Die wichtigen Tests für die 505er Weltmeisterschaft sind zwar schon gesegelt, doch die Trümpfe scheinen noch nicht auf dem Tisch zu liegen.
Bei der YES-Regatta und der Kieler Woche mussten sich die Weltmeister der vergangenen Jahre, Wolfgang Hunger (Strande), Claas Lehmann (Hamburg) und Jan Saugmann (Dänemark), zumindest erst einmal anderen Teams geschlagen geben. Dafür haben Jan-Philipp Hofmann und Felix Brockerhoff (Duisburg) auf sich aufmerksam gemacht. Das junge Team, das erst im vergangenen Jahr durch einen ausgelobten KV-505er in die Klasse geholt worden war, schnappte sich den Kieler-Woche-Sieg und führt derzeit auch die deutsche Rangliste an. Die Favoriten-Frage für die WM bleibt angesichts des beeindruckenden Feldes von 172 Teams aus 16 Nationen somit vorerst unbeantwortet, auch wenn Hunger/Kleiner und Lehmann/Oehme natürlich von der Konkurrenz gern in diese Rolle gedrängt werden.
Sportlich werden bei dem Event keinerlei Wünsche offen bleiben. Australier und US-Amerikaner werden kommen, um Rekordweltmeister Wolfgang Hunger (Kieler YC) in dessen Wohnzimmer den Titel streitig zu machen. Aber auch die Briten, die für sich die Entwicklung des 505ers beanspruchen können, die Franzosen, bei denen die Klasse eine breite Basis hat, und die dänischen Nachbarn, die im vergangenen Jahr mit dem FD-Olympiasieger von 1988, Jörgen Bojsen-Möller, den Europameister stellten, werden nichts unversucht lassen, um den Deutschen den Titel streitig zu machen.
Bei der SAP 505er Weltmeisterschaft wird es auch zu einem Kräftemessen zwischen den bisherigen 505ern und den neuen Booten aus der Ovington-Schmiede kommen, die in einem Joint-Venture mit Holger Jess produziert werden. Bisher blieb das Potenzial der Boote noch weitgehend im Verborgenen. Die dänischen Brüder Jörgen und Jacob Bojsen-Möller haben zwar bereits länger einen Jess-Evolution 2014, zeigten sich zur Kieler Woche aber lediglich im Flying Dutchman. Stefan Böhm/Gerald Roos (Köln), die Vize-Weltmeister des Vorjahres, verfügen ebenfalls über neues Equipment, segelten zur Kieler Woche aber nur ein Rennen. Bleiben also die jungen Brüder Benedikt und Kilian Northoff als erste Gradmesser. Die bayrischen Klassenneulinge deuteten durch Platz sieben zur Kieler Woche an, was in dem neuen Boliden stecken könnte.
WM-Titelverteidiger Claas Lehmann, der mit seinem Kieler Vorschoter Leon Oehme zur Kieler Woche mit Platz 23 zufrieden sein musste, glaubt durchaus, Potenzial in dem neuen 505er erkannt zu haben: „Das neue Boot könnte schneller sein. Es ist das erste Computer optimierte Boot und kommt aus einer neuen Schale.“ Dennoch wird er selbst zur WM weiter auf bewährtes Material setzen. „Bei uns war durch den Berufseinstieg von Leon lange nicht klar, wie wir diese Saison segeln würden. Als das geregelt war und wir nach einem Boot bei Holger Jess gefragt haben, hätten wir nur noch eines direkt vor der WM bekommen können. Und das war mir zum Einsegeln zu knapp“, sagt Lehmann. Aber er sieht sich nicht chancenlos, setzt vor allem auf die mentale Stärke des Teams. In den vergangenen Jahren ist er stets in die Top-Ten der WM gefahren, 2013 schnappten sich Lehmann/Oehme den Titel erst im letzten Rennen. „Wir sind eine Turniermannschaft“, sagt der Mediziner und setzt auf einen positiven Effekt mit dem Start in die WM.
Auch seinen Widersacher Wolfgang Hunger sieht Lehmann weiterhin in einer starken Position, obwohl der fünfmalige WM-Titelträger zuletzt mit seinem Stammvorschoter Julien Kleiner nur sporadisch trainieren konnte, zur Kieler Woche zwischen Tagessieg und Platz 16 schwankte und schließlich mit dem fünften Gesamtrang zufrieden sein musste. „Wolfgang zu schlagen, ist immer schwer. Aber hier auf seinem Heimatrevier wird es noch schwerer.“
Hunger selbst nimmt die Favoritenrolle an, will diese aber nicht allein schultern: „Es ist naheliegend, dass wir nach unseren Erfolgen in den vergangenen Jahren hoch gehandelt werden. Aber es gibt noch andere. Claas Lehmann gehört dazu, die Brüder Bojsen-Möller, und dann gibt es auch immer wieder Überraschungen“, sagt Hunger.
