Nordseewoche: Extrem-Bedingungen mit Sturm und Flaute

Schwierige Woche

Am Sonnabend, den 25.5. 2013 um 16:55 lief die Swan 441 „Charisma“ als letzte Nordseewoche-Yacht über die Ziellinie in Edinburgh. Orkanböen und Kälte zwangen fast alle Teilnehmer zur Aufgabe.

Die "Charisma" umfährt den Sturm
Die „Charisma“ umfährt den Sturm auf der Nordroute. © Charisma

Skipper Claviez entschloss sich seemännisch klug, das angesagte Orkantief zu umgehen, und wählte den sicheren aber längeren nördlichen Weg. Mit  Erfolg: 5. Schiff im Ziel, alle weiteren Yachten 16 Yachten hatten aufgegeben.

Extreme Wetterbedingungen waren das Kennzeichen der Nordseewoche 2013. Flaute, Nebel, Orkanböen und sogar etwas Sonne, die Witterung stellte Teilnehmer und Organisatoren vor große Herausforderungen. Fünf von 13 Wettfahrten mussten abgebrochen oder abgesagt werden. Durch die extrem lange Kälte bis in den April ist die Nordsee noch sehr kalt. Bei Wassertemperaturen von 6 Grad steigt die Nebelgefahr. Wind, der an Land noch recht warm ist, wird auf dem Wasser eiskalt, die relative Feuchte steigt und es kommt zu Nebel.

„Die Nordseewoche 2013 war – seglerisch gesehen – eine der schwierigsten Nordseewochen bisher: Nebel, schwache und drehende Winde, die Strömung der Nordsee um Helgoland verlangten Taktik und Navigation neben dem seglerischen Können so einiges ab und waren gleichsam entscheidend.“, Stefan Lehnert, langjähriger Wettfahrtleiter und selbst aktiver Regattasegler, zieht sein Resümee, „Leider mussten – nach dem behördlich angeordneten Abbruch der Wettfahrt „Haspa Private Banking Cup“ von Wedel nach Cuxhaven – wegen der schwachen Winde auch die Regatten „Inducon Cup Helgoländer Acht“ und alle Rückregatten abgesagt werden. Aber alle Zubringer-Regatten, die Early Bird Serie und natürlich als Höhepunkt der „Capitell Rund Helgoland Cup“ konnten erfolgreich, wenn auch unter widrigen Bedingungen, beendet werden.“

 Haspa Private Banking Cup
Startverschiebung wegen Flaute beim Haspa Private Banking Cup. © H. Genthe

Mit 151 Yachten hatte in diesem Jahr die Nordseewoche wieder steigende Meldezahlen. „Natürlich hatten wir im letzten Jahr mehr Meldungen, aber das ist normal in den Jahren mit der sehr beliebten Pantaenius Rund Skagen Regatta.“, freut sich Organisationsleiter Bernd Jörg über den Zuspruch, „Viele Segler aus der Ostsee nutzen alle 2 Jahre die letzte Wettfahrt der Nordseewoche um Ihr Boot zurück zu segeln. Das wir – obwohl viele Segler Ihre Boote wegen der lang anhaltenden Winterkälte noch gar nicht im Wasser haben – gegenüber 2011 die Meldezahlen um über 10% steigern konnten, zeigt, dass wir mit der Nordseewoche auf dem richtigen Kurs sind.“

Die Nordseewoche bietet mit den Regatten nach und um Helgoland besondere Herausforderungen. Die im Wechsel stattfindenden Wettfahrten nach Edinburgh und nach Kiel rund Skagen sind jeweils ein krönender Abschluss. Ergänzend zu den – in Deutschland seglerisch wohl anspruchsvollsten Seeregatten – bietet das attraktive Landprogramm der Nordseewoche einen weiteren Anreiz, über Pfingsten den „Roten Felsen in der Nordsee“ zu besuchen.

