Vendée Globe: Charlie Dalin im Interview – 1,50 Meter langer Riss im Rumpf

„Gefühle wie diese habe ich noch nie erlebt“

Charlie Dalin, Gewinner der 10. Vendée Globe hat sich mit seiner sensationellen Siegerzeit von 64 Tagen, 19 Stunden ein Denkmal gesetzt. Im großen Interview spricht er über die Magie der Vendée Globe und seine persönlichen Höhepunkte.

Charlie Dalin
Charlie Dalin am Ziel seiner Träume.

Wie fühlt sich dieser Erfolg an?

Meine Gefühle sind unbeschreiblich. Es ist das Ergebnis von so viel Arbeit! Ich bin glücklich, die Vendée Globe, dieses Monument der Hochseeregatten gewonnen zu haben und in diesen sehr exklusiven Club der Gewinner aufgenommen zu werden. Vor vier Jahren war ich ja schon einmal ganz nah dran, aber Yannick (Bestaven) hat letztlich gewonnen. Diesmal bin ich es, und es ist ein Sieg für das gesamte MACIF-Team. Ich glaube, ich bin zur Zeit der glücklichste Mensch der Welt. Gefühle wie diese habe ich noch nie erlebt. Das Überqueren der Linie im Licht der Morgendämmerung auf dem vollkommen glatten Wasser, das Boot gleitet dahin – das war einfach fabelhaft. Eine Explosion von Gefühlen in meinem Kopf: unermessliche Freude. Es war mit Abstand der schönste Zieleinlauf meiner Karriere!

Es ist eine Mischung aus Euphorie, großer Freude und Stolz – vor allem auf die Arbeit des gesamten Teams und die bedingungslose Unterstützung von MACIF. Wir haben vier Jahre lang für dieses Projekt gekämpft. Vom Entwurf des Bootes bis zu seiner Entwicklung, einschließlich seiner Optimierung, ist es eine kollektive Leistung. Ich hatte eine Menge Spaß auf dem Wasser und auch großes Glück: Das Boot ist nach der Weltumsegelung noch immer in einem perfekten Zustand. Es ist zu 100 % einsatzfähig, mit seinen Foils, den Segeln und allen funktionierenden Systemen.

Natürlich hatte ich einige Probleme, aber es ist mir gelungen, alles zu reparieren oder zu ersetzen. So konnte ich im Regattamodus den Atlantik hochsegeln. Der Wettbewerb verlief genau so, wie ich ihn mir für diese Vendée Globe gewünscht habe. Außerdem war die Konfrontation mit Yoann (Richomme) sehr außergewöhnlich. Zwischen uns entschied eine Kleinigkeit, und zwar vor Kap Frio, einem Ort, an dem die Wettermodelle sehr schlecht aussahen. Am Ende habe ich den Rekord dank Yoann gebrochen, denn wir haben uns ständig dazu gedrängt, das Beste aus uns herauszuholen. Bis zum Schluss. Wir sind ständig am Limit gesegelt, was uns zu einem unglaublichen Tempo getrieben hat. Ich fühle mich, als wäre ich erst vorgestern abgereist. Ein großes Dankeschön an MACIF für die unermüdliche Unterstützung und an das gesamte Team für die außergewöhnliche Arbeit. Dieser Sieg ist vor allem ein Verdienst des gesamten MACIF-Teams!

Überrascht sie der deutliche Vorsprung zu anderen Favoriten wie Thomas Ruyant oder Jérémie Beyou?

Ja und nein. Wenn die Bedingungen günstig sind, sind alle Boote unheimlich schnell, wenn sie nicht gut sind, sind sie eben ziemlich langsam! Dieser Zeitabstand ist für die anderen sicher hart. Er spiegelt auch nicht ein unterschiedliches Niveau zwischen uns wider. Die hinter mir waren mit dem Wetter im Indischen Ozean nicht so gesegnet. Sie gerieten zu einem Zeitpunkt in Rückstand, zu dem das nicht hätten passieren sollen. Für Yoann und mich ging es von da an recht gut weiter, während für sie eine Abwärtsspirale begann. Wir haben eindeutig nicht die gleiche Vendée Globe erlebt. Im Southern Ocean hatte ich nie mehr als 40 Knoten Wind. Es waren wirklich ganz außergewöhnliche Bedingungen und wahrscheinlich der einfachste Southern Ocean der gesamten Flotte.

In welchen Zustand befinden sie sich körperlich?

Die einzige Verletzung, die ich mir zugezogen habe, stammt von einer Segelmachernadel. Während der Reparatur eines Segels stach ich mir in der Nähe von Neuseeland tief in den Daumen. Ich befürchtete eine Entzündung, doch es ging alles gut. Einige Male wurde ich durch die Bewegungen des Bootes nach vorne geschleudert, aber ich habe mich nie ernsthaft verletzt. Ich glaube sogar, dass ich etwas weniger müde bin als vor vier Jahren, was zweifellos auf meine Erfahrung zurückzuführen ist. Obwohl – wahrscheinlich verdeckt meine Euphorie im Moment einfach meine wahre Müdigkeit.

