Wieder die J/70 auf deutschen Gewässern knechten. Die Vorbereitung auf die Segelbundesliga-Saison hat begonnen. Ob die Reflexe noch funktionieren? Mit dem WVH-Team in Hamburg und Berlin.
Umarmungen, Jubelschreie, Siegerfäuste. Die Erinnerung ist noch präsent. Das erste Liga Rennen mit dem WVH-Team am Starnberger See war ein emotionaler Höhepunkt. Der erste echte Leistungstest mit der neuen Crew aus Bremen. Ein perfekter Einstand. Fast ein Jahr liegt die Erfahrung zurück. Seitdem sind wir noch nicht wieder gemeinsam gesegelt.
Aber wer braucht mich schon? Jan führte den WVH aufs Podium beim Championsleague-Finale in St. Moritz, wir würfelten uns nochmal für Kiel zusammen und beim Finale in Hamburg machte er Rang 4 in der Liga-Saison 2018 klar – die erneute CL-Qualifikation.
Nun also auf ein Neues. Für diese Saison muss ich öfter ran. Mit der Championsleague-Qualifikation in St. Petersburg sind es gleich vier Regatten in nur leicht veränderter Konstellation. Ein spannendes Jahr! Ob wir nochmal so einen Spaß wie in Starnberg erleben dürfen?
Eingerostet an der Pinne
Die Vorbereitung ist gestartet. In Hamburg beim Budwar Cup läuft es schon ordentlich. Gut, ich bin noch etwas eingerostet sieben Monate nach dem letzten Einsatz an der Pinne. Aber es fühlt sich sofort wieder gut an. Und das Leihschiff von Thomas Wieting (Shipshape) ist richtig gut in Schuss.
Wie immer geht’s um Kommunikation auf diesen Schiffchen. Wer meint was, hört, versteht, sagt an? Ich höre nicht zu, meine, was zu sehen und schippere aus bester Start- Position in die Flaute.
Unnötig. Schließlich sind noch zwei starke Skipper an Bord. Markus Maisenbacher ist einer der besten deutschen Contender-Segler und Eike Martens spielte bei den Finn Dinghys und im Laser ganz vorne mit.
Aber es wird besser. Und schließlich geht es hauptsächlich darum, das Risiko so zu minimieren, um nach fünf Rennen die Topp acht der 28 Boote-Flotte zu erreichen. Am Sonntag dürfen die dann das im Liga-Format üben, während der Rest auf dem Outer Loop drumherum kurven muss. Und das ist kein großer Spaß.
Diese Regatta ist vor zwei Jahren aus einem erweiterten Liga-Training entstanden. Erstaunlich, dass jetzt schon fast 30 Crews dieses moderne Kurzrennen-Format erleben wollen. Das Liga-Fieber ist wieder entfacht.
Blinder Jibe-Set
Mit einer soliden Serie kommen wir auf Rang drei weiter, ein Punkt vor dem zweiten WVH-Boot. Ein schönes Team-Ergebnis. Neun 12 bis 15 Minuten-Rennen – eigentlich ein völlig anderer Sport. Es geht um Reaktionsvermögen, Schachspiel auf dem Wasser, diese ganz speziellen Starts, Infights mit einzelnen Gegnern und die Gunst der Schiedsrichter. Sie entscheiden sofort auf der Bahn .
Ein paar echten Highlights mit zwei Siegen folgt mein völlig blinder Jibe-Set an der Luvtonne. Kite hoch und sofort halsen. Irgendeine Böe habe ich da aus dem Augenwinkel erkannt. Und eigentlich klappt das bei dieser Windrichtung immer – nun ja, fast immer.
Aber die gute Alster will so früh im Jahr noch nicht so, wie sie soll – wie gelernt bei unzähligen Drachen-Club-Regatten. Über den Bäumen nahe unter Land kommt nicht der übliche Drücker reingerauscht. Er bleibt wohl zwischen den Blättern hängen. Wir stehen, stehen und stehen, und reihen uns reumütig weit hinten wieder ein.
Chance zur Meuterei
Es wäre ein guter Zeitpunkt für eine Meuterei. Aber die Jungs tun so, als wäre nix passiert. Tjorben holt mit seinem Tanz auf dem Vorschiff wie üblich die Kohlen aus dem Feuer. Ich streue zwar noch einige Aussetzer ein, wie einen fast-Crash mit einem Kollegen, den ich nicht zu unserer Startgruppe zählte, aber wir reden viel, analysieren gut und gewöhnen uns langsam wieder aneinander.
Es geht viel um Erkenntnisse wie, wenn-er-das-so-sagt- ist- das-so-gemeint-und-nicht-so – also das Erkennen zwischen wertfreien Infos oder Aufforderungen für Entscheidungen, um Tonfall um Verständnis und Vertrauen. Die Hektik des Kurzrennformats kristallisiert die wichtigsten Erfolgszutaten perfekt heraus.
