Travemünder Woche 2023: Viele Welt-, Europa- und Deutsche Meisterschaften

Titel-Entscheidungen auf allen Ebenen

Im 125. Jahr seines Bestehens bietet der Lübecker Yacht-Club mit seinen Mitveranstaltern vom NRV Hamburg und Zürcher YC zur 134. Travemünder Woche (21. bis 30. Juli) ein hochklassiges Meisterschaftsprogramm. Vier WM-Titel werden während der neun Regattatage vergeben, dazu ein EM- und vier deutsche Titel, darunter die Drachen-IDM. Zudem trägt die Sailing Champions League wie im vergangenen Jahr ihr Finale wieder in der Lübecker Bucht aus, und die jeweils 18 Mannschaften der Ersten und Zweiten Segel-Bundesliga sammeln wichtige Punkte für die Saisonwertung.

Die J/22 gastieren nach 2015 wieder mit ihrer Weltmeisterschaft vor Travemünde. Foto: segel-bilder.de

Zwei Drittel der insgesamt 19 Entscheidungen zur Travemünder Woche haben Meisterschaftscharakter. Ranglistenregatten auf den Jollen- und Seebahnen sowie die Showrennen in der Trave runden das Segelprogramm ab. Dieses Angebot hat es erwarten lassen, und tatsächlich ist der internationale Andrang zu dieser Travemünder Woche aus aller Welt riesig. 30 Nationen stehen in den Meldelisten. Das stärkste Aufgebot bringen die Kat-Segler:innen für die Weltmeisterschaft der Formula 18 an den Start. Über 100 Duos aus 18 Nationen haben gemeldet. „Ich hatte noch auf deutlich mehr Meldungen gehofft“, sagt der deutsche Klassen-Vorsitzende Dirk Bleiker, der selbst für den LYC segelt und die WM nach Travemünde geholt hat. „Nach Corona sind aber noch nicht alle wieder im Regatta-Modus. Es fehlen uns einige Segler:innen aus Süddeutschland und aus Italien. Die Qualität der Teilnehmer:innen ist aber sehr hoch. Zu den Favorit:innen zählen Teams aus den USA, Argentinien, Griechenland und Frankreich. Für die Deutschen wird es schwer, in die Entscheidung um die Medaillenplätze einzugreifen“, so Bleiker. Wenn die Bedingungen passen, könnten allerdings die Zarnekauer Brüder Helge und Christian Sach sowie das Vater-Sohn-Gespann Sven und Jesse Lindstädt (Hamburg) in die Top-Ten segeln. Das bestätigt auch Helge Sach, mit seinem Bruder Christian 21-maliger Sieger zur Travemünder Woche und damit Rekordhalter: „Ein Platz unter den ersten Zehn bei dieser Weltmeisterschaft wäre schon super!“

Der Lübecker Dirk Bleiker (links) hat als Klassenboss der Formula 18 großen Anteil daran, dass die Klasse ihre Weltmeisterschaft zur Travemünder Woche austrägt. Foto: segel-bilder.de

Zwar mit etwas geringeren Meldezahlen, aber noch internationaler sind die Skiff-Segler:innen bei ihren Junioren-Weltmeisterschaften der olympischen 49er (60 Meldungen) und 49erFX (49 Meldungen) aufgestellt. Insgesamt 23 Nationen sind in den beiden rasanten Klassen vertreten. Die Starter:innen wollen sich in Form bringen für künftige Olympische Spiele. Aus Lübecker Sicht wollen Kjell Haschen mit Vorschoter Iven Fromm und Jesper Bahr mit Fynn Kaufhold sowie Carolina Horlbeck an der Vorschot von Charlotte Henkel den Heimvorteil nutzen.

Die WM der J/22 (26 Meldungen) ist zwar kleiner aufgestellt, doch an exotischen Starter:innen mangelt es auch hier nicht. Während das Gros des Feldes aus Deutschland und den Niederlanden kommt, bereichert Mike Farrington von den Cayman Islands das Feld. Die Reise aus der Karibik nach Travemünde tritt er mit großen Ambitionen an und gilt im Kampf um den Titel als einer der großen Widersacher vom 2019er-Weltmeister Jean Michel Lautier aus den Niederlanden. Die J/22 kommen immer wieder gern mit Meisterschaften nach Travemünde. Die letzte Weltmeisterschaft in der Lübecker Bucht wurde 2015 ausgetragen. Der Niederländer Lautier gewann damals die Silbermedaille und wird nun alles daran setzen, dieses Ergebnis vor Travemünde noch zu toppen.

Zu einem deutsch-niederländischen Zweikampf dürften die Europameisterschaften der Olympiajollen werden. Denn diese beiden Nationen dominieren das Geschehen in der ehemals 1936 olympischen Bootsklasse. 67 Segler wollen dabei sein, wenn eine Meisterschaft endlich mal auf einem Seerevier ausgetragen wird. Denn die Klasse wird sonst vor allem auf Binnenrevieren gesegelt. „Es gibt in der Klasse einige, die die Ostsee-Welle nicht kennen, aber einige sind auch erfahren bei der Travemünder Woche. Es war ein großer Wunsch aus den Reihen unserer Mitglieder, die EM mal auf der Ostsee zu segeln. Deshalb haben wir uns entschieden, das einfach mal zu machen“, sagt der Zweite Vorsitzende der Klasse, Thomas Leitl.

