Szene: Diskussion über Nachhaltigkeit im französischen Bootsbau – alles dreckig oder was?

Mit Thunberg auf richtigem Kurs?

Malizia in Action – hiermit soll Greta Thunberg den Atlantik bezwingen. © liot

Seit Boris Herrmann ankündigte, dass er die Umweltaktivistin Greta Thunberg auf seiner IMOCA „Malizia“ nach New York segeln werde, laufen auch in Frankreich die Gemüter zum Thema Ökologie im Bootsbau heiß. Sogar Werftbosse rechtfertigen sich.

Eigentlich ist die französische Hochsee-Segelszene nicht gerade für ihr ökologisches Verhalten bekannt. Zwar wird immer wieder betont, wie CO2-frei man doch über die Weltmeere segle, wie sauber der Segelsport als solcher sei und wie sehr man die Ozeane liebe, auf denen man mit IMOCA, Ultim Trimaranen, Figaros und Minis (um nur die aktuell bekanntesten Klassen zu nennen) unterwegs ist. 

Doch echtes ökologisches Engagement war und ist bisher nur in Nischen auszumachen. Die Big Player – also Rennställe mit durchaus wegweisendem Charakter in der Szene – wollen per Definition nur das Eine: Möglichst weit vorne bei den prestigeträchtigen Regatten landen. Um für das Sponsorship ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erreichen und um somit die Voraussetzungen für die nächste Kampagne zu schaffen. Die dann bitteschön wieder mit neuen, noch schnelleren, noch spektakuläreren Booten gesegelt werden soll. 

Greta und Svante Thunberg haben Boris Herrmann im Juli in Paris getroffen. © Team Malizia

Wer in diese Domäne echte Ökologie, auch im Sinne einer umweltbewussten Nachhaltigkeit einbringen will, müsste zunächst zwei enorm hohe Hürden nehmen. Zum Einen Sponsoren überzeugen, die in Sachen „Ökologie“ buchstäblich sauber sind und zum Anderen eine Werft finden, die ein konkurrenzfähiges Boot unter ökologischen Bedingungen mit ökologisch vertretbaren Materialien bauen kann. 

Beides dürfte ziemlich schwer aufzutreiben sein.

Banken, Versicherungen, Fast-Food-Gastronomie und Metzger

Die größten Geldgeber im französischen Hochseeregattasport sind Banken und Versicherungen (Banque Populaire, Edmond de Rothschild, Macif), die wiederum ihr Geld mit Sicherheit nicht mit umweltbewussten Anlagegeschäften verdienen. Auch ein Fleisch-Gigant wie Charal, auf dessen in Plastik verpackten Steak Haché nur äußerst selten ein Bio-Label klebt oder ein Fast-Food-Produzent wie Sodebo sind weit entfernt von einem ernsthaften ökologischen Anspruch. 

Oder anders formuliert: Würden sich solche Sponsoren mit Ökologie in welcher Form auch immer schmücken, würden sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit per se der Lächerlichkeit preisgeben.

Arkea Paprec, Imoca, Vincent Riou, Sebastien Simon
Kann es überhaupt sauberen High Tech Bootsbau geben? © arkea paprec

Noch kritischer ist die zweite Hürde beim ökologischen „Wettlauf“ zur Spitze einer Hochseeregatta. Werften, die konkurrenzfähige Boote bauen, sind bekanntlich ebenfalls in einen Kreislauf eingebunden: Sie müssen die immer anspruchsvolleren Risse höchst kreativer Designer umsetzen. Die wiederum davon ausgehen, dass leistungsfähige im Sinne von schnellen und extrem robusten Materialien zum Einsatz kommen – um das vereinfacht auszudrücken.

Nehmen wir naiverweise an, ein Spitzendesigner oder eine Edelwerft entscheiden sich von heute auf morgen, ökologische(re), dafür aber im Idealfall etwas langsamere Werkstoffe einzusetzen. Wie lange würden die sich auf einem heiß umkämpften Markt wohl halten? 

Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen… auch das könnte besser sein

Auch in Frankreich sind dies hinlänglich bekannte und häufig diskutierte Aspekte – in und außerhalb der Szene. 

Wer sich mit den Préparateurs, Bootsbauern, Werftarbeitern und Technikern in der Mittagspause oder beim Apéro unterhält, kommt erstaunlicherweise schnell auf das Thema Ökologie. Zwar spielen hier noch der Erhalt von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen beim Umgang mit hochgiftigen Stoffen verständlicherweise wichtige Rollen, doch macht man sich durchaus Gedanken darüber, was in der Öffentlichkeit mehr und mehr diskutiert wird: Das tatsächliche Umweltbewusstsein hinter dem vermeintlich sauberen Segelsport. 

