SailGP: Irres Finale in Dubai – Spithills Fehler auf der Ziellinie – Heil disqualifiziert

Der fast perfekte Abschied

James Spithill hat nach einem spektakulären Finish seinen Rücktritt als SailGP-Steuermann erklärt. Dabei verschenkte er den Sieg durch ein Zucken am Steuerrad in letzter Sekunde.

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Es geht um Millimeter. Aussie Ersatzsteuermann Jimmy Spithill steckt mit dem australischen F50 zwischen Kanada und Neuseeland fest. Er musst Peter Burling die Innenposition überlassen, ihm ausreichend Platz für die finale Tonnenrundung geben und gleichzeitig die Vorfahrt gegenüber dem außen liegenden Kanada-Steuermann Phil Robertson behaupten.

Der hält sich nicht ausreichend frei, Spithill drückt den Protestknopf und prompt nimmt  Chief-Umpire Craig Mitchell die Kanadier mit einer Strafe aus dem Rennen.

Die Adrenalin Lounge neben der Ziellinie. © Adam Warner/SailGP

Nun geht es kaum drei Bootslängen entfernt von der Tribüne und der “Adrenalin Lounge”, wo die Dubai-Scheichs sitzen, darum, das Duell mit den Kiwis zu gewinnen. Die haben zwar im Moment der Tonnenrundung Vorfahrt, aber danach müssen sie Spithill ausweichen.

Moment der Entscheidung im Dreier-Finale von Dubai. Spithill (m.) luvt Burling. © Felix Diemer/SailGP

Der behauptet während der Drehung um die Tonne mit seinen Bugspitzen eine Lee-Überlappung zum Kiwi-Kat und sichert sich damit nach der Rundung das Luvrecht. Dabei darf er bis in den Wind luven und damit seine Gegner von der Ziellinie weghalten.

Spithill nimmt sein Recht wahr und startet die Attacke. Er darf allerdings nicht zu sehr am Rad drehen, muss dem Gegner genug Platz zum Ausweichen geben. Das Manöver funktioniert. Der Australier kann entscheiden, wann er für den Sieg ins Ziel abdreht. Er tut es auch – aber anstatt einfach die Linie zu queren, zuckt er erneut am Steuer, luvt erneut, versucht Burling in die Falle zu locken und einen Penalty zu erreichen. Der erwartet aber den Angriff, behält minimal mehr Speed im Boot, löst die Überlappung und dreht vor den Australiern ins Ziel. Für Spithill ein verschenkter Sieg.

AUS attackiert NZL mit einem Luvmanöver nach der finalen Tonnenrundung Zentimeter vor der Ziellinie. NZL darf nicht zur Linie abfallen. Mit dem gleichen Speed von 13.2 km/h müsste AUS nur zum Ziel drehen, um zu gewinnen. CAN ist mit einem Penalty bestraft und aus dem Rennen…

…Aber AUS luvt erneut, versucht NZL zu erwischen und ein Foul zu provozieren. Dabei ist die Bugspitze nur Zentimeter von der Ziellinie entfernt. AUS verliert im Vergleich zu NZL aber zu viel Speed. NZL ist im Begriff die Überlappung zu lösen…

…und kann den Backbord-Bug vor AUS ins Ziel drehen.

Aus einer anderen Perspektive von hinten (Video) ist auch der zweite Schlenker von Spithill zu erkennen, mit dem er zu viel Fahrt aus dem Boot nimmt und das Duell verliert. Allerdings fehlt auch nicht viel, dass der Chief Umpire die Kiwis mit einer Strafe belegt. Er könnte entscheiden, dass sie nicht ausreichend ausgewichen sind. Aber nach dem Ziel bleibt Mitchell stumm. Der Kiwi- Sieg ist perfekt.

