Olympia-Rücktritt der 49er-Champs: Erik Heil und Thomas Plößel erklären ihre Entscheidung

„Da redet man über etwa eine halbe Million Euro“

Zwei olympische Bronze-Medaillen, WM-Silber und unzählige Erfolge mehr haben Erik Heil und Thomas Plößel über zwei Jahrzehnte zu einer der erfolgreichsten deutschen Olympia-Crews gemacht. Über 7777 Tage haben der Steuermann und sein Vorschoter vom Norddeutschen Regatta Verein gemeinsam Regatten bestritten. Die erste wurde im Mai 2001 beim Tegeler Jüngstenfest mit Platz zwei belohnt, die letzte war die Weltmeisterschaft der olympischen 49er-Klasse in diesem Jahr. Jetzt beenden die Berliner ihre olympische Segelkarriere, konzentrieren sich auf Studium und Job. Gleichzeitig haben sie neue Segel-Engagements im Visier. 

Vor fünf Jahren veröffentlichten sie für Partner Red Bull ein bemerkenswertes Video über ihren Weg zum Erfolg:

 

„Wir hören nicht einfach auf, wollen neue Perspektiven schaffen“, sagt Erik Heil. „Wir sind weiterhin da und tragen unser Wissen in die nächste Generation, wollen uns für den Erfolg der anderen engagieren“, sagt Thomas Plößel. Zu diesem Vorhaben sind der 33-jährige Mediziner Erik Heil und der 34-jährige Ingenieur Thomas Plößel in Diensten von Reckmann Yacht Equipment mit ihrem Heimatverein und dem German Sailing Team im Gespräch. Die Idole der deutschen Skiff-Segler wollen „für die jüngeren Teams da sein“, ihnen den Weg ebnen und helfen, den Fokus zu schärfen.

Das Ziel war immer: besser als beim letzten Mal 

Die Entscheidung, 2024 nicht mehr selbst in Marseille bei den Olympischen Spielen anzutreten, fiel beiden Top-Athleten vom German Sailing Team schwer. Sie ist in diesem Jahr gereift. „Erik und ich sind ehrgeizig. Wenn wir starten, wollen wir was reißen, idealerweise besser sein als beim letzten Mal. Wir haben in diesem Sommer nach längerer berufsbedingter Pause erkannt, dass wir dieses Ziel nur mit einem Aufwand noch einmal erreichen könnten, der finanziell mehr als fordernd ist und nur bedingt mit unseren beruflichen Ansprüchen vereinbar wäre“, erklärt Plößel.

Erik Heil und Thomas Plößel in Enoshima © Sailing Energy / World Sailing

Ein ausschlaggebender Faktor war die Einführung neuer Materialien in der olympischen Skiff-Klasse 49er. „Wir haben in den letzten Jahren von unserem enormen Wissensschatz gezehrt, den wir mit unserem Team, unserem Coach Marc Pickel und unseren Trainingspartnern aufgebaut haben. Dann haben wir definiert, was notwendig wäre, um das Ziel ‚besser als beim letzten Mal‘ anzusteuern. Um den Höchststand auch mit dem neuen Material wiederherzustellen, um wirklich Olympia-Gold oder Silber ins Visier zu nehmen, wäre sehr viel Geld und ein full-time Einsatz erforderlich.

Thomas Plößel (33, l.) und Erik Heil (31) haben 2021 die zweite Olympia-Medaille im Visier. © Frithjof Schade

Da redet man über etwa eine halbe Million Euro über zwei Jahre. Über diese Herausforderung haben wir mit Verbänden, unserem Verein, unseren Partnern und innerhalb des Teams intensiv gesprochen. Und uns dann ehrlich eingestanden, dass wir diesen Kurs nicht noch einmal einschlagen können und wollen.“ Thomas Plößel ergänzt: „Es gibt auch andere Segel- und Lebensbereiche, die uns Spaß machen und fordern.“

„Die Professionalisierung war der richtige Weg“ 

Einer davon könnte in Zukunft ein deutsches SailGP-Team sein. Die deutschen Antreiber sind dazu weiter im Gespräch mit den Veranstaltern. Diese und weitere Ideen werden Erik Heil und Thomas Plößel als Top-Segler weiter aktiv halten. Sie verlassen die olympische Bühne mit einem weinenden und einem lachenden Auge. „Wir haben viel erreicht, unfassbar viel gelernt und hoffen, dass wir der nächsten Generation gute Perspektiven aufzeigen konnten und in Zukunft weiter können“, sagt Thomas Plößel.

