Starboot-WM vor Kiel: Finnsegler Kasüske und Kohlhoff wollen den Junioren-Titel

Fokus auf den Nachwuchs

Bei der Starboot-WM vor Kiel treten 50 Teams aus 13 Ländern an. Zwei ex Finnsegler duellieren sich aber auch der argentinische Star-Konstrukteuer Juan Kouyoumdijan gibt sich die Ehre.

Spannenden Starboot-Szenen. Hier liegen Hubert Merkelbach/Kilian Weise vor den frisch gekürten amtierenden Europameistern an Enrico Chieffi/Ferdinando Colaninno (Italien). © regate.com.hr

Die Starboot-Weltmeisterschaft kehrt zurück nach Kiel. Nach 1939, 1966, 1977 und 1993 treten die weltbesten Kielbootsegler in der schleswig-holsteinischen Landeshautstadt an, um ihre Weltmeister zu küren. Durch die Verschiebung der Kieler Woche auf den 4. bis 12. September wurde die WM (4. bis 11. September) dort integriert und die Junioren-WM (31. August bis 3. September) im Vorfeld angedockt.

„Wir freuen uns sehr, die Starboot-WM bei uns auszurichten“, so der Organisationsleiter der Regatten der Kieler Woche und des Kieler Yacht-Clubs, Dirk Ramhorst. Zuletzt hatte der 2020 verstorbene ehemalige Starboot-Weltpräsident, DSV-Präsident und KYC-Kommodore Dierk Thomsen eine Starboot-EM nach Kiel geholt. „Es war sein Boot, seine Klasse, wir werden bei der Veranstaltung an ihn denken“, so Ramhorst.

Und Thomsen, der sich immer wieder für das Starboot als olympische Klasse eingesetzt hat, hätte seine Freude an dieser WM gehabt, denn das Teilnehmerfeld unterstreicht die einzigartige Bedeutung des knapp sieben Meter langen Zweihand-Kielbootes: Wenn die bisher gemeldeten 50 Starter aus bisher 13 Nationen in Kiel antreten, weht ein Hauch vom America’s Cup, Ocean Race und Olympia über Schilksee.

Star-Konstrukteur Juan Kouyoumdijan nimmt teil

Die weiteste Anreise auf dem Papier hat die argentinischen Crew Juan Kouyoumdijan/Fernando Rivero, die allerdings in Italien lebt. Kouyoumdjian (Jahrgang 1971) ist ein weltweit erfolgreicher Segler und Konstrukteur von Regatta- und Fahrtenyachten. Erste America’s Cup-Erfahrung sammelte der Argentinier mit dem französischen Team Le Défi 1995. Bei der 32. Auflage des America‘s Cups war er Mitglied im Designteam für BMW ORACLE Racing. 2020 folgte der Wechsel zum italienischen Team Prada.

Die bisher größten Erfolge erzielte Kouyoumdjian jedoch mit seinen Entwürfen für das Volvo Ocean Race. Für drei Auflagen dieser Regatta entwarf er jeweils die Siegeryacht: „ABN AMRO 1“, Siegeryacht beim Volvo Ocean Race 2005–2006, „Ericsson 4“, Siegeryacht beim Volvo Ocean Race 2008–2009, und „Groupama 4“, Siegeryacht beim Volvo Ocean Race 2011–2012. Er selbst blieb dabei immer dem Starboot treu. Bei der EM in Kroatien belegten Kouyoumdijan/Rivero Rang vier.

Der EM-Sieg ging dort an Enrico Chieffi/Ferdinando Colaninno (Italien). Chieffi nahm als Navigator am Louis Vuitton Cup teil, der Vorausscheidung zum America’s Cup (1992 und 2000) und hat damit bereits America’s Cup-Luft geschnuppert. Zudem hat der Italiener Olympia-Erfahrung (1984 und 1996) gesammelt. Damit zählt Chieffi automatisch zu den Favoriten vor Kiel.

