1,6 Millionen Euro Verlust. Der Sitz der Redaktion des führenden französischen Segelmagazins wurde von Paris nach Rennes verlegt. 21 von 29 Angestellten verloren ihren Arbeitsplatz.
Das Segelmagazin „Voiles et Voiliers“ stampft schon seit Jahren in bewegter See mit Wind gegenan. Im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise 2008/09 wurde die französische Wassersportbranche stark gebeutelt, etliche große Unternehmen der Branche gingen pleite, es gab dramatische Arbeitsplatzverluste im großen Stil.
Das machte sich, wie in anderen Ländern, auch bei den Werbeinnahmen der französischen Wassersport-Magazine deutlich bemerkbar. Schmerzhafte Einbußen von weit über 70 Prozent waren, auch über längere Zeiträume von mehreren Jahren, keine Seltenheit.
Wunden von der Wirtschaftskrise
Das führende französische Segelmagazin „Voiles et Voiliers“ wurde von den radikalen Einschnitten seiner Werbeeinnahmen besonders hart getroffen. Kurz vor der Krise hatte man den Schritt zu einer Redaktionsvergrößerung gewagt, um mit verstärkter journalistischer Präsenz bei Regatten und Tests beim Leser zu punkten. Aber die Rechnung ging nach der Krise nicht mehr auf.
Verstärkte Maßnahmen im Bereich der Anzeigenakquise, erhöhte Bemühungen beim Vertrieb (u.a. wurde der Verkaufspreis deutlich erhöht) brachten das Schiff „Voiles et Voiliers“ zwar wieder auf Kurs, doch von der wirtschaftlichen Performance der Jahre vor der Krise war man weit entfernt. Das Blatt schrieb weiter rote Zahlen.
Es entstand ein für heutige Zeiten fast schon klassisches Ungleichgewicht: Die Redaktion, also Festangestellte und freie Journalisten, inklusive Grafik- und Web lieferten hervorragende journalistische Arbeiten ab, doch wirtschaftlich ging es dennoch bergab. Zudem musste der Aufbau einer eigenen Online-Redaktion (zwei Redakteure) finanziert werden – die Einnahmen vom Verkauf der „digitalen Ausgabe“ des Magazins reichten hierfür bei Weitem nicht aus.
Gute Medienresonanz
Die Redaktion hatte als eigenes Unternehmen ihren Sitz in Paris, das Verlagshaus „Ouest France“, zu 100 Prozent Kapitalgeber und Anteilseigner der Redaktionsgesellschaft, sitzt in Rennes. Dieses „Mutterschiff“ hat u.a. weitere maritime Fachzeitschriften im Portfolio und verlegt zudem die Wochenzeitung „le Marin“.
Seit Beginn des letzten Jahres begann es nun in der Gerüchteküche zu brodeln. Es sickerte durch, dass man die Anzahl Arbeitsplätze in der Redaktion von „Voiles et Voiliers“ drastisch kürzen müsse. Dabei solle aber bitteschön das journalistische Niveau möglichst gehalten werden.
Erste Widerstände formierten sich innerhalb der Redaktion. Ein Blog wurde eingerichtet, um die Bestrebungen der Verlagsleitung bzw. des Kapitalgebers publik zu machen.
Mit guter Resonanz, denn in Frankreich funktioniert die Solidarität der Journalisten untereinander richtig gut. Große Tageszeitungen wie „Libération“ nahmen sich des Themas an. Was jedoch die Bosse bei „Ouest France“ nur wenig beeindruckte. Konsequent wurde hinter den Kulissen an einer „drastischen Kürzung der redaktionellen Kapazitäten“ gebastelt. Mitte 2014 platzte dann die „Bombe“ an Bord von „Voiles et Voiliers“: Man werde den Sitz der Redaktion von Paris nach Rennes, sozusagen ins „Mutterhaus“ verlegen.
Alter Trick
„Ouest France“ bedient sich dabei eines alten kapitalistischen Tricks. Würde man offiziell betriebsbedingte Kündigungen vornehmen, bekäme man es mit den französischen Gewerkschaften zu tun. Verlegt man jedoch den Sitz in die Provinz, kann man davon ausgehen, dass nur wenige Mitarbeiter folgen werden. So ist mit „ein paar Kollateralschäden“ eine deutliche Kostenkürzung zu erreichen.
Drastische Einkommenseinbußen wurden „in Aussicht“ gestellt (das Einkommensgefälle in Frankreich zwischen der Hauptstadt und der Provinz ist enorm), eine Beteiligung an den Umzugskosten abgelehnt, die Schikanen wollten kein Ende nehmen. Die Argumentation der angestellten Redakteure: „Mit ein bisschen Goodwill hätte man durch Umzug in andere Büroräume, etwa in Pariser Vororte, viel Geld sparen können. Doch hier ist offensichtlich: Man will das Magazin auf unserem Rücken wieder profitabel machen!“
Zur Herbstmesse „Salon Nautique“ in Paris klebten die Redakteure allerorten Protestplakate, was wiederum eine deutlich reduzierte Anzahl Werbeabschlüsse während der Messe nach sich zog. Ende 2014 wurden die Verluste von „Voiles et Voiliers“ auf 1,6 Millionen Euro geschätzt – ein wirtschaftliches Desaster für ein Fachmagazin.
Einfach mal eben zensiert
Doch trotz des öffentlich mit großer Aufmerksamkeit wahrgenommenen Protestes, wurden in der vergangenen Woche die Redaktionsräume von Voiles et Voiliers in Paris geschlossen. Zuvor meldete sich die Redaktion in einem Statement in der laufenden Ausgabe des Magazins zu Wort, wurde aber nach Redaktionsangaben dabei zensiert.
Ein beschwichtigender Artikel der Verlagsdirektion, in dem scheinheilig davon gesprochen wird, „dass nicht alle Journalisten der Redaktionsumsiedlung folgen können“ wurde direkt daneben gestellt. Beide Artikel wurden auch auf der Website von „Voiles et Voiliers“ veröffentlicht – Hunderte von Solidaritäts-Kommentare und –Mails, die daraufhin gepostet wurden, ließ die Verlagsleitung nach zwei Tagen einfach entfernen.
Bilanz dieses „Umzugs des Redaktionssitzes“: 21 von 29 Angestellten (Redakteure, Webtechniker, Grafiker etc.) verloren ihren Arbeitsplatz, zwei Journalisten, darunter der Interims-Chefredakteur, werden in Kürze ihren neuen Arbeitsplatz in Rennes beziehen, der Name des neuen Chefredakteurs soll in Kürze bekannt gegeben werden.
Im Moment besteht die Redaktion aus zwei angestellten Journalisten – über die Anzahl geplanter Neueinstellungen schweigt sich die Verlagsdirektion aus. Man versichert jedoch, dass das „journalistisch gewohnt hohe Niveau“ beibehalten wird. Na denn…
Blog der entlassenen Redakteure von Voiles et Voiliers
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