Die ORC Worlds 2023 beginnen mit einer Mischung aus Spannung und Sorge. Mit Vorhersagen von Spitzenböen über 50 Knoten bereiten sich die Crews intensiv auf extreme Bedingungen vor. Während einige Teams ihre Teilnahme überdenken, sind andere fest entschlossen, sich den Herausforderungen zu stellen.
Nach dem Practice Race am Sonntagnachmittag, in dem sich die Crews zum Teil sehr ungeduldig zeigten und Massenfrühstarts in Serie produzierten, kehrten die Mannschaften mit dem fokussierten Blick auf die Wetterprognosen für die kommenden beiden Tage in den Olympiahafen von Schilksee zurück. Vorhersagen mit Spitzenböen von über 50 Knoten für Montag ließen die Teams bereits in den vergangenen Tagen über einen ungemütlichen Start in die WM diskutieren. Die Vorbereitung der Yachten auf schwerstes Wetter standen im Vordergrund, einige Crews hatten zuvor intensive Termine beim Segelmacher.
Die Crew der „Katima“, der Swan 45 von Jan Opländer (Flensburg), blickt skeptisch dem Montag entgegen. „Wir warten ab, wie sich das Wetter entwickelt, und machen davon abhängig, ob wir an den Start gehen. Es geht uns nicht darum, irgendwem etwas zu beweisen. Wir wollen das Material nicht riskieren. Wir sind für die WM gut vorbereitet, aber bei 50 Knoten haben wir doch Fragezeichen“, sagte der „Katima“-Eigner Opländer.
Einige Liegeplätze weiter am Steg, an Bord der „Halbtrocken 4.5“ von Michael Berghorn (Kiel), freute man zunächst einmal über das gelungene Practice Race im leichten Wind. „Es war ein bisschen die Ruhe vor dem Sturm und ein toller Blick auf dem Wasser auf diese Flotte der großartigen Boote“, so Berghorn, der Weltmeister von 2021, der aber auch zugab: „Natürlich sind alle ein bisschen aufgeregt und gespannt, was die nächsten Tage angeht. Aber wir haben gut trainiert und unser Boot ist sehr erprobt. Der Voreigner ist damit zweimal das Sydney-Hobart-Race gesegelt, die Yacht kann viel Wind. Wir werden annehmen, was uns die Wettfahrtleitung serviert.“ Allerdings bereitete ihm der Wasserstand im Olympiahafen etwas Kopfzerbrechen. Da der angekündigte Sturm das Wasser aus der Kieler Förde drücken dürfte, fürchtete er mit 3,30 Meter Tiefgang Probleme beim Auslaufen zu bekommen.
Für diverse Crews stand in den vergangenen Tagen der Weg zum Segelmacher auf dem Programm. Sowohl die „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berlin) als auch die „Patent 4“ von Jürgen Klinghardt haben jeweils noch ein zweites Reff für die Großsegel einziehen lassen, um die Segelfläche maximal reduzieren zu können. „Sollte es ganz hart kommen, dann haben wir auch noch das Trysegel dabei“, sagte Oliver Voss aus der „Patent 4“-Crew. Und auch Jens Kuphal stellte klar: „Wir haben alles getan, um für den Sturm gewappnet zu sein. Es wird trotzdem hart.“
In der Steuermannsbesprechung stellte Eckart Reinke als Principal Race Officer die Planung für das erste Rennen vor. Statt der ursprünglich geplanten Langstrecken-Wettfahrt über Nacht wird nun ein Inshore-Race über rund 20 Seemeilen gesegelt. Die Startzeit um 11 Uhr am Montag vor dem Kieler Yacht-Club in der Kieler Innenförde bleibt. Das trifft auf Zustimmung bei den Teams, die eine Nacht-Wettfahrt im Sturm vermeiden wollen: „Wenn man eine so extreme Vorhersage sieht, mit Böen von bis zu 50 Knoten, gibt es keinen Unterschied zu 28 Knoten auf einem Boot wie diesem, wo wir am Limit sind. Ich denke, wir haben uns im ORC-Rennsport im Mittelmeerraum, in Newport und anderswo auf der Welt dahingehend entwickelt, dass wir Küstenrennen bevorzugen und nicht nach Kap Hoorn fahren müssen“, sagte Gavin Brady (Neuseeland), Taktiker auf Karl Kwoks TP 52 „Beau Geste“ (Hongkong), die als WM-Titelverteidigerin an den Start geht. Diese Ansicht teilte man auf der „Outsider“, der TP52 von Tilmar Hansen (Kiel), die nach zwei Vize-WM-Titel nun nach der großen Trophäe greifen möchte: „In den letzten Tagen gab es kein anderes Thema als das Offshore Race. Ich habe noch nie so viele orange-farbene Segel im Hafen gesehen. Auch wir haben unser Try-Segel getestet. Es wird darum gehen, unfallfrei über den Parcours zu kommen. Wir fühlen uns gut vorbereitet. Ein Nicht-Start ist keine Option. Aber die Entscheidung, statt der Langdistanz ein Coastal Race zu segeln, geht in die richtige Richtung.“
Für Bruno Finzi (Italien), den ORC-Präsidenten, hat das wechselhafte Wetter in den kommenden Tagen mit dem stürmischen Auftakt ein großes Plus: „In unserem Namen ORC steckt der Begriff Offshore, und bei der Weltmeisterschaft suchen wir die Mannschaften, die in der Lage sind, bei allen Bedingungen zu segeln und nicht nur bei Leichtwind. Diese Woche gibt uns die Chance, die Crews zu Weltmeistern zu küren, die die besten Allrounder sind.“
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