Der Kieler-Woche-Regatta-Chef Dirk Ramhorst hatte es bereits am Eröffnungstag der Star Weltmeisterschaft geahnt, und die Realität gab ihm Recht: Mangels Wind konnte zum Auftakt der Regatta kein Rennen gesegelt werden. Um 14 Uhr wurde die an Land auf Wind wartende Flotte in den Feierabend geschickt. Am Dienstag sind dann zwei Wettfahrten möglich, wenn es der Wind zulässt.
Stand-Up-Paddling auf dem Starboot sei eine Alternative, hatte Ramhorst am Sonntagabend gemutmaßt. Es wäre wohl tatsächlich die bessere Möglichkeit gewesen, um das knapp sieben Meter lange Kielboot an diesem Montag in Fahrt zu bringen. „Der Wind ist wirklich nicht gut“, erklärte Wettfahrtleiter Mandus Freese den Crews bei der Online-Steuermannsbesprechung am Morgen. „Zwei bis drei Knoten am Leuchtturm – in 20 Meter Höhe.“ So blieb es den ganzen Tag über.
Damit hatten die Crews die Chance, um ihre Boote im Hafen noch weiter zu optimieren oder um zu netzwerken und die Liste der Teilnehmer nach Favoriten zu durchforsten.
Lange Liste an Favoriten
Die Titelverteidiger Mateusz Kusznierewicz/Bruno Prada (Polen/Brasilien) haben dabei einige Crews auf der Rechnung. „Wenn man sie komplett aufzählen wollte, würde man wohl einige vergessen. Aber Enrico Chieffi ist nach seinem EM-Sieg on fire. Diego Negri und Frithjof Kleen sind immer stark, genauso wie Eivind Melleby und Xavier Rohart. Hubert Merkelbach hat viel trainiert, und Tonci Stipanovic ist nach dem Gewinn der Olympia-Silbermedaille natürlich heiß“, sagt Bruno Prada.
Sein Steuermann ergänzt: „Ich denke, die Windbedingungen werden einen großen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Am Donnerstag wird das Bild deutlicher sein. Bis dahin heißt es vor allem, konstante Ergebnisse zu segeln – nicht unbedingt der Sieg in einer Wettfahrt entscheidet.“ Dabei ist das Erfolgsduo nicht nur durch den WM-Sieg von 2019 auf Sieg gepolt. Im März zum Bacardi Cup von Miami gelang Kusznierewicz/Prada Historisches. Erstmals in der Geschichte dieser Major-Regatta der Star-Klasse gewannen sie alle Rennen.
Titelverteidiger setzen auf Lockerheit
„Natürlich zählen wir als Titelverteidiger und durch den Sieg in Miami zu den Favoriten. Aber die Bedingungen im März waren ganz andere, als sie in den kommenden Tagen zu erwarten sind. Und viele Crews haben intensiv gearbeitet in diesem Sommer. Wir hatten nach dem Bacardi Cup nur noch die WM im Plan“, sagt Kusznierewicz. „Es wird darum gehen, unser Gewicht zu halten. Aber das ist schwierig. Ich mag das Essen hier“, so Prada. Daher heißt ihre Devise: Locker bleiben! Kusznierewicz: „Wir lassen uns nicht unter Druck setzen, wollen Spaß haben, denken von Rennen zu Rennen. Routinen abrufen und Lösungen finden – das wird wichtig sein“, so der Steuermann.
Routine hat das Duo in jedem Fall. 1996 gewann Kusznierewicz Olympia-Gold im Finn, 2004 noch mal Bronze. Im Star holte er bereits 2008 mit seinem Landsmann Dominik Zycki WM-Gold, 2019 mit Brudo Prada erneut. Der Brasilianer ist sogar auf Titel-Rekordkurs. Fünfmal stand er bereits ganz oben auf dem Treppchen. 2007, 2011, 2012 mit Robert Scheidt (Brasilien), 2016 mit Augie Diaz (USA) und dann eben vor zwei Jahren. Dazu holte Prada mit Scheidt in 2008 und 2012 Olympia-Silber und -Bronze.
Vorschoter auf Titelrekordkurs
Obwohl Mateusz Kusznierewicz mit einem Schmunzeln meint, den Vorschoter nun bloß nicht zu hoch zu heben, sagt Prada: „Gute Starboot-Vorschoter sind auch gute Steuermänner in anderen Klassen. Man muss wie der Steuermann denken, immer vorbereitet sein, um alle Fragen beantworten zu können.“ Mit drei unterschiedlichen Steuermännern, drei unterschiedlichen Segelmachern, drei unterschiedlichen Bootsbauern und auf drei unterschiedlichen Kontinenten und damit in unterschiedlichen Bedingungen WM-Gold gewonnen zu haben, spreche für sich, so Prada.
Bei Würstchen und Kaltgetränk merkt man dem Duo an, dass es trotz des fehlenden Windes Spaß hat in Kiel: „Das Olympiazentrum ist ein Tempel des Segelsports – nicht nur wegen der olympischen Vergangenheit, sondern wegen der Kieler Woche“, so Prada. „Es ist die traditionsreichste Segel- und Festivalwoche der Welt. Wir freuen uns hier zu sein Es ist alles top organisiert und wir haben im eigenen Eventzelt endlich mal wieder Gelegenheit, mit der Starboot-Gemeinschaft zusammen zu kommen“, sagt Kusznierewicz. „Es wird ein Erlebnis werden, mit 85 Booten an die Startlinie zu gehen. Fehler werden da hart bestraft, aber immerhin hat man die Chance auf dem langen Kurs, die wieder auszugleichen.“
Nach dem Ausfall der Wettfahrt am Montag könnte es am Dienstag gleich zweimal über den Kurs gehen. Um 11.00 Uhr ist der erste Start geplant, zwei Wettfahrten hat Wettfahrtleiter Mandus Freese im Blick. Der erneut nur schwach vorhergesagte Wind könnte dem Vorhaben allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. (ra)
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