„Haben wir überhaupt noch eine berufliche Zukunft im Umgang mit Karbon, Epoxid und Co.?“ lautet eine häufig gestellte Frage. Und „wie lange soll und wird das wie zur Zeit noch weitergehen?“

Kann eine IMOCA überhaupt grün werden?

So kam die Ankündigung von Boris Herrmann und der Aktivistin Greta Thunberg, man wolle gemeinsam auf der Foil-IMOCA „Malizia“ nach New York zu einem Klimagipfel segeln (SR-Bericht) zu einem perfekt gesetzten Zeitpunkt. In französischen Medien wurde das Thema begeistert aufgenommen – auch hier herrscht während der Sommerferien das berühmt-berüchtigte Sommerloch.

Noch besser: Das Thema polarisierte von Beginn an. Anders als in Deutschland, wo man sich neben ökologischer Schelte vor allem um die Sicherheit von Frau Thunberg sorgt, machten sich die Franzosen gleich über den vermeintlich ökologischen Aspekt der Reise her.

Es gab in einigen namhaften Tageszeitungen durchaus kritische Artikel zu den Themen „Zero CO2“, Nachhaltigkeit auf Karbon-IMOCA oder Ökologie im Segelsport. Und das in einem Land, wo Hochseesegeln sozusagen zum Kulturgut zählt und die Vendée Globe Aufmerksamkeitswerte wie die Tour de France erreicht.

Themenschwerpunkt: Kann eine IMOCA überhaupt „grün“ sein? Und was hat dann eine Greta Thunberg auf so einem Boot verloren? Warum segelt sie nicht mit einem Lastensegler aus Holz nach New York? 

Schnell, schnell, am schnellsten… aber auch sauberer? © macif

Die eher linksliberale Tageszeitung „Libération“ – sonst dem Hochseesegeln sehr wohlgesonnen – verwies u.a. auf einen Artikel, der auf der IMOCA-Klassenseite seltsamerweise verschwunden war (den man aber in den Google-Archiven immer noch findet).

In dem fraglichen Text ging es um die Rückkehr der teilnehmenden IMOCA von der letzten Transat Jacques Vabre: von 13 Booten wählten 7 den Transport auf einem Cargo. Viele Umweltaktivisten hatten damals (vor 1,5 Jahren) vorgerechnet, was das allein an Emissionsausstoß nach sich ziehen würde. 

Alles sauber?

Überhaupt, die Sauberkeit! Nachdem auch beim französischen Segelmagazin „Voiles et Voiliers“ auf der Facebook-Seite viele entrüstete Kommentare in Bezug auf die Ökologie der Boote eingingen, machten die Kollegen bei V&V Nägel mit Köpfen und befragten Yann Penfornis von der IMOCA-Werft Multiplast und Yann Dollo von CDK Technologies zur Zukunft des High Performance-Hochsee-Bootsbaus.

Charal, Beyou
Innovative Bugform für das Fleisch-Imperium Charal. © Yvan Zedda / Alea

Dabei kamen einige interessante Aspekte zutage. Neben Plattitüden wie „Wer im Bett bleibt, verschmutzt die Umwelt am wenigsten“ wurde deutlich, dass man auch bei solchen Spitzenwerften das Dilemma in Bezug auf echte Nachhaltigkeit beim Bau von Booten im Stil der IMOCA macht.

So wurde klar, dass man dem Thema „Recyclingfähigkeit von Neubauten“ immer mehr Aufmerksamkeit zollt. Penfornis: „In unseren Werkstätten haben wir gerade die Formen für die zukünftigen AC 75s (America’s Cup) auf Basis von trockenen Kohlefasern aus dem Rückbau der AC 50s hergestellt. Und die Vorformen dieser Formen, die aus Polystyrol – Epoxidkruste – hergestellt sind, wurden zur Beheizung des Schwimmbades in Lorient wiederverwendet!“

Wer ist schon perfekt?

