Olympia-Qualifikation: Justus Schmidt und Max Böhme ziehen Bilanz nach ihrer Niederlage

"Wir sehen uns nicht als Verlierer"

Das Duell um das Olympiaticket im 49er von Justus Schmidt und Max Böhme mit Heil/Plößel war das spannendste der vergangenen Jahrzehnte. Die Unterlegenen blicken zurück und voraus.

Die Europameister Justus Schmidt un Max Böhme haben ihre Freunde bis zum Äußersten gepuscht. © Marina Könitzer

Die Europameister Justus Schmidt und Max Böhme haben ihre Freunde bis zum Äußersten gepuscht. © Marina Könitzer

Die Ungerechtigkeit des Olympia-Systems, bei dem nur ein Boot pro Nation starten darf, wir am Fall der beiden deutschen 49er Teams deutlich. Beide haben die Qualität, in Rio eine Medaille zu gewinnen, aber nur ein Team darf fahren.

Umso erstaunlicher ist es, wie eng die Crews zusammen gefunden haben. Und das könnte die größte Stärke sein im Kampf um eine Olympia-Medaille. Während bei den anderen Nationen nach der Beendigung der Qualifikation die Verlierer eine Pause einlegen, wollen die beiden deutschen Teams bis zur Zielgerade weiter Vollgas geben.

Eine solche Konstellation ist einzigartig und gerade den Unterlegenen gebührt Respekt. Die Kieler wollen ihren Freunden helfen, das Edelmetall zu gewinnen. Und wenn es so kommt, haben sie einen großen Anteil daran.

Dass sie es ernst meinen, zeigt der Verzicht auf die Europameisterschaft der 49er, die gerade in Barcelona stattfindet. Normalerweise wollen die in der Olympiaquali unterlegenen Segler noch einmal etwas Zählbares mitnehmen, so wie Tina Lutz und Susann Beucke. Aber die Kieler haben ihren Plan jetzt gänzlich der Rio-Vorbereitung von Erik und Tommy untergeordnet.

Justus Schmidt, Max Böhme

Justus Schmidt und Max Böhme vor Palma. © Tomas Moya/Sailing Energy

Hier ziehen sie Bilanz:

Vor fast zehn Jahren haben wir uns als Team durch einen glücklichen Zufall getroffen und entschieden, gemeinsam im 29er durchzustarten. Vor ungefähr fünf Jahren wagten wir nach einer sehr erfolgreichen, gemeinsamen Zeit im 29er den Schritt aus dem Jugendboot hin zum olympischen 49er. Wir waren getrieben von der Leidenschaft am Segeln, dem persönlichen Ehrgeiz, eines Tages zu den Besten im 49er zu gehören, an den Olympischen Spielen teilzunehmen und von dort am besten auch noch eine Medaille mit nach Hause zu bringen.

Wie beinahe jedes Team haben wir den Umstieg in den 49er unterschätzt. Der Weg bis an die Spitze eines international hochkarätigen Feldes war länger, als wir uns das vorgestellt haben. Unser Teamzusammenhalt und unsere Motivation, die Zähne für sportlichen Erfolg zusammenzubeißen, wurde immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Und doch wurden wir nach vier harten Jahren für die investierte Arbeit belohnt. Es war die Saison 2015, wir segelten bei jeder Regatta in die Top-Ten, gewannen die Kieler Woche und fuhren am Ende auch noch den Europameistertitel ein.

Auf Augenhöhe

Der Kampf um das Olympia-Ticket war damit eröffnet, mit den Bonuspunkten für das Podium in der Tasche hatten wir uns in eine saftige Führung manövriert und boten den bis dahin absoluten Favoriten, unseren Freunden und Trainingspartnern, die Stirn. Wir kamen aus der Position des Underdogs, mussten niemandem etwas beweisen und segelten die beste Regatta unseres Lebens. Aus dem Kampf David gegen Goliath wurde damit ein Rennen auf Augenhöhe.

Im November des selben Jahres folgte die zweite Ausscheidungsregatta, die Weltmeisterschaft in Buenos Aires. Die Vorbereitungen liefen sehr gut, wir waren schnell und in guter Form. Dann wurde zunächst Justus in der Vorbereitung von den Keimen des vor Ort dreckigen Wassers heimgesucht und machte damit der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung einen Strich durch die Rechnung.

Während der Regatta war dann Max fällig, wir konnten – geschwächt von der Krankheit – nicht auf dem nötigen Level segeln und fuhren null Punkte für die Qualifikation ein. Erik und Thomas beendeten die Weltmeisterschaft auf einem guten fünften Platz und gingen damit in Führung beim Wettkampf um das Olympia-Ticket.