Abgang beim Training vor Lanzarote 2021 . Steuermann Heil ist aus dem Trapez gefallen. © Frithjof Schade

„Wir sind auch unsere eigenen Wege gegangen, haben die Führung einer Olympiakampagne neu definiert. Anfangs haben es einige für übertrieben gehalten, dass wir mit Frithjof Schade einen eigenen Projektmanager hatten und uns sehr umfassend und nachhaltig aufgestellt haben. Am Ende war diese Professionalisierung der richtige Weg zu Erfolg“, erklärt Heil das Modell HP Sailing, das so lange so herausragend funktionierte.

Unvergessen bleiben das Rio-Finale und der legendäre Doppel-Salto

Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg war die von Heil und Plößel mit ihren Freunden und nationalen Konkurrenten Justus Schmidt und Max Boehme etablierte, enge und offene Trainingsgemeinschaft im Vorfeld der Olympischen Spiele 2016. Nur eine der beiden Crews konnte sich für Olympia qualifizieren, dennoch gingen sie den gesamten Weg als Einheit zusammen. Das erzeugte die Güte, die zum Gewinn der ersten Bronzemedaille zu Füßen von Rio de Janeiros Zuckerhut erforderlich war. Das Finale und der legendäre Doppelsalto der GER-Crew Heil/Plößel in die Fluten der Guanabara Bucht bleiben unvergessen.

Der erste große Glücksmoment ihres Lebens: Mit einem Rückwärtssalto von Bord feiern Erik Heil und Thomas Plößel 2016 vor Rio de Janeiro Bronze im 49er. Foto: Daniel Forster

Mit spanischen Trainingspartnern und Freunden Diego Botin Le Chever und Iago Lopez Marra wiederholten Erik Heil und Thomas Plößel ihr Erfolgsmodell der offenen und zielführenden Zusammenarbeit auf dem Weg zu den in Pandemiezeiten fordernden Olympischen Spielen 2020 in 2021 erneut erfolgreich. Im japanischen Revier von Enoshima erkämpften sie ihre zweite Bronzemedaille im spektakulär spannenden Finale.

Die erfolgreichste GER-Olympia-Crew der letzten zwei Jahrzehnte

Die Crew vom NRV Olympic Team hat ihren Weg stets selbstbewusst vertreten, scheute sich auch nicht, einmal anzuecken, wenn es um die optimale Vorbereitung auf Segelgroßereignisse ging. Am Ende waren sie mit zwei olympischen Bronzemedaillen das erfolgreichste deutsche Olympia-Segelteam der vergangenen zwei Jahrzehnte. Außer Jochen Schümann (3 x Gold, 1 x Bronze), haben nur acht deutsche Steuerleute oder Crew-Mitglieder in der Geschichte des deutschen Segelsports mehr als eine Olympia-Segelmedaille gewinnen können. Erik Heil und Thomas Plößel sind die Jüngsten in dieser Ausnahme-Liga.

Erik Heil Ohilipp Buhl Bundeswehr
Philipp Buhl und Erik Heil 2016 zusammen bei der Bundeswehr. © hp-sailing

Was sie beim wehmütigen Abschied vermissen werden? „Definitiv das Gefühl, in hochkarätigen Goldfleets vor dem Feld zu pendeln. Das Pushen in niveauvollen Rennen. Den Kampf, sich in einem Rennen von Position fünf noch nach vorne zu segeln. Einfach dieses Gefühl, wenn alles geht, dein Boot perfekt fährt“, sagt Thomas Plößel. Erik Heil nickt: „Dem ist nichts hinzuzufügen.“

Was den Segelsport von allen anderen Sportarten abgrenzt

Was ihnen der Leistungssport fürs Leben geschenkt hat? Erik Heil denkt kurz nach und sagt: „Viel, muss ich sagen. Das grenzt den Segelsport so wunderbar von allen anderen Sportarten ab: seine unfassbare Vielseitigkeit, seine unendlichen Möglichkeiten. Du bist nicht nur Leistungssportler, Du hast Dich um ein Projekt zu kümmern, zu dem Materialentwicklung auf hohem Niveau, Logistik, Reiseplanung, Ernährungsthemen und sehr viel mehr gehört.“

49er Meisterschaft
Die Deutschen 49er Meister Erik Heil / Thomas Plößel mit ihrem Jugendtrainer Michael Koster. © Marina Könitzer