So könnte Meike Schomäker (Kiel) mit Vorschoter Holger Jess vor allem bei leichten Winden weit vorn zu finden sein. Die Ex-Europameister segelten zur YES-Regatta vorne weg. Bei der Kieler Woche musste Jess allerdings passen, da er im Betrieb an den Bootsaufträgen zu arbeiten hatte. Stattdessen holte sich Schomäker mit Martin Schöler einen Mann mit Gardemaß ins Vorschiff. Es war für die Leichtwindbedingungen zur Kieler Woche jedoch die falsche Wahl. Platz 14 sprang für die Amazone an der Pinne heraus, die sich zur WM etwas mehr erhofft. „Für eine Kielerin in Kiel eine WM zu segeln, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Es ist schön zu wissen, dass SAP mit dabei ist. Wir freuen uns zur Analyse der Rennen auf die SAP Analytics, aber auch auf eine professionelle Organisation an Land und auf dem Wasser“, so Schomäker, die zur Kieler Woche mit Nici Birkner/Angela Stenger (Platz 13) und Tina Plattner/Mike Martin (Platz 5) gleich mehrere Frauen vor sich hatte.
Vor allem Tina Plattner, Tochter von Klassen-Gönner Hasso Plattner, der zur Kieler Woche auf Platz 27 segelte, sorgte unter südafrikanischer Flagge für Furore im Fifen-Feld. Im vergangenen Oktober steuerte sie die 86-Fuß-Yacht „Morning Glory“ beim Hochsee-Klassiker Rolex Middle-Sea-Race nach gesegelter Zeit zum Sieg, jetzt zeigte sie auch mit kleiner Crew, dass sie das Gefühl für das Segeln von ihrem Vater geerbt haben muss. Und mit Mike Martin hat sie zudem einen 505er-Spezialisten im Vorschiff. Der US-Amerikaner gewann 2009 vor San Francisco den WM-Titel.
Ein heißer Anwärter auf eine Top-Platzierung zur WM ist auch Jan Saugmann. Der ehrgeizige Däne schaffte 2007 mit seinem inzwischen verstorbenen Landsmann Morten Ramsbaek den WM-Triumph und fuhr 2012 erneut zum Titel bei der Rekord-Weltmeisterschaft in La Rochelle/Frankreich. Der Kieler Martin Görge zog damals an der Vorschot von Saugmann. Inzwischen hat sich der Däne seinen Landsmann Jakob Karbo ins Vorschiff geholt und war als Zweiter bei der Kieler Woche schon in Topform.
Weitere Asse werden ab dem 13. August alles in die Waagschale werfen, um den Deutschen den Stich mit Heimvorteil zu nehmen. So ist aus Großbritannien Ian Pinnel, der Weltmeister von 2008, am Start, der dänische Olympiasieger von 1988 im FD, Jörgen Bojsen-Möller, will nach seinem EM-Titelgewinn im vergangenen Jahr nun auch weltweit triumphieren, und die US-Amerikaner Howard Hamlin und Mike Holt wollen nach diversen Top-Platzierungen und Medaillen-Gewinnen in den vergangenen 15 Jahren nun endlich auch einmal ganz oben auf dem Treppchen stehen.
„Die Teilnehmer dürfen sich nicht nur über eine hochprofessionelle Leitung auf dem Wasser freuen, sondern auch über ein umfangreiches Landprogramm und die Übertragung von Bildern in die ganze Welt“, so Nikolaus Rickers, Regattaausschuss-Vorsitzender des KYC mit Blick auf die 505er-WM. „Die Klasse ist sehr gut zu handeln, daher erwarten wir ein tolles Event. Man kann sagen, so etwas wie Olympia für die 505er“, ergänzt Regatta-Chef Peter Ramcke.
Die Weltmeisterschaften beginnen am 13. August um 12 Uhr mit dem ersten Startschuss zu den Pre-Worlds. Nach zwei Tagen zum Einsegeln steht am 15. August die Vermessung an, und am Sonnabend, 16. August, wird es dann um 13 Uhr mit dem ersten Startschuss zur SAP 505er Weltmeisterschaft ernst. Bis Freitag, 22. August, sind Rennen geplant, unterbrochen von einem Ruhetag am Dienstag, 19. August. Das Event-Areal ist im Hafen-Vorfeld des Olympiazentrums von Schilksee aufgebaut. Dafür blieb die VIP-Lounge von Audi und SAP von der Kieler Woche gleich stehen und wird für die WM umgebrandet. So werden Segler und Besucher direkt neben dem Check-In am Regattahaus die SAP-Sailors-Lounge als zentralen Anlaufpunkt haben, neben der ein externes Catering-Areal aufgebaut wird sowie der SAP TV Cube, an dem man die Rennen live verfolgen kann und später die Analysen. Mit einer netten Liegewiese davor…
Point of Sailing Marketing GmbH, Kiel
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