Der Showdown sollte also beim Finale vor Mallorca stattfinden. Mit vier Punkten Vorsprung waren Erik und Thomas für uns in Sichtweite. Für die Rio- Qualifikation durfte sich keines der Teams große Patzer erlauben. Derjenige von uns, der die bessere Regatta segelt, würde das Ticket lösen.

Denkwürdiger Tag

Nach dem ersten Tag lagen wir mit zwei zweiten Plätzen und einem Streicher leicht in Führung, Erik und Thomas folgten mit drei konstanten Ergebnissen unter dem Top Vier. Am darauf folgenden Tag lagen unsere Teams in der Gesamtwertung auf Platz vier und fünf.

Ein denkwürdiger Tag folgte am vierten der insgesamt sechs Renntage. Nach zwei Wettfahrten brachen wir uns in der Pause durch eine Unachtsamkeit den Mast. Kurzerhand überließ uns das britische Team James Peters und Fynn Sterrit ihr Boot. In der Zwischenzeit wurden Tim Fischer und Fabian Graf aktiviert, die ihrerseits die Rennen aufgaben und ihr Boot an die Briten weiterreichen konnten.

Wir profitierten damit von einem gigantischen Sportsgeist dieser beiden Teams, der seines gleichen sucht und bedanken uns für diese Aktion! Ohne ein solches Manöver hätte die Olympiaausscheidung für uns ein vorzeitiges Ende genommen und wäre niemals so spannend verlaufen.

Frühstart bringt die Entscheidung

Am Ende des fünften Tages hatte die Qualifikation ihren endgültigen Sieger gefunden: Wir fuhren an diesem Tag zunächst einen zweiten und sechsten Platz, machten es damit noch einmal spannend. Aber ein Frühstart im darauf folgenden Rennen machte den Vorsprung auf Erik und Thomas uneinholbar groß.

Im Medal-Race am darauf folgenden Tag war das Ergebnis also nur noch Kosmetik. Am Ende lagen wir mit Platz sechs in der Gesamtwertung genau einen Platz hinter Erik und Thomas – ein symbolisches Ergebnis für ein neunmonatiges Kopf-an-Kopf-Rennen um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio 2016.

Der Weg ist das Ziel

Trotz der nicht geglückten Qualifikation sehen wir uns nun nicht als Verlierer. In den vergangenen vier Jahren unserer Kampagne haben wir das Motto “Der Weg ist das Ziel“ wirklich gelebt und wurden Zeugen von echtem Teamgeist. Zusammen mit unserem Trainer Thomas Rein haben Erik, Thomas und wir es geschafft, eine Trainingsgruppe in der internationalen Weltspitze zu positionieren, die an dem internen Konkurrenzkampf nicht zerbrochen, sondern gewachsen ist.

Es ist uns nun ein persönliches Anliegen, die Jungs auf ihrem Weg hin zu olympischem Edelmetall zu unterstützen, während wir mit einem Auge schon Tokio 2020 ins Visier genommen haben.

Vielen Dank für die grandiose Unterstützung,
Justus und Max

Quelle: STG

3 Kommentare zu „Olympia-Qualifikation: Justus Schmidt und Max Böhme ziehen Bilanz nach ihrer Niederlage“

  1. avatar Sven 14Footer sagt:

    wirklich große Klasse!!!

  2. avatar Holger sagt:

    Ein herausragendes Beispiel und Ansporn für die deutsche Segeljugend !!!
    und das Gegenteil von dem erschütternden Bericht letzte Woche des Opti Aussteigers mit 14 der anscheinend keine Ziele mehr hatte und von diesen Aufhörern nach zu heftigem frühen übereifrigem Hype gibt es leider viel zu viele in GER.
    Max Böhme ist früher nur in Opti B gesegelt, Justus ein wenig bis A noch – dann aber als Team richtig und intensiv segeln gelernt im 29er, so wie z.B. auch Paul Kohlhoff und Caro Werner der im Opti auch nur in B unterwegs war bzw. Caro gar nicht.
    Es geht also auch mit Normalmaß und vor allem dem Spaß bei der Sache im Jugendsport – solche Segler bleiben dabei und darum gehts !
    und noch am Rande zur herausragenden sportlichen Einstellung von Justus & Max:
    nach dem Abi haben beide 1 Jahr ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Jugendarbeit im Kieler Yacht Cluib abgeleistet und in vorbildlicher Weise Knowhow weitergegeben an die nächste Generation von Jugendseglern.

  3. avatar Marina sagt:

    Super-sportlich! Ich bewundere Eure Einstellung, aber das hab ich Euch in Palma ja schon gesagt…
    Ich wünsche Euch ALLEN 4en noch weiterhin viel Spaß auf dem Weg nach Rio! Und natürlich beste Ergebnisse
    ;-)))

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