Das Problem der alten Kunststoffschiffe wird weltweit immer gravierender. Man kann daraus Zement oder Ferienhäuser machen. Wie sich die Situation auf dem deutschen Markt darstellt.
Joghurtbecher spült man gemeinhin einfach kurz aus, wirft sie in den gelben Sack, der alle zwei Wochen an der Haustür abgeholt wird, oder man sammelt sie im Keller und bringt sie gelegentlich zum Wertstoffhof. „Joghurtbecher“ ist aber auch die verächtliche Bezeichnung für Kunststoffschiffe, wenn ein Vereinshafen von einem traditionsorientierten Vorstand geführt wird. Wohin aber mit alten GFK-Booten, wenn sie am Ende sind? Sind sie schwimmender Sondermüll – oder einfach wie Joghurtbecher irgendwo abzugeben?
Schon 2016 schrieb die WELT über das Thema Bootsabfall: 500.000 Deutsche hätten ein Boot, davon 80 Prozent im Inland. Seit den 1970er Jahren hat GFK als Bootsbaumaterial die Branche revolutioniert. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 50 Jahren müssten die jetzt Jahr für Jahr auf dem Schrottplatz, respektive Wertstoffhof aufschlagen.
Denn eine halbe Million Boote mit einer Lebensdauer von 50 Jahren würde zu 10.000 Booten führen, die jährlich zu entsorgen wären … Dass nur 80 Prozent davon im Inland vorhanden sei sollen, führt nicht an der Erkenntnis vorbei, dass eine dieser Zahlen nicht stimmen kann. Ein jährlicher Bedarf an entsorgungsbedürftigen Plastikbooten in fast fünfstelliger Zahl ist (noch) nicht sichtbar – oder müsste mit explodierender Wucht auf die Branche zukommen.
Doch eigentlich wurde den Käufern von GFK-Booten eine ewige Lebensdauer versprochen. Viele Hersteller existieren jedoch längst nicht mehr. Eine Rückgabe am Nutzungsende wie bei Elektrogeräten ist weder möglich noch geregelt. Der Eigner müsste sich hier also selbst um eine Lösung des Problems kümmern.
Recycling-Programm in Frankreich
Ein Recycling-Programm hat der französische Verband der Wassersportwirtschaft (FIN), das Pendant zum Bundesverband Wassersportwirtschaft (BVWW), jüngst aufgelegt. Schon seit 15 Jahren befassen sich die Franzosen damit, was aus alten, vergammelten Schiffen werden soll – und welcher Bedarf da besteht.
In einer Testphase wurden rund 2.500 Boote abgewrackt. Die Erfahrungen hielten Einzug in das aktuell propagierte Verfahren. Dies besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: einem umfassenden bürokratischen Verfahren – und der kompakten Beschreibung, was mit dem alten Kahn passiert.
Denn einerseits wollen die Franzosen sichergehen, dass nur Boote, die in ihrem Schiffsregister eingetragen sind, „verschrottet“ werden – und andererseits muss am Ende des Prozesses eine entsprechende Bescheinigung stehen, die die Löschung des Bootes aus dem Register erlaubt.
Eigner bezahlt Transport
Hat der Eigner eines alten Bootes die Anmeldeprozedur erfolgreich absolviert, muss er sich um den Transport zu einem zertifizierten Entsorger kümmern. Er kann sein Boot selbst dorthin bringen, ein Unternehmen damit beauftragen oder den Transport dem Entsorger überlassen. Die Transportkosten gehen zu Lasten des Eigners des „verblichenen“ Bootes. Die Entsorgungszentren sind indes in Frankreich vor allem ungleich verteilt: Im Binnenland sind es nur wenige, in der Bretagne zahlreiche.
Dort wird ein angeliefertes Boot erst einmal ausgeschlachtet: Lassen sich Teile noch auf dem Gebrauchtmarkt verwerten? Dann werden die stofflichen Fraktionen zerlegt – soweit es geht. Der Rumpf wird schließlich „thermisch recycliert“ – also in einem Zementwerk als Brennstoff verheizt. Für den ehemaligen Eigner fallen für die eigentliche Entsorgung auf diesem Weg keine Kosten mehr an.