Merkelbach peilt Top Ten an

In Kroatien verwies Chieffi die Überlinger Hubert Merkelbach/Kilian Weise auf Platz zwei. Vor Kiel kommt es nun erneut zum Kräftemessen des Europameisters und des Vize-Europameisters. Ganze vier Punkte fehlten den frisch gekürten Deutschen Meistern Merkelbach/Weise zum EM-Sieg. Kein Wunder, dass sich Hubert Merkelbach, Starboot-Klassen-Präsident und entthronter Europameister, auf die Revanche freut – auch wenn es eine schwere Aufgabe wird.

Der Starboot Klassenpräsident Merkelbach mit seinem neuen jungen Vorschoter. © regate.com.hr

„Top-Ten ist realistisch, alles andere hängt von der Tagesform ab“, so Merklebach zurückhaltend. Der 58-Jährige segelt erst seit dem Vorjahr mit Kilian Weise (27) zusammen. „Die Kommunikation an Bord stimmt. Kilian bringt das junge, dynamische Element mit an Bord, ich kann die Routine einbringen“, so Merkelbach, der hofft, dass das Teilnehmerfeld noch wächst. Die Pandemie hat vor allem die Meldungen aus Übersee abgeblockt. „Wir werben noch in den USA und Südamerika. Ich rechne mit einigen Last-Minute-Meldungen“, so der Klassenpräsident. 60 bis 70 Stare sollen es bis zum Meldeschluss am 7. August noch werden.

EM-Bronze ging im Mai vor Kroatien an den gebürtigen Kubaner und jetzigen US-Amerikaner Augie Diaz, der sowohl im März beim Barcadi-Cup vor Miami/USA als auch bei der EM mit „Ersatzvorschotern“ antrat und beide Male Dritter wurde. War es bei der EM der Österreicher Hans Christian Nehammer, stieg in den USA Marcus Koy in den Star von Diaz.

Markus Koy für Dänemark

Der in Wedel geborene Segelprofi Koy muss zwar in Kiel nun auf seinen Nebenjob als Co-Moderator und Experte beim Kieler Woche-TV verzichten, aber mit seinem dänischen Steuermann Jörgen Schönherr gehört der Zweimetermann zu den Mitfavoriten auf der Förde. Dass ihm die Starboot-Vorschot in Fleisch und Blut übergegangen ist, hat er im März beim traditionellen Barcadi-Cup bewiesen. Der Lokalmatador Augie Diaz stand ohne seinen brasilianischen Vorschoter da, Koys etatmäßiger Steuermann Schönherr bekam wegen der Pandemie keine Einreise-Erlaubnis. So fanden der mehrfache Snipe- und Starboot-Weltmeister (2016) und der mehrfache Deutsche Meister zusammen und holten auf Anhieb Bronze.

Bei der Europameisterschaft in Kroatien stieg Marcus Koy wieder bei Schönherr an Bord, musste sich aber mit Rang zehn zufriedengeben. Auf seinem Heimatrevier steckt Koy die Ziele nun wieder höher. Auch er hat bereits America’s-Cup-Luft geschnuppert und war 2007 Mastmann im United Internet Team Germany beim Louis Vuitton Cup. Danach konzentriert sich der North-Sails-Berater auf das Starboot und hamsterte bereits drei EM-Titel mit drei verschiedenen Steuerleuten – mit Robert Stanjek (2008), 2010 Johannes Polgar und Hubert Merkelbach (2014).

Doch die Liste der Favoriten bei der Starboot-WM ist noch länger. Auch Chieffis Landsmann Mario Borroi – mit dem einst Frithjof Kleen (2008 Olympia-Sechster) Erfolge errang –, mit Edward Wight an der Vorschot, die Schweizer Crew Piet Eckert/Frederico Melo als EM-Elfte, die EM-Dritten vom Vorjahr, Johann Spitzauer/Hans-Christian Nehammer aus Österreich, und die sieben Boote starke dänische Flotte um Jörgen Schönherr dürften bei der Medaillenvergabe ebenfalls ein Wörtchen mitzureden haben.

