Star Sailors League EM: Die unglaubliche Aufholjagd von Robert Scheidt

3-Sekunden-Sieg

Das brasilianische Duo Robert Scheidt/Henry Boening hat die Starboot Europameisterschaft 2019 gewonnen. Das KO-Finale der letzten vier Boote verlief dramatisch.

 

Die letzten Meter im Finale. Scheidt holt 45 Meter auf und siegt mit drei Sekunden:

Der Showdown am Ende des Finaltages war so intensiv, so packend und so spannend, dass man phasenweise den Atem anhielt. Ihren Sieg sicherten sich die Brasilianer auf dem Gardasee vor Riva del Garda erst auf den letzten Metern ins Ziel. „Ich war am Ende des Rennens so müde, dass Henry mir sagen musste, dass wir gewonnen haben, weil ich es nicht wusste. Mir war schon schwarz vor Augen, so hoch war meine Herzfrequenz“, erzählte der erschöpfte, aber überglückliche Robert Scheidt am Ende des für ihn perfekt ausgegangenen Tages. 

„Wir sind wirklich glücklich. Es war eine lange Woche. Nachdem wir zwischendurch einen Frühstart hatten, war der Druck gestiegen. Henry hat aber die ganze Woche einen super Job gemacht und nicht aufgehört mir zu sagen, dass wir immer noch gewinnen können. Sowas gibt dir sehr viel Selbstvertrauen.“ 

Über Scheidts meisterliche Vorwind-Kunst ist schon vieles gesagt worden. Doch als sie heute noch einmal im entscheidenden Duell mit den Franzosen Xavier Rohart und Pierre-Alexis Ponsot gefragt war, wurde eine Galavorstellung daraus. Scheidt machte mit Willen und Können aus einem 45-Meter Rückstand einen Drei-Sekunden-Vorsprung im Ziel. 

Robert Scheidt

Robert Scheidt schiebt sich im Hintergrund vor dem Wind langsam an den Franzosen vorbei. © Gilles Morelle/SSL

Der Tag hatte früh um 8.30 Uhr mit dem letzten Fleetrace der Qualifikation begonnen. Für die Besten dauerte er lange, denn die mit Spannung erwarteten Finalläufe waren entsprechend der vorhergesagten guten Segelbedingungen für den Nachmittag angesetzt. Als erste konnten Eric Doyle und Payson Infelise (beide USA), Freddy Lööf (SWE) und Brian Fatih (USA) sowie das beste rein deutsche Duo Hubert Merkelbach und Markus Koy wieder Kurs auf den Hafen von Riva del Garda nehmen.

Sie schieden im Viertelfinale aus. Nach dem Halbfinale folgten ihnen der italienische Steuermann Diego Negri und sein Berliner Vorschoter Frithjof Kleen, mit Platz fünf bester deutscher Starter bei diesen Titelkämpfen. Auch für Eivind Melleby/Joshua Revkin (Norwegen/USA) und Roberto Benamati/Alberto Ambrosini (Italien) kam das Aus im Halbfinale. 

Das große Finale bestritten vier der bekanntesten Athleten der Segelwelt und ihre erfahrenen Vorschoter: Scheidt und Boening, Mateusz Kusznierwicz/Frederico Melo(Polen/Portugal), Paul Cayard/Arthur Lopes (USA/Brasilien) und die beiden Franzosen Xavier Rohart und Pierre-Alexis Ponsot. 

Vor allem die Franzosen hatten die letzten Rennen vor dem Finale mit stark ansteigender Formkurve bestritten, das letzte Rennen am vorletzten Tag und auch die frühmorgendliche Wettfahrt am Finaltag gewonnen. Entsprechend selbstbewusst kreuzten sie an der Startlinie auf, holten sich einen weiteren Sieg im Viertelfinale und Rang zwei im Halbfinale. Derart in Fahrt waren sie es, die Scheidt am stärksten und bis ins Ziel Paroli bieten konnten. 

Robert Scheidt

Robert Scheidt und Henry Boening freuen sich über den Sieg. © SSL/Marc Rouiller

Mateusz Kusznierwicsz und Frederico Melo hatten zwar die Vorrunde souverän gewonnen und waren deswegen direkt für das Finale gesetzt worden, doch der vermeintliche Vorteil schien das Duo leicht aus dem Rhythmus gebracht zu haben. Die gerade noch so überragend segelnde Crew kam im Finale nicht mehr so in Schwung wie zuvor, konnte in den Kampf um den Sieg nicht eingreifen.   