Der Bedarf ist groß: Der französische Verband rechnet mit 25.000 bis 30.000 Booten, die in den nächsten fünf Jahren entsorgt werden – eine Größenordnung, die für Deutschland derzeit kaum vorstellbar ist.
Diskussion in den Niederlanden und Deutschland
„Das Recycling-Thema ist bei uns eine sehr große Diskussion“, sagt Geert Wijma, Chef der Yachtwerf Heeg über dieses Thema in den Niederlanden, „das wird auf uns zukommen.“ Seit 1962 baut Heeg die Dreimannjolle „Randmeer“ aus GFK, aktuell ist man bei der Baunummer 2000. Eigentlich hatte er erwartet, dass die ersten Jollen längst verschwunden sind. „Aber die Baunummern eins, zwei, drei und vier schwimmen noch“, hat der Werftchef überrascht festgestellt. „Wir haben die Pflicht, eine Lösung zu finden. Aber ich glaube nicht, dass die schwierig ist“, so der Niederländer.
Dass in Deutschland viele alte Kähne vor sich hingammeln, ist nicht wirklich an der Tagesordnung. Hier gibt es kaum einen Platz, an dem nicht irgendjemand Liegegebühren kassiert. Händler und Hafenbetreiber haben einen guten Überblick in Sachen Bootsbestand.
Immer wieder kommt es vor, dass ein paar Boote ungenutzt herumstehen und verrotten. Die Gründe dafür sind schnell ausgemacht: Ungepflegte Schiffe, ausstehende Liegeplatzgebühren, Verkaufsvorstellungen zu unrealistischen Preisen. Solche Boote will jeder schnell wieder „vom Hof“ haben.
Einerseits bringen sie auf knapper Fläche kein Geld, andererseits sind sie kein schöner Anblick. Gerne ist man da behilflich, um halbwegs brauchbare Schiffe noch nach Osteuropa zu vermitteln. Dort ist der große Zeitaufwand für die Sanierung eines Bootes deutlich günstiger.
„Refit“ als Zwischenlösung
Schrott oder Liebhaberstück? Immer wieder werden Boote von Gutachtern als „wertlos“ deklariert. Mit gewöhnlichen Werftlöhnen deutscher Betriebe ist so manches Boot tatsächlich nicht zu restaurieren. Doch Liebhaber sind da anderer Ansicht und legen selbst Hand an. Der Spaß am Basteln steht im Vordergrund. „Refit“, die Sanierung von alten Kunststoff-Yachten, ist seit Jahren ein großes Thema und wird auch auf fast jeder Messe präsentiert.
Vehement für den Erhalt der ältesten Plastikboote setzt sich der Verein „GFK-Klassiker e.V.“ ein. 2012 wurde er gegründet, führt regelmäßig Treffen durch und bietet durch Informationsaustausch auch Unterstützung beim Refit.
Fokussiert ist man dabei auf Yachten, die älter als 30 Jahre sind und aus einer Zeit stammen, als noch „die Optik höher bewertet wurde als das Raumangebot“, und die sich deutlich von zeitgenössischen Trends absetzen. Der Erfahrungsaustausch ist hier ganz wichtig, alte Dokumente sind auch nicht mehr überall zu finden. Beim letzten Treffen in Maasholm an der Schlei sind run 50 Eigner mit ihren Yachten, überwiegend aus den 1970er-Jahren, erschienen.
Boote zersägen ist kein Traumjob
Die Entsorgung von Booten hatte Bootsbauer Marian Hanke am oberbayerischen Ammersee vor einigen Jahren noch im „Portfolio“. Etwa eine Tonne zu entsorgendes Material kam im Monat zusammen, heute sind es nur noch ein bis zwei Tonnen pro Jahr.