Penfornis weiter: „Wir sind wirklich keine Heiligen! Ich weiß sehr wohl, dass das Kochen von Harzen bei 120°  nicht ökologisch ist. Ich bin nicht immer sehr stolz auf das, was wir tun, aber unser Ansatz zur „Nachhaltigkeit“ geht so weit wie möglich. Auch das Wasser, das wir zur Kühlung des Kochprozesses verwenden, wird vollständig recycelt.“

Dollo verwies darauf, dass man vor allem beim Rückbau von Booten einiges verändern könne. „Werden Materialien z.B. im Zusammenhang mit demontierbaren Elementen verwendet, wird die Sortierung während des Rückbaus erleichtert. Was unsere veralteten Carbongewebe betrifft, so lassen wir sie in Pulver umwandeln, das in Harzen für andere Konstruktionen wiederverwendet wird. Und wir verwenden auch Kohlefasergewebe aus dem Recycling für Dichtungen und Reparaturen.“

Als besonders wichtig erachten beide CEOs die möglichst häufige Wiederverwendung von Formen, die unter hohem Materialaufwand für kleine Design-Unterschiede neu gebaut werden. Lobend wurde dabei das DMG Mori-Projekt (SR-Artikel) erwähnt, das als reine Sistership von „Charal“ in deren Formen gebaut wurde. 

Sodebo Trimaran
Alles blitzblank – aber wie sauber sind die Ultim wirklich?. © Sodebo

Auch in französischen Internet-Foren wurde das Thema „Thunberg im IMOCA über den Atlantik“ heftig diskutiert. Würde man aus solchen Diskussionen ein Fazit ziehen, könnte es lauten: „Es müssen neue Klassenregeln her. Nur wenn dem uneingeschränkten Wettlauf zum schnellsten Boot durch Klassenregeln Einhalt geboten wird, können sich die Werften und Designer auf die Verwendung von umweltverträglichen Materialien und Designs konzentrieren.“

In nahezu allen Artikeln und Diskussionen wird jedoch deutlich, dass man Boris Herrmann und seinem Segelpartner Pierre Casiraghi den PR-Coup durchweg gönnt. Zudem wurde positiv aufgenommen, dass sämtliche Sponsoren – außer der initiierenden Prince Albert II von Monaco-Stiftung – auf Wunsch von Greta Thunberg vom Boot entfernt wurden.

Sogar die Segel haben ein entsprechend neues Branding erhalten.  „Es sei klar,“ schreibt Liberation, „dass auch hier jeder von jedem profitiert. Doch es könnte ein symbolischer Schritt in die richtige Richtung sein.“ Wer weiß, vielleicht wird Greta Thunberg mit ihrem Törn auf „Malizia“ nachhaltigen Einfluss auf die Hochsee-Bootsbauszene in Frankreich nehmen?

48 Antworten zu „Szene: Diskussion über Nachhaltigkeit im französischen Bootsbau – alles dreckig oder was?“

  1. Björn

    sagt:

    Zu den Ernsthaften kannst Du mich schon dazu zählen, nehme auch eine Herausforderung Roar auf Carbon gegen Björn auf Stahl an(Trondheim Oslo wäre Favorit).
    Und wie der Fahrer auf dem Rad performed ist um ein vielfaches wichtiger als der Rahmen. Genauso wenn man Etwas ernsteshaft angeht, das wichtigste ist doch das man Spaß an der Sache behält, um es auch durchzuhalten. Ernsthaft jetzt.

  2. Björn

    sagt:

    Der Gesamtwirkungsgrad zählt, da ist immer das Rad das schnellste mit dem der Fahrer am schnellsten, die jeweilige Strecke fahren kann.
    Eine Tabelle in der Tour macht nicht das Radfahren schneller, sondern erhöht die Absatzzahlen der Zeitschriften und einiger Fahrradhersteller (Ob die RÄderchen gefahren werden?).

    1. Roar

      sagt:

      Nonsense, es ging um die Rahmensteifigkeit.

      Jeder ernsthafte Rennradfahrer, der schon mal die Deutschlandtuer, die HEW-Cyclassics, Trondheim-Oslo gefahren oder den Galabier bezwungen hat, weiss, dass die Tretkraft verzögert auf die Hinterachse übertragen wird, wenn das Tretlager infolge mangelnder Rahmensteifigkeit weggebogen wird. Die dazu aufgewendete Energie geht dabei leider verloren.
      Besonders negetiv wirkt sich dies aus beim Bergauffahren, dem Sprint und beim Wiegetritt.

      1. esmussmehrgesegeltwerden

        sagt:

        und wieder ein Irrtum. Um Rahmensteifigkeit ging es nur oberflächlich.

        Genug nun hier.
        Fachlich ist in dem Video alles gesagt.

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