Nordseewoche Bremerhaven
Start in Bremerhaven. © S. Röpke

„Wenn hier und da Segeln wegen der Witterungsverhältnisse ausfällt, dann ist das nicht so tragisch – Helgoland und die abendlichen Parties sind immer ein Erlebnis.“ Torsten Conradi, Partner im renommierten Konstruktionsbüro Judel & Vrolijk hat den Vergleich zu internationalen Regatten. „Ich habe in diesem Jahr nicht in einem der ambitionierten Regattateams gesegelt, sondern habe mit meinem Boot und Familie am Family Cruiser Cup teilgenommen. Das ist auch ein toller Weg, um – ohne Spinnaker und Vermessung – Nordseewoche zu erleben.“

Am Freitag vor Pfingsten beginnt die Nordseewoche traditionell mit dem „Haspa Private Banking Cup“ von Wedel nach Cuxhaven. Nachdem der Startort wegen Flaute elbabwärts verlegt werden musste, verdichtete sich nach dem Start der Dunst bald zu Nebel mit Sichtweiten unter 1000m. In Höhe des Medemgrundes wurde die Sicht noch schlechter und betrug zum Teil weniger als 300m. Nach Rücksprache mit der Revierzentrale Cuxhaven und der Wasserschutzpolizei wurde ein Abbruch der Wettfahrt schifffahrtspolizeilich angeordnet.

W2 MINOX Cup von Cuxhaven nach Helgoland.
W2 MINOX Cup von Cuxhaven nach Helgoland. © H. Franck

Dafür konnte die Sundowner-Wettfahrt der Early Bird Series von Cuxhaven nach Helgoland wieder bei guten Sichtbedingungen pünktlich um 19 Uhr gestartet werden. Dank gutem Wind zwischen 12 bis 16 Knoten erreichte die RP 57 „Scho-Ka-Kola“ bereits nach 4 Stunden und 7 Minuten die Ziellinie vor Helgoland. Nach der kalten Überfahrt trafen sich die Segler im boot Düsseldorf Race Village direkt am Hafen. Keine Bratwurst schmeckt so gut wie die boot-Currywurst auf der Welcome-Party auf Helgoland und kein Bier so gut wie das Frankenheim-Alt in der ALEXSEAL-Lounge, darin waren sich die Segler einig.

Der Sonnabend der Nordseewoche ist für Wettfahrtleitung und Organisationsteam immer die größte Herausforderung. An einem einzigen Tag finden 6 Wettfahrten mit 5 Startorten und 2 Zielen statt: Vier Zubringer-Wettfahrten und zwei Wettfahren der Early Bird Series.

Die Zubringer-Wettfahrt von Cuxhaven nach Helgoland, der Minox Cup, wurde von leichten, drehenden Winden geprägt. Nebelschwaden erschwerten auch bei dieser Wettfahrt wieder die Navigation. Erstes Schiff im Ziel war die „Haspa Hamburg“, die JV 52 des Hamburgischen Vereins Seefahrt e.V. und gewann damit das Rot-Grün-Weiße Band. Die Schnellste aus Hallig Hooge war die „Bajazzo“ von Kai Kröger, eine J 102. Aus Wilhelmshaven kam die „Black Maggy“ von Wolfram Heibeck, eine Open 32 gebaut von Spezialbootsbau als Erste ins Ziel, und aus Bremerhaven schnappte sich die IMX 40  „Morran“ von Carsten Burfeind, eines der 4 begehrten Bänder.

Parallel starteten vor Helgoland die Segler, die mit der Sundowner-Wettfahrt in der vorherigen Nacht auf Helgoland eingetroffen waren, um 12 Uhr zur ersten Wettfahrt vor der Insel:  „Hummer 1“ der Early Bird Series. Auch diese Regatta wurde immer wieder von Nebelschwaden durchzogen. Während der Wettfahrt Hummer 2 schlief der Wind ein. Einige Teilnehmer bleiben in einem Windloch liegen, und wurden von dem kenternden Strom zurückgetrieben, bis der von der Insel her einsetzende Wind auch sie erreichte. Trotzdem waren um ca. 17 Uhr alle Yachten im Hafen fest. Die Gesamtwertung der Early Bird Series und damit den Helgoländer Hummer Cup gewann die IMX 40 „PAX“ von Klaus Uwe Stryi.