Im Vorfeld sprachen sie davon, dass man diese Regatta um die Welt in 70 Tagen schaffen könne. Nun waren es 64…

Dieser Rekord ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Mein Hauptziel war es, zu gewinnen. Ich wusste, dass die Boote in der Lage sind, die Welt in weniger als 70 Tagen zu umrunden, aber 64? Das ist schon verrückt! Wir haben einige fabelhafte Durchschnittswerte erreicht. Mit diesen Booten haben wir sicherlich ein neues Niveau erreicht, und es macht wirklich Spaß, mit den Systemen zu spielen. Es ist ein Privileg, das bisher den Mehrrumpfbooten vorbehalten war. Diese neue Situation ermöglicht es der Vendée Globe wirklich, in eine neue Dimension vorzustoßen. Außerdem waren die Wetterbedingungen sehr günstig, vor allem im Süden und auf dem Weg über den Atlantik. Ich werde mich noch lange an das Monstertief im Indischen Ozean erinnern. Ich habe mich entschieden, es zu surfen, um in Führung zu bleiben, und das hat sich am Ende ausgezahlt. 

Haben sie ihren persönlichen Lieblingsmoment?

Die Überquerung des Atlantiks bleibt ein magischer Moment. Allein auf diesem großartigen Schiff zu segeln, war außergewöhnlich. Andere Momente haben mich ebenfalls geprägt, so die Umrundung von Kap Hoorn bei Tag oder der Umgang mit dem großen Tiefdruckgebiet im Indischen Ozean. Auch wenn es anstrengend war, war es faszinierend. Und der Kampf mit Yoann im Pazifik und im Atlantik war wie gesagt unglaublich. Er erinnerte mich an unsere Jahre auf der Figaro. Es fehlte nicht an schwierigen Momenten, wie die Reparatur eines kritischen Segels unter extremen Bedingungen vor Neuseeland oder auch der Umgang mit einem 1,50 m langen Riss im Rumpf, der eine Reparatur aus Verbundwerkstoff erforderte.

Wann war ihnen klar, dass sie siegen werden?

Ehrlich gesagt erst im letzten Moment. Vor vier Jahren dachte ich bis zum letzten Nachmittag, dass ich gewinnen würde, aber dann lag Yannick schließlich vorne. Dieses Mal habe ich es erst geglaubt, als ich tatsächlich die Linie überquert hatte.

Werden wir sie in vier Jahren wiedersehen?

Warum nicht? Ich schließe es zumindest nicht aus. Vor vier Jahren war der Wunsch, zurückzukehren, sofort da, aber das Muster war anders: Ich war nur 2 Stunden und 30 Minuten vom Sieg entfernt. Diesmal werde ich einfach das Erfolgserlebnis genießen und dann sehen wir weiter.

Und jetzt? Was haben sie vor?

Zunächst werde ich Yoann und Seb (Simon) begrüßen. Dann – wahrscheinlich nächste Woche – werde ich es sehr genießen, auf meinem Sofa leise einzuschlafen, auch wenn ich davon ausgehe, dass ich schon bald wieder in den Büros von Mer Concept erscheinen muss. Wir werden das Rennen dort ausführlich besprechen und über die Änderungen entscheiden, die am Boot vorgenommen werden sollen. Für die beiden kommenden Saisons möchten wir noch effizienter werden.

Quelle: Vendée Globe Press Office

2 Antworten zu „Vendée Globe: Charlie Dalin im Interview – 1,50 Meter langer Riss im Rumpf“

  1. PL_frikosail

    sagt:

    Danke für diesen Bericht.
    Ich glaube jeder Segler und jede Seglerin kann nachvollziehen wieviel Euphorie diese magische Vendee Globe für Charlie Dalin und auch für Yoann Richomme und morgen wohl auch für Sebastien Simon auslöst.
    Einmalig war der Ritt durch den Southern Ocean über 2300sm auf einer Backe und zur Belohnung Kap Hoorn in Sichtweite zu runden.
    Und wir, die schon früh nach dem Parforceritt durch das Auge des Tiefs im indidischen Ocean auf den Sieg von Dalin gesetzt haben können sich jetzt bestätigt fühlen. Man kann sich richtig mitfreuen und die tollen Ankunftbilder geniessen.
    Dieser Phantastische Rekord hat die Vendee Globe sicher auf eine noch höhere Stufe gehoben.

  2. Klaus Münchenbach

    sagt:

    Was für ein großartiger Mensch! And naturally Man Of The
    seven Seas too.

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