America’s Cup: Burling düpiert Spithill in der Startbox – Oracle vor dem Abgrund

Matchball

Nach dem Hoffnungsschimmer für Oracle folgt am vierten Renntag des America’s Cup-Duells die vollkommene Ernüchterung. Es steht nun 6:1 für Neuseeland. Am Montag steht die endgültige Entscheidung bevor. 

Nach dem Oracle Sieg am Sonntag zum 1:4 konnten sich America’s Cup Fans auf neue Spannung in einem bis dahin einseitigen Duell freuen. Aber diese Aussicht hat sich nach dem vierten Renntag in Bermuda nicht bestätigt. Neuseeland konnte zwei weitere Punkte verbuchen und hat nun ein “Matchball”-Rennen vor sich.

Bord-an-Bord-Kampf vor dem Start. Burling (links) hat Spithill im Würgegriff. © ACEA 2017 / Photo Gilles Martin-Raget

Beide Vergleiche entschieden die Kiwis schon beim Start für sich. Dabei demütigt Peter Burling seinen Gegenüber besonders im Prestart des siebten Rennens. Der Junge, dem man nach schwachen Vorstellungen gegen Ben Ainslie und bei weiteren Rennen in der Vorrunde Startschwächen bescheinigte, und der auch im 49er eher selten seine Gegner von Beginn an dominiert, dieser Segel-Überflieger lernt schnell.

Er schlägt einen ganz besonderen Haken, streut eine schnelle Foiling-Wende ein und erwischt James Spithill auf dem falschen Fuß. Der kann den Speed des von Luv herabstechenden Gegners nicht aufnehmen und muss den besonders schmerzhaften “Hook” hinnehmen, die Lee-Überlappung, nach der Burling den Weg zur Linie versperren kann.

Spithill gilt als Großer in der Startbox

Was war nicht alles über Burlings fehlende Match Race Erfahrung und mangelnde Leistung in der Prestart-Box spekuliert worden. Spithill dagegen gilt als Großer in dieser Disziplin spätestens seit er 20o7 am Luna-Rossa-Steuerrad besonders mit starken Starts das Herausforderer-Finale von Valencia erreichte.

Da ist er der Hook vor dem Start. Oracle (r.) muss anluven. © ACEA 2017 / Photo Gilles Martin-Raget

2006, als das Duell-Segeln noch etwas zählte, behauptete er Platz zwei in der Weltrangliste, und im Jahr davor wurde er Weltmeister. Aber das ist eben auch schon mehr als zehn Jahre her. Und die Time-on-distance-Kunst zur Linie wurde im Zeitlupen-Modus auf Kielyachten erlernt.

Das alles scheint keine Relevanz mehr zu haben, denn Emirates Team New Zealand Steuermann Peter Burling zeigt eine atemberaubend steile Lernkurve. Er hatte beim eintönigen, einsamen Training in Auckland kaum eine Chance, seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu verbessern, während Spithill in Bermuda endlose Matches mit Sparringspartner Dean Barker absolvierte. Und das war sich auch bei den ersten Duellen des Neuseeländers zu sehen.

Speed allein reicht Kiwis nicht mehr

Er musste sich allein auf den Speed verlassen, und war mit der No-Risk-Strategy auch gut beraten. Aber nun, da die Oracle-Gegner deutlich schneller geworden sind, reicht es nicht mehr aus, dem Kontrahenten das Startfeld zu überlassen und auf dem Kurs zum Überholmanöver anzusetzen.

Tanz in der Starbox. NAch einer Foiling-Wende greift Burling an. © ACEA 2017 / Photo Gilles Martin-Raget

Burling muss im Prestart punkten, und genau das tut er. Sieben von acht Starts hat der Neuseeländer gegen den Australier für sich entschieden. Bei den meisten konnte er sich auf den Speed und Fehler von Spithill verlassen, der allein zwei Frühstarts produzierte. Aber bei diesem achten Rennen düpiert er Spithill auf klassische Weise.