Der Einstieg der starken Männer

Nach dem olympischen Aus des Finns fehlt großen, gewichtigeren Männern eine olympische Boots-Klasse. Deutschlands beste Finn-Segler Phillip Kasüske (VSaW) und Max Kohlhoff (NRV) beendeten daher ihre olympischen Ambitionen und versuchen es nun im ehemaligen olympischen Zweimann-Kielboot Star.

Max Kohlhoff.
Max Kohlhoff 2019 noch im Finn Dinghy. © Jesus Renedo/Sailing Energy

Max Kohlhoff hat mit Ole Burzinski bei den Junioren gemeldet. Kasüske, der als Grinder an Bord der „Einstein“ (Imoca des Offshore Team Germany/Eigner Jens Kupahl) mit Skipper Robert Stanjek (Starboot-Olympia-Sechster 2012 vor London) gerade das Ocean Race Europe von Lorient/Frankreich über Cascais/Portugal und Alicante/Spanien nach Genua/Italien gewonnen hat, tritt mit dem routinierten Vorschoter Michael Schulz sowohl bei den Junior Worlds als auch bei der WM an. Kasüske/Schulz haben bereits bei der Star-IDM im Juni als Sechste gezeigt, dass sie in der Klasse mitreden bzw -segeln können.

Philip Kasüske (r.) gibt beim IMOCA-Segeln den Einflüsterer für Robert Stanjek. © OTG/Diemer

Jan Borbet/Jesper Spehr (zusammen IDM-Dritte) sind vor Kiel ebenso im Doppeleinsatz. Zu dem ehemaligen erfolgreichen 420er-Segler aus Remscheid Borbet stieg Vorschoter Jesper Spehr (Malente-Gremsmühlen) an Bord.

„Unser Ziel muss es sein, Nachwuchs für die Klasse zu gewinnen“, sieht der Kieler Starboot-Flotten-Chef Helge Spehr in der Nachwuchsarbeit die größte Herausforderung. Bei seinem Sohn Jesper ist dieses Ansinnen schonmal auf fruchtbaren Boden gefallen. Bei der IDM im Juni platzierte sich der Sohn neun Plätze vor dem Vater. „Insgesamt haben sich fünf Junioren-Crews in den Top-Ten platziert“, freut sich auch der internationale Klassenboss Hubert Merkelbach über den deutschen Nachwuchs.

Bei der Junioren-WM muss der Steuermann unter 30 Jahre alt sein. Das Programm funktioniert nur über die Förderung. „Dazu gehören Boot, Betreuung und Trainingsangebote“, so Merkelbach, der das norddeutsche Engagement mit Schwerpunkt in Flensburg um Robert Stanjek hervorhebt, aber auch nach Österreich blickt. Dort haben sich bereits zehn Junioren-Crews durch die Non-Profit-Aktion „Future-Stars“ gefunden. Starboot-Eigner stellen ihre Kielboote zur Verfügung und unterstützen die Junioren mit Wissen und Manpower. Die ehemalige olympische Bootsklasse (seit 1932 mit Unterbrechungen bis 2016) zeigt mögliche Wege in der Nachwuchsarbeit auf, zu der auch Junioren-Meisterschaften wie die WM vor Kiel gehören.
 
Unterstützt werden die Starboot-WM und die Junioren-WM von der Landeshauptstadt Kiel, dem Land Schleswig-Holstein sowie den Partnern Heinz Nixdorf-Verein, Helly Hansen, Heineken und Voigt-Logistik.
 
Quelle: Hermann Hell
 
 
Junioren-WM: 31. August – 3. September

Star-Weltmeisterschaft:4. September – 11. September

Technische Daten des Starboots

Gewicht der Besatzung: max. 213,64 kg
Länge über Alles: 6,922 m
Länge in der Wasserlinie: 4,724 m
Verdrängung: 0,68 t
Tiefgang: 1,02 m
Gesamtgewicht: min. 671 kg
Kielgewicht: 408,5 kg
Segelfläche: 27,92 m2
Großsegel: 20,5 m
Fock: 7,5 m2
Länge Mast: 10 m
Länge Großbaum: ca. 4,5 m
Design Wilhelm Gardner/ Francis Sweisguth 1910/11

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