Es hakt noch an einigen Enden, aber wir kommen besser in die Spur. Ein Punkt hinter NRV-Tobi in der Kurzrennserie und hinter den überraschend starken Zweitligisten aus Lübeck. Malte Student, der junge ehemalige Opti-Star vom LYC führt sein erfahrenes Team zu einer starken Serie. Aber auch WVH-Kollege Seekamp kommt immer besser in Fahrt, baut mit Sven Gauter und Wilhelm von Wehye zwei neue Teammitglieder ein und behauptet Platz vier.
Frühlingserwachen in Berlin
Schade, dass er am nächsten Wochenende schwächelt. Eigentlich wollten wir auch mit zwei Booten beim Frühlingserwachen in Berlin antreten, und uns im Liga-Format stählen. Aber der Mann meldet sich krank ab.
So übernehmen wir die Aufgabe, die neue Allzweckwaffe Sven auf dem Vorschiff einzuspielen. Auch Tjorben soll in der Saison mal eine Entlastung haben. 2018 riss er bei acht Regatten in Rekordzeit den Gennaker ins Masttopp und stopfte ihn wieder unter Deck. Sven ist eher der Trimmer, saß bei den vergangenen Meister der Meister Rennen bei mir an der Fockschot und ist seit vielen Jahren Herr und Meister einer der größten Spinnaker Deutschlands – vom Zwölfer „Trivia“.“
Freitag knapp vor Mitternacht stellen wir das Schiff am Kran ab. Eine unheimliche Atmosphäre. Das Mondlicht schimmert zwischen den an Land aufgebockten Yachten. Sie verbreiten Tristesse. Wie Fische auf dem Trockenen.
Über knarzende Dielen beziehen wir die Zimmer im ehrwürdigen VSaW-Clubhaus. Der zweitälteste deutsche Segelverein steht mit seinen 151 Jahren wie kaum ein anderer für die Segelsport-Historie im Lande. Man mag in den ehrwürdigen Hallen den Glanz der drei Olympia-Medaillen spüren, die unten in der Vitrine hängen.
Eine der Goldenen ist die erste im Segeln für Deutschland überhaupt. Peter Bischoff und Hans-Joachim Weise gewannen sie 1936 überlegen im Starboot. Gold und Bronze daneben steuerte Willy Kuhweide 1964 und 1972 bei.
Liga als Zugpferd
Das Feld in Berlin ist mit 15 Booten kleiner als in Hamburg, aber mit uns sind Crews von sechs Erstligisten am Start – 2x Rupenhorn, VSaW, 2x Berliner Yacht-Club, SV03 (also viermal Berlin) plus Düsseldorfer Yacht-Club -. Dazu kommt der ASV Warnemünde, der erst am letzten Spieltag das Abstiegsduell mit den Düsseldorfern verlor. Die Rostocker sind gleich mit drei Booten angereist. Beim ASVW funktioniert die Liga als Zugpferd für den Nachwuchs perfekt.
Die Winterlager-Atmosphäre ist schnell vergessen, als der Wannsee mit kurze-Hosen-Wetter aufwartet. Wenn jemand den Reiz dieses Sports nach der langen Winterpause vergessen haben sollte, so ist er bei diesen Bedingungen im Kurzrennen-Format bei gleich acht Rennen auf hohem Niveau sofort wieder präsent.
Der Wind weht zwar noch eher vorsichtig, unentschlossen und leicht über die Bahn vor dem Strandbad Wannsee, aber wir kommen ganz gut in den Tag. Als die beiden Flotten am zweiten Tag dann in Gold und Silber aufgeteilt werden, und Rasmus etwas stärker die Backen aufbläst, wird es dann schwieriger.
Meine Starterei hakt, ich verursache sogar einen Crash auf der Linie und überhöre einige gute Ansagen der Jungs. Aber es besteht Hoffnung, dass uns genau diese kritische Situationen weiter bringen, wieder als Team zu funktionieren.
Etwas überrascht stehen wir auch nach dem Sonntag immer noch gut da. Der knappe Vorsprung vom Samstag hat ausgereicht. Der Konkurrenz mag es auf dem Wasser ähnlich ergangen sein. Bei den veränderten Bedingungen segeln plötzlich andere Teams vorne. Besonders Robert Remus vom ASVW, Coach, Segelmacher und ehemaliger 470er Spitzensegler, arbeitet sich mit einer starken Serie noch auf Rang zwei nach vorne. In dieser Form sind die Warnemünder heiße Favoriten für den Wiederaufstieg.
Ergebnisse Frühlingserwachen VSaW Berlin
Es fühlt sich wieder richtig gut an, auf dem Wasser mit Gleichgesinnten rumzukämpfen. Und man weiß diese Kurzrennen immer mehr zu schätzen, je länger man wieder unbefriedigende Wartezeit auf Wasser bei klassischen Klassen-Regatten verbracht hat. 17 Rennen werden es am Ende in zwei Tagen, obwohl die Bedingungen für den Wettfahrtleiter nicht einfach waren. In gut drei Wochen wird es dann ernst. Liga-Auftakt in Starnberg. Die Erinnerung ist noch präsent.
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