Gleichzeitig feierte Paul Cayard draußen auf dem Gardasee im Regen seinen 60. Geburtstag. Je kleiner die Felder auf Kurs Finale wurden, je besser konnte Cayard seine in sieben America’s-Cup-Teilnahmen erworbenen taktischen Fähigkeiten einsetzen. „Um das hier zu gewinnen, brauchst du einen perfekten Start und musst sehr schnell sein. Und dann wird es auf ein paar Meter hier oder da ankommen“, hatte Cayard vor dem Finale prophezeit. Und so kam es. 

Der amerikanische Segler, der als ehemaliger America’s-Cup-Steuermann die italienische „Il Moro di Venezia“ 1992 zum Erfolg im Louis Vuitton Cup steuerte und deshalb in Italien sehr bekannt und beliebt ist, segelte souverän und nahezu fehlerlos durch Viertel- und Halbfinale.  Erst im Finale sorgte eine Aufteilung des Quartetts in zwei Zweier-Gruppen, die jeweils eine Seite des Kurses wählten, dafür dass Rohart und Scheidt den zunächst führenden Cayard überholen konnten. 

„Wir haben in den letzten Tagen sehr hart an unserer Vorwind-Geschwindigkeit gearbeitet“, erklärte Rohart nach dem so knapp verlorenen Finale. „Auf dem letzten Amwind-Abschnitt haben wir uns natürlich gesagt, dass wir so viel Vorsprung herausholen müssen wie nur irgend möglichdamit Robert kein Comeback schaffen kann. Aber Robert ist ein solcher Experte, dass wir wussten, dass es sehr schwer werden würde.

Dabei sah es an der letzten Wendemarke vor dem Schlusssprint ins Ziel tatsächlich so aus, als könnte der Vorsprung der Franzosen auch vor dem Wind zum Sieg reichen. Doch es folgte ein Segelthriller, in dessen Verlauf sich Robert Scheidt seinen Rückstand mit  Können und Kampfgeist Meter für Meter reduzierte.

Mit dem Sieg sicherten sich Scheidt und Boening den Titel beim ersten SSL Breeze Grand Slamauf dem Gardasee und den Sieg bei der Offenen Europameisterschaft der Starboote. Dafür kassierte das Duo den Löwenanteil des Preisgeldes in Höhe von insgesamt 100.000 US-Dollar. Niemand hatte am Sonntagabend Zweifel daran, dass Robert Scheidt sehr müde, aber auch sehr glücklich in sein Haus in Riva del Garda zurückkehren würde.

Trotz der teilweise unbeständigen Wetterbedingungen und mehr Regen als üblich für diese Jahreszeit in dieser Region, feierten die Segler den SSL Breeze Grand Slam und die Starboot Europameisterschaft 2019 in gelungener Kombination als großen Erfolg. Spaß gemacht hat allen 89 Teams auch der gemeinsame Einsatz der Segelstars und der ambitionierten Amateure der Starbootklasse, die sich mit ihren Helden messen konnten.

Die Top Ten:

1 BRA Robert Scheidt Henry Boening
2 FRA Xavier Rohart Pierre-Alexis Ponsot
3 USA Paul Cayard Arthur Lopes
4 POL Mateusz Kusznierewicz Frederico Melo
5 ITA Diego Negri Frithjof Kleen
6 NOR Eivind Melleby Joshua Revkin
7 ITA Roberto Benamati Alberto Ambrosini
8 GER Hubert Merkelbach Markus Koy
9 SWE Fredrik Lööf Brian Fatih
10 USA Eric Doyle Payson Infelise

Ergenbisse Starboot EM 2019

Ein Kommentar „Star Sailors League EM: Die unglaubliche Aufholjagd von Robert Scheidt“

  1. avatar looploop_andy sagt:

    Hmmm,
    habe den Thriller Live verfolgt… waren es nicht 0.3 Sekunden…. ab 3.21 im Video
    Ein anderer deutsch Segelblog sprach auch von 3 s, was mich sehr verwundert hat.
    Cooles Rennen, geile Pumptechnik

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