Malizia schwimmt nach einer dreimonatigen Überarbeitungsphase in der Werft wieder im Hafen von Lorient. Sie soll mit einem neuen Satz Foils insbesondere auf dem Amwindkurs schneller werden. Wo die Unterschiede liegen.
Während Boris Herrmann nach seiner Bundesverdienstkreuz-Ehrung, dem NDR-Talk-Auftritt und diversen anderen Terminen am Yacht Club Monaco die Kontakte pflegt, ist sein Technikteam nicht untätig. Drei Monate werkelte der Malizia-Rennstall an dem IMOCA, um ihn auf die intensive Saison 2024 vorzubereiten.
Nun liegt Malizia wieder im Wasser, hat den obligatorischen 90-Grad-Kentertest erfolgreich bestanden und wird für die ersten Trainingseinheiten vorbereitet. Dabei hofft Boris Herrmann auf einen echten Turbo Boost. Er erklärt: „Die beiden wichtigsten Projekte dieses Winterrefits waren die neuen Foils und die Ergonomie. Unser Boot segelt vor dem Wind schon sehr schnell, aber ist es unser Ziel, auch am Wind schneller zu werden.“
Dazu sollen insbesondere die neuen Tragflächen beitragen, die am Dienstagmorgen eingebaut wurden. „Wir können sie bereits diese Woche testen, genauso wie die anderen Änderungen, die wir vorgenommen haben. Das ist sehr aufregend.“
Rebecca Sainson, Ingenieurin im Konstruktionsbüro von Malizia, erklärt die Hintergründe der Baumaßnahmen: „Wir haben ein neues Paar Foils gebaut, das von Sam Manuard entworfen wurde. Die Form basiert auf unseren vorherigen Foils auch die auch von Sam gezeichnet wurden, aber sie waren ursprünglich nicht für unser Boot gedacht. Bei The Ocean Race entdeckten wir, dass unsere V1-Foils beschädigt waren, was unsere Teilnahme an der Weltumsegelung gefährdete. Also mussten wir schnell neue finden. Nach intensiven Bemühungen und einem Glücksfall gelang es uns, ein Paar zu finden, das zu unserem Boot passte, obwohl wir die Lager der Foils anpassen mussten.“
Die Schäden waren nach der ersten Etappe in Kapstadt entdeckt worden. Ein Wettlauf mit der Zeit begann. Schließlich wurde das Malizia-Team bei seiner Suche nach Ersatz bei dem noch nicht fertiggestellten Manuard IMOCA von Phil Sharp fündig, dem Schwesterschiff von Sam Davies IMOCA.
Die Tragflächen waren deutlich radikaler gebogen als die vom Malizia-Konstrukteurbüro VPLP für das Boot vorgesehenen Profile, aber sie funktionierten auf Anhieb besser als gedacht. Herrmann segelte damit effizient, aber das Team erklärt nun, es sie seien „nicht ideal“ gewesen. „Unter anderem weil sie sich nicht vollständig einziehen ließen.“ Das sorgte für mehr Widerstand insbesondere bei leichterem Wind.
Nun seien die V3-Foils überarbeitet worden, um zu verhindern, dass sie bei eingefahrenen Zustand im Wasser schleifen. „Aber wir haben auch das Profil verfeinert“, sagt Rebecca Sainson. „Diese neuen Foils sollten das Fahrverhalten des Bootes deutlich verbessern. Wir freuen uns darauf, sie in den kommenden Wochen zu testen.“
Der technische und operative Leiter Pifou Dargnies fügt hinzu: „Wir haben auch an der Ergonomie gearbeitet. IMOCA-Boote sind für ihren sehr begrenzten Komfort bekannt, also versuchen wir, die Dinge zu verbessern und Boris optimale Bedingungen zum Schlafen, Essen, Arbeiten, Manövrieren und für andere wichtige Funktionen an Bord zu bieten.“
Bei der ersten Etappe von The Ocean Race sorgte etwa eine Verbrühung mit heißem Wasser dafür, dass Herrmann den nächsten Abschnitt verletzt aussitzen musste. Ein solcher Vorfall wäre der Supergau bei einer Vendée Globe.