Nach der Preisverleihung feierten die Sportler, Begleiter und Organisatoren gemeinsam auf der boot Düsseldorf Regattaparty in der Nordseehalle bis in den frühen Morgen. Helgoland zur Nordseewoche ist ein eben ein Ort, wo Segler eine große Gemeinschaft bilden und – verbunden durch die die gemeinsame Leidenschaft zum Segelsport – den Widrigkeiten des Wetters und der Natur trotzen.

Am Sonntag mussten die Teilnehmer zum Höhepunkt der Nordseewoche, dem Capitell Cup Rund Helgoland, besondere Seemannschaft beweisen. „Heute Morgen werden wir Leichtwindbedingungen mit Wind bis maximal 8 Knoten haben.“ Mit Meeno Schrader hat die Nordseewoche von der boot Düsseldorf einen echten Segelwetter-Profi an die Seite gestellt bekommen. „Gegen Nachmittag wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Wind abnehmen, und dadurch ist die Neigung zu Seenebel stärker.“

81 Yachten fanden sich um 9.30 zur Startline des Capitell Cup ein und boten trotz des diesigen Wetters ein prächtiges Bild. Leider war während der gesamten Wettfahrten Helgoland im Dunst versteckt. „Es war richtig gespenstisch, wie die Boote aus dem Nebel aufgetaucht sind.“ Für Jobst Wellensiek war es die 2. Nordseewoche, „In den letzten Stunden der Wettfahrt mussten wir uns zu 100% auf unseren Navigator verlassen.“

Dank des Einsatzes der Schlauchboot-Fahrer und des Start- und Begleitschiffs der dänischen Heimwehr konnten trotz beschränkter Sicht alle Zieldurchgänge registriert werden. „Ich habe mich in diesem Jahr besonders über die sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit mit den Behörden auf Helgoland gefreut.“ Stefan Lehnert, Wettfahrtleiter der Nordseewoche ist sichtlich erleichtert, dass diese Wettfahrt in ganzer Länge durchgeführt werden konnte. „Die Bedingungen waren alles andere als ideal, aber die Teilnehmer haben ein hohes Maß an Seemannschaft bewiesen.“

Erstes Schiff im Ziel und Gewinnerin des „Capitell Cup“ war der 82 Fuss Maxi „Calypso“ von Dr. Gerhardt Clausen nach nur 4 Stunden und 23 Minuten. Berechnet konnte die „Xenia“ von Dr. Bernhard Buchwald, Skipper Ralf Lässig, eine XP 44 in der Gruppe ORC 1 den Nordseewoche-Preis „Rund Helgoland“ gewinnen. Die Gruppe ORCi 2 dominierte wieder die „Pax“ von Klaus-Uwe Stryi. In der Gruppe ORC Club war Manfred Böttcher mit seiner „Kühnezug Goldkatze“ siegreich und erhielt den „Christian Noltenius Gedächtnispreis“. Die Gruppe ORCi 3 und damit den Cheerio-Wanderpreis gewann Dauersieger „Patent 3“ von Jürgen Klinghardt, Skipper Jens Tschentscher, in ORC 3 Club siegte die „Coyote“, eine J27 von Jan Schwital. Unter den Family-Cruisern gewann Lokal-Matador Torsten Conradi mit seiner „Esta“. Ein Sonderpreis wurde Werner Landwehr und seiner „Dessert d Alcyone“, einer Beneteau F II, BYC verliehen. Marinepool vergab 3 Schwimmwesten für seine fünfzigste Teilnahme an der Nordseewoche, die vierzigste in Folge im eigenen Boot.

Im Anschluss an die Preisverleihung fanden viele Segler zur Capitell Regatta Party in der Nordseehalle kein Ende. Der Verdacht liegt nahe, dass so mancher ganz froh war, als am folgenden Morgen der Höhepunkt des Pfingstmontags, der „Inducon Cup Helgoländer Acht“, wegen Flaute nicht gestartet werden konnte. So konnte der wertvolle Silberpreis wieder nicht vergeben werden. Da auch für den Rest des Tages völlige Flaute angesagt war, fielen die Rückregatten ebenfalls aus. An der Helgoländer Tankstelle bildete sich eine Schlange von Yachten, die Treibstoff für die Rückreise bunkern mussten.