Alte 420er-Rümpfe, Flying Cruiser oder auch mal ein H-Boot waren da dabei. „Das ist mal vom Trailer gefallen und stand dann schon zehn Jahre auf einem Hof herum“, erinnert sich Hanke. „Ab und zu ein Schiff zerschneiden, das geht schon mal. Aber das macht nicht wirklich Spaß. Wir bauen lieber neue Boote“, so der Bootsbauer frei heraus.
Die Entsorgung gehört inzwischen nicht mehr zu seinen Schwerpunkten. „Aber der Bedarf wäre da.“ Selber demontieren, mit der Flex oder der Stichsäge zerschneiden, und die Stücke als Sperrmüll auf dem Wertstoffhof abgeben, wäre seine Empfehlung.
Versteckte Entsorgungsspezialisten
Nach einiger Suche, insbesondere durch Herumfragen bei älteren Clubfunktionären, findet man hin und wieder Spezialisten für die Entsorgung von Booten. Die hängen das aber nicht gerne an die große Glocke – weil sie dafür keine größeren Kapazitäten haben oder bereitstellen wollen. Und in einem Fachmagazin wollen sie ihren Namen in diesem Zusammenhang dann auch nicht lesen.
Auch größere Boote, deren Teile nicht mehr in der Mülltonne Platz hätten, werden da zerlegt. Der Innenausbau muss raus, Holz und Metall (vor allem im Kiel) werden mit der Motorsäge herausgeschnitten und -getrennt. Motor und Tank werden ausgebaut, Treibstoff, Öl, Batterien und andere Flüssigkeiten sachgerecht entsorgt.
Für Wellenböcke gibt es manchmal sogar noch etwas Geld, denn die sind meist aus Bronze. Der Rumpf kommt schließlich in einen Container (ca. 8 x 2,5 Meter) eines Entsorgers. Ist ein Schiff etwas länger, so wird einfach ein Stückchen vom Rumpf abgesägt. Wenn also irgendwo Bugspitzen wie Hirschgeweihe an der Wand hängen – dann kann man sich den Rest der Geschichte dazu denken.
Den nackten GFK-Rumpf nehmen Entsorgungsfirmen gegen eine Gebühr von etwa 250 Euro pro Tonne (da sind schweres Eisen oder der Blei-Kiel ja schon weg) entgegen. Dieser Container wird zur Müllverbrennungsanlage gebracht, wo das trockene, gut brennende GFK gerne mit einem großen Greifer stückweise abgeknabbert und zugefeuert wird, denn oft ist der normale Restmüll so feucht, dass er nicht mehr vernünftig brennt.
Fazit
Sicher werden mit zunehmender Zeit auch bei uns immer mehr GFK-Boote ihre letzte Fahrt zum Entsorger antreten. Doch das Trennen und Sortieren der Bestandteile sowie sachgerechte Entsorgung oder Weiterverwendung stellen kein grundsätzliches Problem dar.
Derzeit ist es eher so, dass diese Aufgabe in vielen Bereichen eher ein Nebengeschäft ist. Ein Entsorgungsstau ist hierzulande nicht erkennbar. Und da es keine staatlichen Anreize für einen Wechsel von Alt auf Neu gibt wie seinerzeit im Kfz-Bereich durch die Abwrackprämie, wird das Thema auch nicht plötzlich problematische Dimensionen annehmen. Wachsen wird die Aufgabe sicherlich, denn der Markt für alte, spottbillige Boote dürfte schnell gesättigt sein.
Nachwachsende Rohstoffe im Bootsbau wirken sich zwar an der Stellschraube CO2-Footprint aus, jedoch nicht beim Thema Entsorgung am Ende eines langen Lifetime-Zyklus. So ganz stimmt es also nicht, wenn jemand von einem Haufen „schwimmendem Sondermüll“ spricht. Der ist eher in den Tiefen der Backskisten zu finden, wo die Eigner diverse Schätze wie Lacke, Öle, Putzmittel, Medikamente und Pyrotechnik jahrzehntelang bunkern.
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