„Wir haben ein neues Heckkojen-System entwickelt“, erklärt Rebecca Sainson. „Das vorherige war ziemlich unbequem, weil es fest mit dem Karbon verbunden und sehr steif war. Also haben wir die Koje abgesenkt und eine neue Federung eingebaut, die Wellenschläge etwas besser kompensiert. Es gibt nur eine Liege im Achterschiff, aber sie kann in beide Richtungen gekippt werden, je nachdem, auf welchem Bug das Boot segelt.“ Das Technikerteam hat auch kleine Verbesserungen an der Küche vorgenommen, die sich auf der Backbordseite befindet.
Der Ingenieur fügt hinzu: „Eine große Verbesserung der Ergonomie ist der Cockpitsitz. Wir hatten bei der letzten Überholung einen neuen Sitz eingebaut, aber er funktionierte noch nicht zufriedenstellend. Seine Position war nicht optimal. Er befand sich zu nah am Grinder und stand ein bisschen im Weg. Deshalb haben wir bei diesem Refit einen neuen Sitz gebaut, der sich ein wenig an dem der Paprec Arkéa orientiert, aber komplett an das Cockpit unseres Bootes angepasst ist.
Der neue Sitz ist jetzt an der Cockpitwand angebracht und kann bei einem Bugwechsel auch auf der anderen Seite befestigt werden. Außerdem ist er gefedert, ein bisschen wie mit Stoßdämpfern beim Fahrrad. Wir haben die Koje etwas gekürzt, um Platz für den Sitz zu schaffen. Boris kann nun bequem sitzen und hat eine optimale Position, um alle Bildschirme zu sehen, die Schot zu halten, den Autopiloten zu bedienen usw.“
Während der Winterbaustelle überprüfte das technische Team auch den gesamten Rumpf, verstärkte die Struktur ein wenig und arbeitete an den Energie- und Leistungsaspekten. „Während der Vendée Globe wird es entscheidend sein, ein zuverlässiges Energiesystem zu haben“, erklärt Pifou Dargnies.
„Wir haben Sonnenkollektoren, zwei Hydrogeneratoren und jetzt auch einen Windgenerator am Heck des Bootes installiert, um eine noch höhere Effizienz zu erreichen. Die Erprobung verschiedener Energiequellen, die sich gegenseitig ergänzen, ist von entscheidender Bedeutung, zumal sich die Regeln der IMOCA-Klasse allmählich dahingehend entwickeln werden, dass ausschließlich erneuerbare Energiequellen vorgeschrieben werden.“
Pifou Dargnies schließt ab: „Was die Segel betrifft, so verwenden wir unser Großsegel aus dem Ocean Race, bis wir ein neues für die Vendée Globe bekommen. Und für diejenigen, die sich fragen, was mit dem Segel passiert ist, das Sekunden nach dem Ziel bei der Retour à La Base gerissen ist. Wir haben es repariert. Es ist jetzt unser Ersatzgroßsegel.“
Nach dem Neustart der Malizia – Seaexplorer wird das Team ab sofort mit Testsegeln und Trainingseinheiten in bretonischen Gewässern beginnen. Skipper Boris Herrmann nimmt im April an Trainingseinheiten der Trainingsgruppe von Pôle Finistère teilnehmen und am 28. April an der Startlinie der Transat CIC Solo-Regatta von Lorient nach New York, USA, stehen.
Einen Monat später segelt er im Rahmen des Vendée-Rennens von New York nach Les Sables d’Olonne (Frankreich) zurück über den Atlantik. Im Sommer wird das Boot dann ein letztes Mal überholt, bevor im September die Défi Azimut stattfindet und Boris Herrmann zu seiner zweiten Vendée Globe startet am 10. November 2024.
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