In weniger als einer Woche beginnen die Segelwettbewerbe der Olympischen Spiele. Im DSV-Interview spricht Meeno Schrader, der Wetter-Experte der deutschen Segelnationalmannschaft, über extreme Wetterphänomene in japanischen Gewässern und die Herausforderungen für die Olympiasegler.
Herr Schrader, wie lässt sich das olympische Segelrevier von Enoshima beschreiben?
Es ist grundsätzlich nicht mit europäischen Revieren zu vergleichen. Das Segeln in den Subtropen ist etwas ganz anderes als nordeuropäische Bedingungen mit ihren typischen dynamischen Hoch- und Tiefdruckgebieten und ihren Fronten. Zu erwarten sind im japanischen Olympiarevier zu 83 Prozent schwache bis moderate Winde in einer Bandbreite von vier bis 14 Knoten Wind. So werden die meisten Segeltage aussehen. Das teilt sich in zwei Windsysteme auf. Eines ist großräumiger Gradientwind, der aber nur zu etwa 15 Prozent auftritt. Die allermeisten Szenarien basieren auf durch Thermik entstehenden Seewind, einem normalerweise recht effektiven Wind, der küstennah zirkuliert.
Ist dieser Wind für die Segler*innen und Segler gut berechenbar?
Jein. Nehmen wir zum Vergleich Kiel. Herrscht dort Seewind, ist er in der Regel in seinem Muster ganz gut berechenbar. Man kann ihn strategisch ausnutzen. In Japan ist das komplizierter. Das Szenario dort erinnert an das chinesische Revier von Qingdao bei den Olympischen Spielen 2008. Auch in Japan hat der Seewind aufgrund der großen Hitze im Hochsommer nicht die typische Chance, sich voll zu entwickeln. Die Hitze wirkt wie ein Deckel, lässt oft nur schwachen sehr löchrigen und stark schwankenden Seewind zu. Du denkst gerade noch: Was für schöne Quellwolken am Himmel, da kommt gleich richtig Seewind rein. Aber der kann sich einfach nicht durchsetzen.
Es ist zusätzlich mit extremen Wetterphänomen zu rechnen.
Man muss zum einen mit Flaute als Extremwetterereignis rechnen. Dazu kommen reale Taifun-, also Wirbelsturmgefahren. Grundsätzlich finden die Olympischen Spiele in der Hochzeit der Taifune statt. Natürlich trifft nicht jeder Taifun Tokio oder Enoshima, aber sie entstehen zu dieser Zeit und könnten Wettkämpfe bis zu zwei, drei Tage lahmlegen. Ein Taifun in oder nahe von Enoshima mit Winden von 60, 70 Knoten würde auf seiner Rückseite noch nach einem oder zwei Tagen bis zu drei Meter hohe Wellen mit sich bringen, die sich brechen. Das wäre nicht segelbar. Der Klimawandel wirkt sich auch hier aus: Taifune und Wirbelstürme kommen häufiger und werden massiver.
Wie lässt sich das Wellenbild vor Enoshima in „normalen“ Zeiten beschreiben?
Die Spreize, die am häufigsten anzutreffen ist, reicht von einem halben Meter bis 1,50 Meter Wellenhöhe. Zwei Meter bei 20 Knoten sind eher selten anzutreffen, kommen aber vor. Die Wellen passen nicht immer zu den gegebenen Windbedingungen. Das macht die Herausforderung schwieriger, aber auch interessant.
Inwieweit spielt Strömung eine Rolle im Olympiarevier?
Am ehesten wirkt sie sich auf der Innenbahn „Enoshima“ aus. Da ist Strömung ein Thema, und mit 0,2 bis 1,5 Knoten sehr, sehr variabel. Ich habe dort bei meinen Aufenthalten Bilder gemacht, auf denen man die Stromkanten gut erkennen kann. Es gibt auch eine Gezeitenströmung, die einen gewissen Einfluss hat. Aber weiter draußen auf den Außenbahnen ist sie kein großes Thema im Abgleich zu den anderen Parametern. Dort wiederum können Wasserwirbel auftauchen, die schwer erkennbar sind. Und Winddreher mit bis zu 30 Grad, manchmal wie aus dem Nichts.
Quelle: Deutscher Segler-Verband
Schreibe einen Kommentar