Die schnellen Skiffs aus den olympischen Klassen 49er und 49erFX küren vor Travemünde ihre Junioren-Weltmeister. Foto: segel-bilder.de

Die Palette der deutschen Titelkämpfe deckt eine große Bandbreite ab. Mit den German Open der 12-Fuß-Dinghys ist eine Klasse vertreten, die bereits vor 111 Jahren konstruiert worden ist und 1920 und 1928 olympisch gesegelt wurde. Die Flotte Nord der kleinen Dinghys ist sehr aktiv, segelt intensiv Regatten auf der Wakenitz und auf der Alster. Zur Travemünder Woche werden die Jollen die Bahn in der Pötenitzer Wiek einnehmen.

Das Dreimann-Kielboot Drachen kann auf eine glorreiche Historie zurückblicken, gilt immer noch als die Klasse der Könige, da einige Mitglieder europäischer Königshäuser im Drachen an Olympischen Spielen teilnahmen. 1929 konstruiert war der Drachen von 1948 bis 1972 olympisch, zur Travemünder Woche wird die Internationale Deutsche Meisterschaft ausgetragen, und die Augen der Konkurrenz sind besonders auf Ingo Ehrlicher gerichtet. Im vergangenen Jahr holte der Zahnarzt aus Bayern zum ersten mal den deutschen Titel und will diesen nun mit der Erfolgscrew Malte Philipp und Thomas Auracher verteidigen.

Weit aufgefiert. Vorwind Stunt eines italienischen 12 Fuß Dinghies. Foto: James Robinson Taylor

Mit den Deutschen Meisterschaften der Seesegler:innen in den beiden Kategorien mit voller Crewstärke oder nur zu zweit an Bord (Double Hand) kommen die Yachten in den Passathafen. Die Seesegler:innen bereiten sich auf die Weltmeisterschaft vor Kiel im August vor. Gemeldet haben unter anderem die „Halbtrocken 4.5“ von Michael Berghorn (Kiel), Weltmeister 2021 und Europameister 2022 in der ORC-Gruppe A, und die „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berlin), Europameister von 2022 in der Gruppe B. Kuphal ist Team-Manager des Offshore Team Germany und war damit bis Anfang Juli ins The Ocean Race verstrickt – in der französisch-deutschen Kampagne Guyot environnement – Team Europe. Nun steuert er seine eigene Yacht und hat dabei Robert Stanjek, Phillip Kasüske und Annie Lush an seiner Seite, die als Segler beim The Ocean Race gesegelt sind. Das komplette Seesegel-Programm zur Travemünder Woche wird der rot-schwarze Renner „X-Day“ von Walter Watermann (Eigner) und Lars Hückstädt (Steuermann) bestreiten, die gerade einen sehr erfolgreichen Auftritt zur Kieler Woche hatten. „Wir kommen gern nach Travemünde. Das ist immer eine sehr familiäre Stimmung. Und in diesem Jahr ist es natürlich eine tolle Vorbereitung auf die WM“, sagt Lars Hückstädt. Für die „patent 4“ von Jürgen Klinghardt (Lübecker YC) ist die Travemünder Woche ein Heimspiel. Die Weltmeister von 2010 testen zur Travemünder Woche einige neue Crew-Konstellationen, um zur WM kurz darauf besonders für die Langstrecke gut gewappnet zu sein.

Die „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berlin) im Kiel Cup bei der Kieler Woche 2023. Foto: Kieler Woche/Sascha Klahn

Ein fester Standort im Terminkalender ist Travemünde für die Liga-Segler:innen. Die Bundesliga gastiert seit ihrer Gründung vor zehn Jahren regelmäßig an der Trave-Mündung, und auch international ist das Revier gefragt. 2018 wurde die Premiere der Youth Sailing Champions League zur TW ausgetragen, im vergangenen Jahr richtete der LYC mit seinen Mitveranstaltern dann zum ersten Mal das Finale der Sailing Champions League (SCL) auf einem deutschen Revier aus. In einem Finalkrimi gewann vor einem Jahr der NRV Hamburg, und jetzt bekommt Deutschlands erfolgreichster Club in der Liga erneut die Chance, sich die Krone des internationalen Liga-Segelns aufzusetzen. Denn nach dem Erfolg von 2022 haben die SCL-Verantwortlichen das Finale wieder nach Travemünde vergeben. 36 Mannschaften sollen vertreten sein. Doch zur Travemünder Woche geht es nicht nur um höchste Segelehren.

Mit den Ranglisten-Regatten und dem Showsegeln präsentiert sich der Sport auch in seiner ganzen Breite und sehr publikumsnah. Ein Muss seit 2004 ist der Volksbank Rotspon Cup. Lübecks Bürgermeister fordert dazu stets einen Politikerkollegen im Match Race um eine Magnum-Flasche Lübecker Rotspon heraus. In diesem Jahr wird Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther erwartet, der sich am Mittwoch, 26. Juli, dem Duell mit Jan Lindenau stellt. Gesegelt wird ab 11 Uhr auf der Trave auf den beiden historischen Zwölfer-Yachten „Sphinx“ und „Trivia“. Das Publikum kann unter der fachkundigen Moderation direkt am Geschehen dabei sein. Zu den täglichen Trave Races (ab 17 Uhr) präsentieren sich darüber hinaus die aktuellen TW-Klassen vor Publikum, außerdem wird Jugendsegeln auf nachhaltig gebauten Optimisten-Jollen gezeigt. Die Khulula-Optimisten werden aus Recycling-Material und Flachsfasern hergestellt, damit haben sie einen 85 Prozent geringeren Fußabdruck als herkömmlich hergestellte Jollen. Das Projekt wird zur Travemünder Woche in einer eigenen Pagode vorgestellt, und die Jugendsegler werden ebenfalls bei den Trave-Races vor Publikum segeln. Damit beweist die Travemünder Woche ihren Status als eine Plattform für maritime Innovationen und die direkte Verbindung von Festival und Segelsport.

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