Man muss dem Australier zugute halten, dass der neue Speed, den die Oracle-Designer aus den Foils gequetscht haben, offensichtlich zu Lasten der Manövrierfähigkeit geht. Die “17” hebt sich nicht mehr so gut auf ihre schmaleren Tragflächen. Und die Neuseeländer haben diese Schwachstelle offensichtlich genau erkannt. Aber auch im Kiwi-Lager ist man begeistert, wie exakt Burling das Hook-Manöver im High-Speed-Modus ausgeführt hat.

Lage falsch eingeschätzt

Aber auch das Timing zur Linie im siebten Rennen ist so auf den Punkt, dass selbst Spithill es nicht glauben  kann. Er bekundet gegenüber seinem Taktiker, dass die Kiwis zu früh seien und steuert selber einen Luv-Schlenker, um nicht selber zu früh zu sein. Aber der Oracle Steuermann schätzt die Lage falsch ein. Burling ist mitnichten zu früh. Er führt sein Team zum ungefährdeten Sieg mit 11 Sekunden Vorsprung.

Die Überlappung in Lee ist hergestellt. Oracle ist zu spät auf den Foils. © ACEA 2017 / Photo Gilles Martin-Raget

Das achte Rennen geht gar mit 29 Sekunden an die Kiwis. Dabei gelingt den Herausforderern auch auf dem Kurs eine perfekte Leistung. Während am Samstag noch der sechste Schlagabtausch durch fahrlässige Deckungsarbeit verloren gegangen war, haben die Kiwi-Analysten nun eine deutlich dominantere Strategie ausgearbeitet.

Auf der noch immer extrem löchrigen Bahn in Bermuda sichert Burling seinen Vorsprung nun deutlich aggressiver im engen Zweikampf-Modus. Besonders beeindruckend dabei: Wenn die Neuseeländer eine Möglichkeit sehen, die knappe Dominanz auszubauen, funktioniert es bestens. Sie lassen einen Split des Gegners nur dann zu, wenn sie auf ihrem Kurs klare Möglichkeiten entdecken, die Windschwankungen zu ihren Gunsten auszunutzen.

Spithill würgt Kat um Tonne

In beiden Rennen bauen sie den Vorsprung auf diese Weise mit großer Sicherheit aus, und erreichen sogar in Rennen acht eine hundertprozentige Flytime während Oracle bei den Angriffsversuchen von den Flügeln rutscht. Danach dauert es extrem lange, bis sich der US-Kat wieder in die Fluglage bringt. Bei einer Leetor-Runde würgt sich der Verteidiger geradezu im Lowrider-Modus um die Tonne.

Oracle verliert kurzzeitig den Grip des Ruders im Wasser. © ACEA 2017 / Photo Ricardo Pinto

Es fehlt die Phantasie, wie Oracle diese Situation noch einmal drehen soll. Spithill müsste Starts gewinnen, aber das gelingt überhaupt nicht. Mit dem schnelleren aber weniger manövrierfähigen Boot auf den kleineren, verlängerten Highspeed Foils scheint das noch schwieriger erreichbar zu sein.

Am Montag könnte das Kapitel Oracle im America’s Cup geschlossen werden. Die Kiwis haben beste Chancen, ihren Matchball zu verwandeln.

360 Grad on board Kamera-Perspektiven:

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

3 Kommentare zu „America’s Cup: Burling düpiert Spithill in der Startbox – Oracle vor dem Abgrund“

  1. avatar Sven 14Footer sagt:

    VERWANDELT! Super, die Kiwis haben die Kanne gewonnen! Und was für einen fetten Vorsprung!
    Herzlichen Glückwunsch!

  2. avatar Südlicht sagt:

    das könnte ein Rennen am unteren Windlimit werden, da ist Topfschlagen angesagt, solange die Kiwi’s gewinnen ist es mir egal, Hauptsache nicht “Mr. super arrogant Spithill”

  3. avatar Kwasi sagt:

    Sieht wohl so aus als sei heute zu wenig Wind…?

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