
Start-Schock für „11th Hour Racing“
Beim Start ist es dabei zu einem Schockmoment für das in der Gesamtwertung führende 11th Hour Team gekommen. Es rammte wenige Minuten nach dem Start vor Cascais/Portugal mit seinem Backbord-Foil ein kleines Motorboot, zog sich schwere Schäden an der Tragfläche zu und kehrte in den Hafen zurück. Sowohl auf dem Motorboot als auch auf dem Imoca blieben alle Personen unverletzt. Das US-Boot hat das Rennen inzwischen wieder mit Verspätung aufgenommen und segelt dem IMOCA-Quartett sowie den sieben VO65 hinterher. Das Offshore Team Germany (OTG) wechselte sich auf den ersten 50 Meilen des 600-Meilen-Rennens nach Alicante/Spanien in der Führungsarbeit mit den anderen Imoca-Teams ab.
OTG-Teammanager Jens Kuphal sah den Unfall von Land aus und war geschockt: „Was für ein Drama. Das tut mir so leid für ’11th Hour Racing‘. Die Mannschaft hat sich so viel vorgenommen fürs The Ocean Race Europe.“
Auf dem Kurs ging dagegen die Post ab. Nach dem Runden der ersten Marke schossen die Yachten mit einer Geschwindigkeit von 20 Knoten nach Süden, dem Kap San Vincente (südwestlichster Zipfel des europäischen Festlandes) entgegen. Das Offshore Team Germany konnte auf diesem Kurs mit den foilenden Imocas mithalten und segelte stabil auf Rang drei. Corum dagegen musste auf dem Vorwindkurs nach Cabo San Vincente abreißen lassen und lag früh 30 Meilen zurück.
Die Etappe könnte nach der Wetterprognose im weiteren Verlauf sehr anspruchsvoll werden. Gerade in der Straße von Gibraltar werden heftige Winde und harter Wellengang erwartet, bevor es auf die lange Kreuz nach Alicante geht. „Es wird tricky in der Straße von Gibraltar – eine Meerenge, die ich noch nie durchfahren habe. Ich bin sehr aufgeregt. Vielleicht haben wir dort unsere Chance“, sagte OTG-Skipper Robert Stanjek.
Nach dem Sieg im Coastal Race von Cascais und dem vierten Platz auf der ersten von drei Etappen liegt die Crew mit Skipper Stanjek, Grinder Phillip Kasüske, Pit Annie Lush und Navigator Benjamin Dutreux überraschend auf dem zweiten Platz in der Gesamtwertung. Bisher konnte das OTG den vermeintlichen Nachteil der fehlenden Foils bestens kompensieren. Die Erwartungen wurden damit bisher mehr als übertroffen. Kein Grund allerdings für Robert Stanjek, nun locker zu lassen: „Der Sieg im Coastal Race war toll und auch sauber herausgefahren. Was aber für uns wirklich zählt, sind die Etappen, und da wollen wir bis Genua noch etwas zeigen.“
Wertung und Rennverfolgung
Die Wertung des The Ocean Race Europe erfolgt nach dem High Score Prinzip. In der Imoca-Klasse werden in jeder der drei Etappen fünf Punkte an den Sieger (und jeweils ein Zähler weniger an die dahinter platzierten Teams) vergeben. Für die beiden Coastal Races in Cascais und Genua gibt es Bonus-Punkte (drei für den Sieger) der drei Top-Teams. Die Gesamtwertung wird durch die höchste Punktzahl nach Abschluss der Regatta in Genua entschieden. Bei Gleichstand entscheidet das Resultat aus der Etappe nach Genua.
Der Rennverlauf ist über den Race-Tracker zu verfolgen.
Quelle: OTG / Andreas Kling
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