Blair Tuke beschwert sich bei James Spithill, dass dieser gleich zwei Luv-Attacken startet – und hat wohl Angst vor einer Disqualifikation. © Ricardo Pinto for SailGP. Handout image supplied by SailGP

Das spannende 9 Minuten Finale ab dem Start:

Dass eine Entscheidung im Bruchteil einer Sekunde über Sieg und Niederlage bei dieser Regatta entscheidet, bestätigt wie positiv sich das neue SailGP-Format entwickelt hat. Das Wochenende in Dubai zeigte so viel spannende Rennen und das knappste Dreier-Finale überhaupt. Die Veranstaltung macht damit beste Werbung für sich selbst.

Dabei ließ der leichte Wind in Dubai zum Finaltag nichts Gutes erwarten. Normalerweise wären die Katamarane in Zeitlupe umhergetrieben. Aber rechtzeitig zum Showdown standen die großen 29 Meter Segelflügel wieder zur Verfügung, die nach dem erschreckenden Crash auf dem neuseeländischen Boot italienischen Trento aus dem Verkehr gezogen worden waren. Am Sonntagmorgen beschlossen die Teams gemeinschaftlich, auf allen Kats den größten von drei Flügeln zu riggen. Damit hoben sich die Boote auch bei Leichtwind auf ihre Foils und lieferten spektakuläre Segelmomente.

Die F50-Flotte an ihren Moorings in Dubai, nachdem die riesigen 29 Meter Flügel geriggt wurden. © Felix Diemer for SailGP

Die Crews mussten zudem ihre Fähigkeit zeigen, auch in den Manövern auf den Tragflächen zu bleiben. Das stellte insbesondere die Newcomer-Teams, wie auch Deutschland, vor große Probleme. Die fehlende Erfahrung mit der ungewohnten Besegelung machte sich bemerkbar.

So ist es kein Wunder, dass sich drei der erfahrensten Skipper dieser SailGP-Serie für die Endrunde qualifizieren. Allerdings schafft Spithill nach grandiosem Auftakt am Samstag mit der Serie 3/1/3 doch nur auf Messers Schneide in das Finale.

Beim Start des fünften Rennens missglückt ihm das Timing zur Linie vollkommen, er muss abstoppen, als die Gegner auf ihren Foils beschleunigen, und erreicht die erste Marke nur auf dem letzten Platz. Der würde nicht ausreichen, um auf die Top-Drei zu erreichen.

Zwei Plätze muss er mindestens aufholen. Einen Punkt gewinnt er, weil Ben Ainslie für einen “Reindrängesstart” in Luv der Linie disqualifiziert wird. Ein unnötiges Risiko des Engländers, dem wohl ein fünfter Platz für die Qualifikation ausgereicht hätte.

Die Lücke an der Linie schien groß genug. Allerdings hatte er offenbar nicht mit dem Verhalten des neuen US-Steuermanns Taylor Canfield gerechnet. Der Doppelweltmeister im Match Race folgte offenbar einem Reflex, lieber die Lücke in Luv dichtzumachen, als zu beschleunigen. Er hätte wohl den drittbesten Start haben können, entschloss sich aber zur Attacke.

Phil Robertson freut sich über den GBR DQ. Das wird unter Seglern nicht gerne gesehen.

Damit macht Canfield von Anfang an bei seiner Premiere als F50 Steuermann klar, dass es  nicht unbedingt sein Ziel ist, sich Freunde auf der SailGP- Tour zu machen. Der Erfolg gibt ihm Recht. Schließlich schiebt er sich in diesem Rennen mit dem unerfahrenen Team, dessen Flight-Controller und Wing Trimmer noch keine Einsätze beinm SailGP hatten, doch noch auf Platz drei vor und in der Gesamtwertung auf den drittletzten Platz 8 – ein schöner Erfolg.

