Knarrblog: Varianta Männertörn auf dem IJsselmeer. Stavoren – Workum

Freiheit, Faszination und Flatulenzen

Harte Vorschiffsarbeit auf 38 Jahre alten Varianta. © SegelReporter.com

Herrlich, diese Freiheit. Einfach die Leinen los und ab geht´s. Nicht erst Brote schmieren, Tee kochen, Pipi machen, aufräumen, abwaschen oder was auch immer. Es geht los, wenn es eben losgeht. Nicht Stunden später. Ohne viel Gerede. Ein kurzer Augenkontakt, ein kräftiger Stoß vom Steg und das weite Wasser liegt voraus. Fock ausgerollt, Schot dich. So segeln Männer.

Männertörns zeichnen sich durch die Abwesenheit von Frauen aus. Und das hat durchaus etwas Erholsames. Schon der erste Segeltag in maskuliner Zweisamkeit unterstreicht dieses Phänomen, das ich einmal bei einer heftig diskutierten Titelgeschichte für die YACHT untersucht habe.

Das darf man Zuhause natürlich niemals offen zugeben. Die Angetrauten sollen ruhig ihre Meinung bestätigt wissen, dass wir kaum in der Lage sind, alleine zu überleben. Sie sollen weiter glauben, dass es unbequem ist, bei Nieselregen und Starkwind mit einer Nussschale über das IJsselmeer zu holpern.

Ist es auch. Wir schaffen auch nur das Törnchen von Stavoren nach Workum. Aber die wenigen Meilen ohne Reff im schlagenden Groß mit übergroßer Genua, ordentlich Krängung und guten sechs Knoten beleben dennoch den Geist.

Man muss auch einmal schweigen können. Nicht jede Gefühlsregung kommentieren. Man muss sich auch einmal gehen lassen dürfen. Flatulenz-Probleme sollten nicht ständig unterdrückt werden.

Aber auch Männer können sich auf hohem Niveau unterhalten. Wenn bei Hindeloopen zum Beispiel der Dreimast-Rahsegler „Souvereign“ vorbei dümpelt. „Nur zwei Tücher gesetzt, das Weichei.“ „Käptn Hornblower hätte mehr Gas gegeben“ Die alten Segelbücher aus der Jugend werden lebendig. „Der Hornblower hatte es drauf. Wie der damals den Franzosen versenkte. Schön nach Luv gekämpft, eine Breitseite, Peng…“

Workum liegt schneller vor dem Bug als geplant. Schade eigentlich. Anlegen unter Segeln. Das ist Ehrensache. Die Varianta ist schließlich mehr Jolle als Yacht. Und wir haben es auch drauf, pah.

Wie schnell das Essen auf dem Tisch ist. Ravioli aus der Dose. Dass es so etwas noch gibt. Nicht groß aufdecken und hübsch machen. Die Teller werden sauber abgeleckt. Klar ist das peinlich. (Kinder, wehe ihr macht das nach. Unappetitlich! Völlig niveaulos). Aber es hilft beim Abwasch.

Es tut sooo gut, etwas richtig Verbotenes zu tun. So richtig über die Stränge zu schlagen. Ich glaube gar, wenn wir ein Klo an Bord hätten, wir würden uns nicht hinsetzen. Wir würden versuchen, diese längst gestürmte Bastion des wahren Mannes zurückzuerobern. Aber nur, wenn es keiner sieht. Aufstand des kleinen Mannes.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

6 Kommentare zu „Knarrblog: Varianta Männertörn auf dem IJsselmeer. Stavoren – Workum“

  1. MAUERSEGLER sagt:

    …LeLiLa – meine erste Nacht auf einer “Segelyacht”: Unvergessen! Ebenso der Varianta-Stadtmeistertitel mit einer Runde Vorsprung (Ihr hättet die Ausreitgurte von damals wieder einbauen sollen, dann hättet Ihr ordentlich hängen können bei der Kanalkreuzerei

    Sehr schön, das!

  2. Steini sagt:

    Danke Andreas für deinen Kommentar. Du kannst bei Carsten anfangen. Oder mit dre Nummer auftraten. Gruß

  3. Andreas Ju sagt:

    Will ich auch.

    Dazu passend eine heimische Diskussion von gestern Abend über die Himmelfahrtswochenenden-Planung mit der Innenministerin.

    „Wollen wir nicht segeln gehen, in die Schlei, Marstal, oder so“ (Wir haben eine Sun 2000 und somit noch kleiner als die Varianta, einen 6jährigen und ein Baby. Es wäre also herrlich eng und gemütlich).

    „Zu viert – das geht doch nicht“ (bislang haben wir sowas zu dritt gemacht, ohne Baby)

    „Klar geht das – die Kinder kriegen wir schon im Vorschiff zum Schlafen“

    „Aber vielleicht ist zu viel Wind“ (wir reden über einen Termin in 2 Wochen)

    „???“

    „Wenn dir was passiert, weiß ich auch nicht, was ich machen soll“ (Die Innenministerin segelt seit 8 Jahren – mit)

    „Wieso, das war früher doch auch nicht anders“

    „Aber jetzt ist Matti größer“

    „???“

    „Und überhaupt – das ist mir alles zu unsicher. Lass uns doch eine Fahrradtour machen“

    „Ja, und das Boot verkaufen. Das macht so alles ja keinen Sinn“

    Der Rest des Abends litt etwas unter atmosphärischen Störungen

  4. Peter sagt:

    Hey Carsten, danke fürs Teilen der Eindrücke und insbesondere für den Link zu deinem Männertörnartikel. Die reine Wahrheit 🙂

  5. Stefan sagt:

    Ravioli isst man direkt aus der Dose, spart sogar das ablecken des Tellers.

  6. Backe sagt:

    Carsten, Chapeau! Da bekommt man als mit bestem Material verwöhnter 11m-Kevlarsegel-Boot-Fahrer völlig unverständlicherweise Lust auf eine Mottenkiste wie die Varianta mit speckigem Dacron und Dosenfutter! Tolle Idee und tolle Schreibe! „Segeln ist cool und faszinierend!“ Mehr davon!