Es sei unglaublich, so Thomas Plößel, wie sehr einen der Segelsport über den Tellerrand blicken lasse: „Ich merke jetzt in meinem Job, was der Sport, die Reisen in so viele Länder, der Kontakt mit den unterschiedlichsten Kulturen mir an Softskills wie beispielsweise eine gute Kommunikation und auch viel Wissen über mich selbst und einfach insgesamt fürs Leben gebracht hat.“

Heil Plößel
Das deutsche 49er Team mit den scheinbar unbesiegbaren Kiwis Burling/Tuke. © HP Sailing

Als komplementäre Charaktere haben Erik Heil und Thomas Plößel in ihrer olympischen Karriere auch voneinander profitiert. „Ich habe so viel von Erik gelernt“, sagt der Vorschoter, der es andersherum ganz ähnlich erlebt hat. Seitdem sie mit ihrem ersten wichtigen und weitsichtigen Trainer Michael Koster als Teenager in ihre Weltkarriere starteten, beflügeln sich Heil und Plößel bei aller Unterschiedlichkeit auf dem Wasser sehr effektiv. Die Idee der Olympischen Spiele leuchtet für beide weiter. Die Spiele waren und sind einer der wichtigsten Motivationsfaktoren für die einzigartige Karriere, in der Heil und Plößel nun ein großes Kapitel schließen, um neue zu öffnen.

Mit großem Dank an Familien, Förderer und Partner 

Ihren Dank richten die Sportler beim Abschied vom olympischen Powerplay an jene, die sie inspiriert, motiviert, begleitet, getröstet, beglückwünscht und beflügelt haben. „Ohne sie hätten wir dieses große olympische Segelkapitel in unserem Leben nicht so schreiben können, wie es möglich war“, sagt Erik Heil.

Deutsche 49er Teams
Zu viert Richtung Rio. Die legendäre Trainingsgemeinschaft der deutschen 49er 2015: (v.l.) Thomas Plößel Max Böhme, Erik Heil und Justus Schmidt. © Marina Könitzer

Das gilt den Eltern, Familien und Freunden von Erik Heil und Thomas Plößel. Aber auch dem Tegeler Segel-Club für die Jugendausbildung, dem Norddeutschen Regatta Verein mit seinem NRV Olympic Team in Hamburg, dem Deutschen Segler-Verband mit dem German Sailing Team, der Bundeswehr, der Sporthilfe und Team Hamburg. Es gilt Power-Partner Red Bull, dem Fleischgroßmarkt Hamburg, der Salzbrenner KG, MACS Shipping, Mattfeld, Flaxta und Zhik. „Die Partnerschaften haben uns sehr vieles ermöglicht, auf das wir stolz sind und das wir gerne geteilt haben“, sagt Thomas Plößel.

Quelle: HP-Sailing

Bilder einer langen erfolgreichen Karriere:

Heil/Plößel im Doppeltrapez 2020. Der Vorschoter trimmt die Großschot. © DSV/Lars Wehrmann
Erik Heil (l.) und Thomas Plößel (r.) 2020 mit Hamburgs Innen- und Sportsenator Andy Grote und Philipp Buhl. © Sven Jürgensen/NRV
Heil/Plößel, Rio
Der deutsche 49er 2014 unter dem Zuckerhut. © Heil/Plößel
heil ploessel
Erik Heil und Thomas Plößel 2014 beim Sling Training in ausgefallener Kulisse. © Heil/Plößel
Heil Ploessel Interview
Erik Heil und Thomas Plößel (r) geben Einblicke in ihre 49er Olympia-Kampagne (2014). © SegelReporter
heil ploessel
2014 Test eines Leichtwind Outfits für Rio. © Heil/Plößel
Medienpreis 2012: Erik Heil 49er Abflug
STG Medienpreis 2012: Erik Heil breitet die Arme bei einer Kenterung aus, 470er Coach Marek Chocian fotografiert. © Marek Chocian/STG
Erik Heil (l.) und Phikipp Buhl im ZDF Sportstudio
Erik Heil (l.) und Phiipp Buhl 2013 im ZDF Sportstudio mit Michael Steinbrecher. Jochen Schümann ist live zugeschaltet.
Erik Heil oben ohne.
Erik Heil 2013 oben ohne. Er stülpt die Taschen um und wirbt erfolgreich für die Finanzierung der Teilnahme beim Red Bull Youth America’s Cup.  © All In Racing
Erik Heil und Thomas Thomas Plößel 2010. © Heil/Plößel

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