Ainslie dagegen ärgert sich über den Schiedsrichter-Call, den er für eine 50/50 Situation hält. “Das US-Team wollte uns natürlich abschießen, und die Schiedsrichter entschieden sich, uns zu disqualifizieren. Das war eine wirklich harte Entscheidung. Aber so ist der Sport. Manchmal läuft es gegen dich und du musst es einfach hinnehmen.” Und Canfields Verhalten dürfte ihm nicht fremd sein.

Spithill fehlte dennoch ein Punkt, um sich für die Top Drei zu qualifizieren. Und es gelang dem Aussie Team lange nicht, vom letzten Platz aufzuholen. Erst beim letzten Manöver auf dem finalen Vorwindkurs gelingt es ihm Spanien zu überholen und damit die Qualifikationsphase auf Rang zwei abzuschließen.

Eine gute Leistung von dem gebürtigen Australier, der mit seiner amerikanischen Frau in San Diego lebt und seit 21 Jahren nicht für sein Heimatland gesegelt ist. Sie zeigt aber auch, wie gut die australische Crew ist, dass sie einen Steuermann-Wechsel nahezu problemlos kompensieren kann.

Spithill verkündet nach dem Final-Thriller offiziell seinen Abschied als SailGP-Steuermann. Der 44-Jährige, der sich in Diensten des America’s Cup Teams Luna Rossa befindet, will zwar für die nächste Saison ein italienisches SailGP aufbauen aber nicht selbst am Steuer sitzen. In seinem finalen Statement bestätigt er, dass es in Italien genügend Talente gibt, diesen Job auszufüllen.

Zuletzt hatte der dreifache Optimist-Weltmeister Marco Gradoni (19) neben Nacra17 Olympiasieger Ruggero Tita (31) eine fulminante Premiere am Luna Rossa AC40 Steuer abgeliefert und war bei der America’s Cup Vorregatta in Dschidda sensationell hinter den Kiwis mit Peter Burling auf Platz zwei gesegelt. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Spithill auch beim America’s Cup nicht am Steuer des Luna Rossa Cupper steht.

Mit viel Spannung war in Dubai auch der fünfte Auftritt des deutschen Teams um Steuermann Erik Heil erwartet worden. Die Flachwasserbedingungen sollten für die Newcomer-Teams einfacher zu beherrschen sein, weil ohne Welle das Flight-Controlling einfacher wird.

Aber diese Hoffnung ließ sich für die Crew schon nach dem ersten Tag nicht mehr erfüllen. Eine verunglückte erste Halse im ersten Rennen und eine Disqualifikation nach Ainslie-Vorbild im folgenden führte zu einem mühsamen Auftakt, gefolgt von einem hoffnungsvollen fünften Platz. Aber ein Frühstart im vierten Lauf und etwas Verspätung an der Linie im nächsten verhinderten eine Verbesserung des vorletzten Platzes.

Heil erkennt dennoch “gigantische Fortschritte” und sieht eine steile Lernkurve. Allerdings gebe es noch Defizite bei besonderen Bedingungen. So waren die Rennen am Samstag noch mit der mittleren Flügelgröße (24 Meter Höhe) gesegelt, die Crew aber von maximal sechs auf vier reduziert worden. Das geringere Crewgewicht soll früheres Foilen ermöglichen, aber die Aufgaben werden auf weniger Crewmitglieder verteilt. “Da brauchen wir noch mehr Übung”, sagt Heil. Mit dem großen 29 Meter Flügel am Sonntag wurde es dann noch schwieriger, auch wenn wieder fünf Segler an Bord waren.

Weiter geht es beim nächsten Event am 13./14 Januar in Abu Dhabi bei der siebten von zwölf Regatten der vierten Saison. Das deutsche Team steht am Ende der Tabelle, aber ganz vorne thront Australien vor Dänemark und nun Neuseeland. Die Kiwis haben mit ihrem Sieg England und die USA überholt und rangieren nun auf dem wichtigen dritten Platz, der am Ende der Saison zu der Teilnahme am Millionen-Dollar-Finale berechtigt.

