Boris Herrmann hat sich bei der Route du Rhum nach der zweiten Nacht auf See eine bessere Ausgangsposition erarbeitet. Das immer noch schiefe Tracking führt ihn auf Platz 22, aber so schlecht sieht es in Wirklichkeit nicht aus.
Die Route du Rhum hat für Boris Herrmann mit einem guten Start begonnen, aber dann musste er einige Meilenverluste im Vergleich zur Konkurrenz hinnehmen. Nun erklärt er in seinem ersten Video von Bord, dass er sich nicht allein um die Wetterstrategie kümmern konnte. Es habe ein Problem mit dem Motor gegeben. Wasser in der Maschine drohte seine Regatta zu beenden.
Er sei „extrem müde“, habe nicht schlafen können, weil er das Problem beheben musste. Er verfüge nur noch über ein Liter Öl für den Motor. Er habe die erste Nacht lange arbeiten müssen, um die Maschine wieder in Gang zu bekommen. Sie ist für die Stromproduktion unerlässlich und versorgt etwa den Autopiloten mit Energie. „Irgendetwas stimmte nicht in der Maschine.“ Er habe einen Teil auseinandergenommen. Eine Sicherung war durchgebrannt. Und dann fand er am Tag auch noch Wasser im System gefunden. „Das macht mir wirklich Sorgen.“
Auch der am Heck installierte Hydrogenerator, der Energie erzeugt, macht ungewöhnliche Geräusche, die auf ein Problem mit dem Kugellager hindeuten. An Bord sei es sehr angenehm und schön warm. Aber er habe eigentlich noch nicht geschlafen. Nur ein paar Fünf-Minuten-Naps. Er müsse ein wenig schlafen, „dann sieht die Welt wieder besser aus“.
Herrmann holt auf
Gesagt, getan am zweiten Tag der Route du Rhum. Und vielleicht liegt es daran, dass sich Boris Herrmann nun langsam im Feld nach vorne arbeitet. Das Tracking stimmt noch nicht, da es die westlicher platzierten Boote weiter vorne führt. Aber bereinigt dürfte sich die Platzierung des Deutschen etwa bei Platz 13 einpendeln.
Das Rennen hat sich für die IMOCAs insofern verändert, dass die Flotte nun nicht mehr mit maximaler Kraft gen Süden kreuzt. Sondern einige Skipper haben zeitweilig schon die Schoten geöffnet, um mehr Weg nach Westen zu machen. Sie suchen den schnellsten Weg durch eine Front, die in den nächsten Stunden passieren wird.
Herrmann hat sich eine Position im Süden erkämpft und segelt in Luv des größten Teils der Flotte. Er hat in der Nacht durch gute Höhe am Wind viel Boden gut machen können. Während etwa die Deutschfranzösin Isabelle Joschke gegen Mitternacht nahezu gleichauf in Lee von Malizia segelte, konnte oder wollte sie nicht so hoch segeln. Inzwischen beträgt der Querabstand gut 35 Meilen und Herrmann scheint deutlich besser positioniert.
Am Abend hatte er noch den Unglücksraben Damien Seguin knapp passiert, der auf einem westlichen Kurs unterwegs war, und befand sich etwa 25 Meilen in Luv als der Franzose sein Rigg nach der Kollision verlor.
Auch der etwas voraus 16 Meilen entfernt segelnde Romain Attanasio berichtet von einer unheimlichen Begegnung in der Nacht, die etwa zum Zeitpunkt des Unglücks passiert sein könnte. „Ich habe mich sehr erschreckt. Ein Frachtschiff passierte mich nur wenige Meter entfernt. Ich hatte es über das AIS beobachtet. Als ich rausging und in die Nacht sah, befand es sich genau vor mir.“ Offenbar viel näher, als er erwartet hatte. So genau scheint das AIS nicht zu funktionieren.
Herrmann schaffte es, einen hohen Kurs zu steuern und auf einige direkten Gegner im Umfeld Boden gut zu machen. So ist er im Begriff, den Vendée-Globe-Sieger Yannick Bestaven zu überlaufen, der in der Nacht mit seinem nagelneuen Boot durch ein kleines Problem gebremst wurde. Besonders massiv holte er auf direktem Kurs zu Benjamin Ferrer auf, der mit der ex SMA segelt, dem anerkannt schnellsten IMOCA Nicht-Foiler, den Clarisse Crèmer um die Welt führte. Ferrer segelte damit beim Guyader Bermudes 1000 Race 2022 im Feld der Besten auf Rang vier, ist also eine gute Orientierung.
Auf einen Thomas Ruyant, der auf Rang zwei segelt, verlor Malizia aber dann doch fast 20 Meilen und liegt jetzt doch gut 50 Meilen achteraus. Ganz zu schweigen von Charlie Dalin, der in seiner eigenen Welt segelt und Ruyant schon gut 80 Meilen abgenommen hat.
Dass Herrmann mit seiner südlichen Position gut beraten sein könnte und er seinen Vorteil gegenüber den Booten in Lee behauptet, scheint die Wende von Dalin an der Spitze zu bestätigen. Er erkennt offenbar die schnellste Passage durch die Front noch weiter in Luv.
Das sehen offenbar auch die Ultim-Trimaran-Skipper so, die als einzige in Echtzeit von Wetterroutern an Land beraten werden dürfen. Sie können von den IMOCA-Piloten als Vorbild genutzt werden. Da sie weiter den besonders für die großen Tris ungeliebten Amwind-Wind steuern, und sich die Front-Situation kaum zu ändern scheint, sollte es Sinn machen, ihrem Beispiel zu folgen.
Nach dem Schaden für Banque Populaire behauptet Charles Caudrelier mit seinem Rothschild Tri eine Führung von rund 30 Meilen auf Francois Gabart. Caudrelier kann dabei etwas aufatmen, weil ihm der drohende vier-Stunden-Penalty erlassen wurde.
In einer Mitteilung der Wettfahrtleitung heißt es: „Angesichts der zur Kenntnis gebrachten Daten, wurde Charles Caudrelier mitgeteilt, dass er nicht zu früh gestartet ist. Die Entscheidung wurde ihm an Bord weitergeleitet“.
Der Chef des Gitana-Teams Cyril Dardashti erklärt: „Nach der Ankündigung unseres Frühstarts haben wir bei der Rennleitung einen Antrag auf Wiedergutmachung eingereicht, da Charles der Meinung war, nicht zu früh über der Linie gewesen zu sein. Als Beweis haben wir den GPS-Track der Maxi Edmond de Rothschild über die gesamte Startphase sowie die Positionierung des von der Organisation bereitgestellten Yellow Brick-Systems bereitgestellt. Beide Routen stimmen überein und zeigen, dass wir uns beim Startschuss um 14.15 Uhr genau 50 Meter hinter der Startlinie befanden.“
Wie es dennoch zu dem Fehler der Wettfahrtleitung kommen konnte, ist nicht bekannt. Ein 32 Meter langer Trimaran sollte eigentlich auf der Linie gut zu erkennen sein.
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