Es waren Europameisterschaften der Superlative. Noch nie wurden bei internationalen Titelkämpfen der Strandsegler so viele Rennen gesegelt, so viele Kilometer gefahren (in einer Klasse waren es über 900 Kilometer) und so hohe Geschwindigkeiten erreicht. In der Spitze wurden über 120 Stundenkilometer gemessen, im Durchschnitt über ein ganzes Rennen über 80 km/h.
In der letzten Septemberwoche kämpften die Strandsegler in Bretteville-sur-Ay an der Ärmelkanalküste in der Normandie um Edelmetall. Die deutsche Mannschaft trat in vier Rennklassen an – und konnten in jeder mit der Mannschaft aufs Podest fahren. Dreimal gab es Silber, einmal Bronze in der Teamwertung. Und einmal Bronze in der Einzelwertung.
Bester deutscher Pilot war der Schleswiger Segelmacher Sven Kraja, der in der Klasse 5, der sogenannten Konstrukteurswertung an den Start ging. Seit Jahren wird die Klasse 5 von den Franzosen dominiert. Ein Platz unter den ersten fünf ist bereits ein riesiger Erfolg. Kraja sollte die Hackordnung dieses Jahr gehörig durcheinander wirbeln.
Bereits am zweiten der sechs Renntage schaffte Kraja die Sensation. Er siegte in beiden Läufen, überholte die überragenden Segler der vergangenen Jahre, düpierte das französische Brüderpaar Morandiére und schob sich in der Gesamtwertung auf Platz 3.
Die folgenden Regattatage waren ein Wechselbad der Gefühle. Auf den schnellen Kursen in den Orten Bretteville und Denneville, wo die Rennen ausgetragen wurden, kämpfte der 45-Jährige mit viel Wasser auf der Piste, Steinen und Seegras. Mal reichte es nur zum achten Platz, mal zum zweiten.
Als Kraja im Abschlussrennen erneut einen Sieg einfahren konnte, war ihm die erste Medaille für einen deutschen Strandsegler bei einer Europameisterschaft in der Einzelwertung dieser Klasse nicht mehr zu nehmen. Die Sensation war perfekt.
Dank Kraja konnte sich auch das deutsche Team mit Heiko Hartmann (Emden) und Helge Bents (Langeoog) auf Platz zwei segeln – hinter Frankreich und vor Großbritannien. Mit Bronze und Silber war es das beste Ergebnis der deutschen Klasse-5-Segler bei einer Europameisterschaft.
In der Klasse 3, der schnellsten Klasse, sorgte der gebürtige Eiderstedter und deutsche Rekordmeister Hans-Werner Eickstädt für Gänsehaut. Die Klasse 3 segelte 18 Rennen an sechs Tagen. Absoluter Rekord. Die Leistungsdichte der europäischen Top-Piloten ist immens.
An Tag zwei schaffte Eickstädt den Sprung aufs Podest, segelte zwischenzeitlich auf Silberkurs. Doch die starken, böigen und wechselnden Winde und ein Halbwindkurs, der die meisten Tage nur auf Höchstgeschwindigkeit ausgerichtet war, lagen der Konkurrenz aus Frankreich und Belgien mehr als dem Taktiker aus Deutschland. Mal segelte er nur auf Platz 17, mal 16, mal 10. In der Gesamtwertung fiel er auf den fünften Platz zurück.
Grund war ein gerissenes Segel. Eickstädt musste seine Yacht neu trimmen. Neues Segel, neue Planke, neue Reifen. In den kurzen Rennpausen bastelte und schraubte sich Eickstädt sich zurück in den Kampf ums Podest. Den vorletzten Regattatag beendet er mit einem zweiten Platz. Er war wieder da.
Und auch am Finaltag segelte er verbissen um Edelmetall. Erneut mit einem zweiten Platz startete er in den Tag. Dann das Drama. Eickstädt erwischte einen schlechten Start, lag hinten, kämpfte sich Wagen und Wagen wieder nach vorne. An die Spitzengruppe kam er aber nicht mehr ran. Es fehlte an Endgeschwindigkeit. Platz 10. Der Traum von Edelmetall schien geplatzt.
Doch im letzten Rennen setzte er noch einmal alles auf eine Karte. Diesmal verkehrte Welt im Vergleich zum vorherigen Lauf: Eickstädt wieder zweiter, sein schärfster Konkurrent abgeschlagen am Ende des Feldes. Doch es reichte nicht. Mit nur einem Punkt auf Bronze belegte Eickstädt nach 18 Rennen Platz vier. Auch wenn er zusammen mit dem amtierenden Deutschen Meister Arne Kelm (Kiel) und Norbert Paulsen (Kropp) in der Teamwertung die Silbermedaille holte, konnte Eickstädt das nicht trösten.
Anders in der Klasse 2, der größten Klasse. Erstmals seit vielen Jahren konnte Deutschland wieder ein Team stellen. Sechs Piloten waren nach Frankreich gefahren. Und sie schlugen sich bravourös. Mit Bronze hatten sie geliebäugelt, Silber holten sie. Überragend segelte Jens Markowitz (Juist), der sich von Regattatag zu Regattatag steigerte. Am Ende belegte er Platz vier in der Einzelwertung. Zusammen mit Kurt Wachkampf (Hattingen) und Wolfgang Bartling (Münster) musste sich das deutsche Team nur Frankreich geschlagen geben. Den letztjährigen Europameister Belgien ließen sie hinter sich.
Im größten Teilnehmerfeld, der Einheitsklasse Standart, konnte Deutschlands Bester Manfred Nielsen (Buxtehude) seinen Erwartungen nicht gerecht werden. Sein Mindestziel, die Top-Ten, verfehlte er knapp. Zu unkonstant seine Rennen. Zwar fuhr er in zwei Rennen auf einen Podestplatz, am Ende reichte es aber nur zu Platz elf. Mit Anke Münch (Hamburg) und Michael Müller (Lübeck) freute er sich in der Teamwertung aber über Bronze.
Ergebnisse Strandsegel-EM 2016
Quelle: Jens Brambusch Strandsegel Presse
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