Sind es die drei Musketiere, die den Vendée Globe-Sieg unter sich ausmachen? Charlie Dalin („Apivia“), Louis Burton („Bureau Vallée 2“) und der historisch erste deutsche Teilnehmer Boris Herrmann („Seaexplorer – Yacht Club de Monaco“) scheinen ihre Führung auszubauen.
Die drei suchen die Entscheidung bei dieser neunten Auflage der Vendée Globe. Weiter hinten im Peloton haben die Verfolger bereits erkannt, dass sie mit den davoneilenden Spitzenreitern nur noch schwer mithalten können. Im Mittelfeld musste der Schweizer Alan Roura einen Tauchgang einlegen, um sein Unterwasserschiff zu kontrollieren. Alexia Barrier und Ari Huusela stehen vor einer stürmischen Kap-Hoorn-Prüfung.
Das spannende Finale ist schon eingeläutet: In weniger als fünf Tagen werden die schnellsten Boote der Vendée-Globe-Flotte im Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne zurückerwartet. Doch das Ergebnis steht noch lange nicht fest. Am Freitagabend und in der Nacht zum Samstag haben die beiden Franzosen Charlie Dalin und Louis Burton sowie der Hamburger Boris Herrmann die Chance, ihren aktuellen Vorsprung vor sechs weiteren Skippern möglicherweise vorentscheidend auszubauen. Ihr kleiner Vorsprung könnte übers Wochenende weiter anwachsen.
Dalin, Burton und Herrmann
Am Ende der Flotte dagegen blicken Alexia Barrier und Ari Huusela den womöglich härtesten Stunden ihres bisherigen Rennens entgegen, wenn sie am Wochenende das letzte und wichtigste Kap passieren. Sie werden vor Kap Hoorn voraussichtlich von Winden um 45 Knoten und schwerem Seegang erwartet.
Wenn es ihnen gelingt, sich aus dem Hochdruckgebiet zu befreien und sich in ein kleines Nebentiefdruckgebiet einzuklinken, dann dürfen Charlie Dalin („Apivia“), Louis Burton („Bureau Vallée 2“) und Boris Herrmann mit der Chance belohnt werden, sich noch etwas mehr vom Verfolgerfeld absetzen zu können. Dann könnte ihr vergrößerter Vorsprung womöglich dafür sorgen, dass sie die Podiumsplätze unter sich ausmachen. Im Kampf um das Aufspringen auf diesen Tiefdruck-Zug allerdings wird das richtige (und glückliche) Timing entscheiden. Wer es verpasst, der könnte in diesem Dreikampf auf der Strecke bleiben.
Noch immer wahrt Boris Herrmann seine Chance auf den ersten nicht-französischen Sieg in etwas mehr als drei Jahrzehnten Vendée-Globe-Geschichte. Er könnte auch mit seinem britischen Freund Alex Thomson gleichziehen, der bei der Edition von 2016/2017 auf Platz zwei segelte und 2012/2013 Dritter war. Oder mit Mike Golding, der 2004/2005 den dritten Podiumsplatz stürmte. Oder mit Ellen MacArthur, die 2000/2001 im Duell mit Michel Desjoyeaux Zweite wurde.
„Die nächsten Stunden sind sehr entscheidend“
Im Live-Gespräch mit dem italienischen Rekordsegler Giovanni Soldini, mit dem er schon mehr als 30.000 Seemeilen und damit mehr als eine Runde um die Welt gemeinsam auf Rennyachten absolviert hat, sagte der 39-jährige Herrmann während der Fernseh-Übertragung der Vendée Globe am 22. Januar:
„Die nächsten Stunden sind sehr entscheidend. Die Vorentscheidung in diesem Rennen könnte in den kommenden zwölf Stunden fallen. Wenn ich bei guter Geschwindigkeit in gutem Wind bleiben kann – aktuell segle ich gerade mit 16, 17 Knoten, wenn ich das mit einem guten Kurs in Richtung Nord-Nordost halten und mich in die stärkeren Winde im Norden dieses Hochdruckgebietes saugen und die gleiche Distanz zu Charlie halten kann, dann wäre ich sehr erleichtert.
Das Gegenteil würde passieren, wenn der Wind nachlässt und ich 70 Meilen hinter Charlie steckenbleibe und sie entkommen können. Dann würden sich die Dinge deutlich anders entwickeln. Thomas Ruyant, Damien Seguin und Yannick Bestavem sind alle hübsch aufgereiht. Wenn ich die plötzlich mit 16 Knoten segeln sehe, dann können die Plätze zwischen drei und sechs schnell wechseln. Es ist noch nichts entschieden. Es ist unglaublich, dass wir hier fünf Tage vor Ende des Rennens eine Art Neustart erleben. Ich freue mich darauf, nach Norden zu halsen und wieder in stärkerem Wellengang zu segeln, ein bisschen so, wie wir es im Southern Ocean erlebt haben.”
„Großartiger Typ“
Giovanni Soldini sagte: „Boris ist ein großartiger Segler. Er ist vielleicht ein bisschen deutsch, aber er ist ein großartiger Typ und wir haben viele gemeinsame Erfahrungen gesammelt. Ich bin so glücklich, dass es in der Vendée Globe so gut für ihn läuft. Ich denke, Boris liegt perfekt im Rennen und hat die Wetterlage gründlich studiert. Er hat insbesondere im Südpolarmeer ein starkes Rennen bestritten und ist mit einem perfekten Boot da rausgekommen. Er hat keine Schäden und das ist der Schlüssel. Er arbeitet gut mit seinem Boot und bemüht sich darum, dass er keinen Bruch erleidet. Es ist ein großer Erfolg, ein Boot in diesem Zustand zu haben.“
Auch Spitzenreiter Charlie Dalin, der am Freitagnachmittag nur 65 Seemeilen Vorsprung vor Louis Burton hatte, unterstrich in fast schon cooler Weise die Möglichkeit eines “engen Finales”. „Der Ausgang von diesem Match ist noch keinesfalls klar. Aber ich werde einfach so gut segeln, wie ich kann.”
Der präzise agierende Charlie Dalin war über die gesamte Renndauer am häufigsten Spitzenreiter, hatte die Zwischenwertungen inklusive der jüngsten am 75. Tag auf See 199 mal angeführt.
Spannendste Schlussphase aller Zeiten
Vor der führenden Gruppe liegt die spannendste Schlussphase, die bei einer Vendée Globe jemals stattgefunden hat. Die ersten Boote könnten das Ziel bereits in den frühen Morgenstunden des 27. Januars, vielleicht aber auch erst am 28. Januar erreichen.
Unabhängig davon, könnte die Ermittlung der Besetzung der Podiumsplätze etwas länger auf sich warten lassen, denn es müssen nach den Zieldurchgängen noch die Zeitgutschriften verrechnet werden, die den an der Rettungsmission für Kevin Escoffier zwischen dem 30. November und dem 1. Dezember beteiligten drei Skippern von der Wettfahrtleitung zugesprochen worden waren. Escoffiers Boot war wenige Wochen nach dem Start im stürmischen Südatlantik durchgebrochen. Boris Herrmann hat für seinen Einsatz eine Sechs-Stunden-Gutschrift erhalten. Yannick Bestaven werden 10 Stunden und 15 Minuten von seiner Segelzeit abgezogen. Und Jean Le Cam darf nach dem Zieldurchgang sogar 16 Stunden und 15 Minuten von seiner Segelzeit um die Welt subtrahieren.
Demzufolge ist es möglich, dass die Podiumsplätze nicht direkt mit dem Kreuzen der Ziellinie der ersten drei Boote vergeben werden können.
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