Die gesamte Übertragung 2. Tag:

1.Tag:

 

Dubai Final Results
1. New Zealand (Peter Burling), 6-2-4-2-4-(1), 37 Punkte (nach den Fleetraces)
2. Australia (Jimmy Spithill), 3-1-3-4-8-(2), 36
3. Canada (Phil Robertson), 1-3-8-7-1-(3), 35
4. France (Quintin Delapierre), 2-4-7-5-2, 35
5. Great Britain (Ben Ainslie), 5-7-1-1-10, 30
6. Denmark (Nicolai Sehested), 4-5-10-3-5, 28
7. Switzerland (Sebastien Schneiter), 7-6-6-6-6, 24
8. United States (Taylor Canfield), 8-9-9-9-3, 17
9. Germany (Erik Heil), 9-10-5-8-7, 15
10. Spain (Diego Botin), 10-8-2-10-9, 15

Season Standings (after six of 13 events; results and total points)
1. Australia (Tom Slingsby/Jimmy Spithill), 2-3-2-2-3-2; 52 points
2. Denmark (Nicolai Sehested), 4-2-4-7-2-6; 41
3. New Zealand (Peter Burling), 1-7-8-DNC/6-4-1; 40
4. Great Britain (Ben Ainslie), 7-6-1-1-8-5; 38
5. United States (Jimmy Spithill/Taylor Canfield), 9-5-5-3-1-8; 35
6. Spain (Diego Botin), 5-1-3-6-6-10; 33
7. Canada (Phil Robertson), 3-4-10-5-5-3; 32
8. France (Quintin Delapierre), 6-8-6-4-7-4; 31
9. Switzerland (Sebastien Schneiter), 8-9-9-9-7; 15
10. Germany (Erik Heil), 10-10-7-8-9-10-9; 10
Notes:
• Canada SailGP Team: Docked four points in Season Championship for eight-point penalty at France Sail Grand Prix | Saint-Tropez
• Germany SailGP Team: Docked two points in Season Championship for four-point penalty at Oracle Los Angeles Sail Grand Prix
• New Zealand SailGP Team: Granted six event points for Italy Sail Grand Prix as unable to compete due to wing damage suffered at France Sail Grand Prix.

Season 4 – 2023
June 16-17 – United States Sail Grand Prix | Chicago at Navy Pier
July 22-23 – United States Sail Grand Prix | Los Angeles
September 9-10 – France Sail Grand Prix | Saint-Tropez
September 23-24 – Italy Sail Grand Prix | Taranto
October 14-15 – Spain Sail Grand Prix | Andalucía- Cádiz
December 9-10 – Dubai Sail Grand Prix | Dubai*

Season 4 – 2024
January 13-14 – Abu Dhabi Sail Grand Prix | Abu Dhabi
February 24-25 – Australia Sail Grand Prix | Sydney
March 23-24 – New Zealand Sail Grand Prix | Auckland
May 4-5 – Bermuda Sail Grand Prix
June 1-2 – Canada Sail Grand Prix | Halifax
June 22-23 – United States Sail Grand Prix | New York
July 13-14 – SailGP Season 4 Grand Final | San Francisco

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

1 Kommentare zu „SailGP: Irres Finale in Dubai – Spithills Fehler auf der Ziellinie – Heil disqualifiziert“

  1. Christian sagt:

    Carstens Taktik-Analysen sind immer kenntnisreich und mit Gewinn zu lesen. Hier möchte ich ihm ausnahmsweise widersprechen. Ob Spithill als Leeboot bei Halbwind unter Drifting-Bedingungen den Speed des Luvboots mitgehen kann, ist doch sehr fraglich. Daher hat er ein verzweifeltes zweites Luven als letzten Joker versucht. Hat sehr knapp nicht gereicht. Dennoch eine super Leistung von ihm. Wir werden ihn vermissen.
    Das letzte Rennen in Dubai war eines der spannendsten seit langem im Segelsport.

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