Inzwischen stehen die Gewinner der Gesamt- und Sonderwertungen fest: Die „Kamlade“ von und mit Gordon Nickel ist die stolze Siegerin des Nordsee-Cups! Die Platu 25 ist fast das kleinste Boot der Nordseewoche und hat trotzdem in der Gesamtwertung von „Capitell Cup Rund Helgoland“ und im „MINOX Cup“ von Cuxhaven nach Helgoland das beste Ergebnis ersegelt.

Das vom Magazin „Segeln“ neu gestiftete Halbmodell des Family Cruiser Cups gewannen Imke Schürenstedt und Crew auf der „Die Zwei“, einer Westerly Oceanlord 41 vom WYC Bremen.

„Das Wetter ist dieses Jahr wie ein nass gewordener Turnschuh, mit dem ich nicht weiß, was ich damit machen soll.“, meint schmunzelnd Hinrich Franck, der langjährige Fotograf der Nordseewoche, machte das Beste aus der Situation und fand trotz grauem Wetter spannende Motive: „Die Segler trotzten den Widrigkeiten und boten spannende Wettkämpfe.“

„Coole Veranstaltung, auch wenn wir diesmal nicht erfolgreich waren.“ Jan Meins hatte vor vielen Jahren zuletzt mit einer Sprinta Sport die Nordseewoche mitgesegelt, und wie viele andere aus der Crew tagelang hart gearbeitet, um die Yacht „UiJuiJui“ flott für die Nordseewoche zu machen. „Nächstes Jahr bin ich wieder dabei – aber auch bei Pantaenius Rund Skagen!“

Während die meisten Yachten Richtung Heimat motorten, segelten 21 Yachten zur Nordseewoche-Edinburgh Wettfahrt in ein besonderes Abenteuer. Nach einem Start in der Flaute zwangen Starkwind und Kälte in der ersten Nacht vor allem kleinere Yachten zum Umdrehen. Die übrigen Yachten segelten einem extremen Sturmtief mit Böen über 50 Knoten und 8 Meter hohen Wellen entgegen. Die 57 Fuss große Reichel-Pugh Rennyacht „Scho-Ka-Kola unter Skipper Dr. Uwe Lebens erreichte das Ziel noch vor dem Sturm, dicht gefolgt von der Andrews 56 „Norddeutsche Vermögen Hamburg“, Skipper Georg Christiansen, die die Regatta berechnet über alles gewonnen hat.

„Mir hat es jetzt gereicht. Wir hatten eine ganz unangenehme Welle, vorsichtig gesagt. Zum Ende hatten wir 30-35 Knoten Wind und bis zu 4 Meter Wellengang. Ich drücke den restlichen Yachten ganz stark die Daumen“ Dr. Uwe Lebens fröstelte im Gedanken an die Überfahrt. „Es war schon in der Warmfront ziemlich kalt, aber letzte Nacht war es richtig schneidend kalt. Aber irgendwie war es eine tolle Nacht mit dem sternenklaren Himmel.“

Im folgenden Sturm erreichten nur noch 4 weitere Yachten Edinburgh: Die Frers 51 „Magic“ von Wellsailing unter Skipper Jan Hamester, die Pogo 40 „Pogo 1“ von Sailing Island unter Skipper Fabian Kennis und zwei Tage später die  Swan 441 „Charisma“, die den Sturm im Norden umsegelte. Die Winner 12 „Brainwash“ unter dem russischen Skipper Dimitry Gornyy hatte besonderes Pech, kurz vor dem Ziel zerrissen die Segel, so dass die Crew nur unter Motor außerhalb der Wertung Edinburgh erreichte.

Organisiert wird die Nordseewoche von der Regattagemeinschaft Nordseewoche e.V., der 9 Segelvereine aus Deutschland angehören. Die Nordseewoche ist die einzige, echte Hochseeregatta in Deutschland und größte deutsche Segelveranstaltung auf der Nordsee.

Mehr Informationen erhalten Sie auf der Internetseite der Veranstaltung unter www.nordseewoche.org

Pressekontakt:
Hans Genthe/Sören Reineke
Email: presse@nordseewoche.org

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert