Umwelt: Segel-Recycling mit Hochdruckdampf – synthetisches Vanillin aus Fock oder Groß

Schmeckt nach Vanille!

Kann das sein? Ein britisches Start-up spaltet mit Hochdruckdampf die chemischen Bausteine von Segeln, um daraus synthetisches Vanillin herzustellen. Gelingt so das Recycling von Segeln auf die „süße“ Art?

© Orsini/North Sails

Beim vermeintlich weißen und sauberen Segelsport müssen bekanntlich noch viele und hohe Hürden genommen werden, bis man auch nur im Ansatz von „Nachhaltigkeit“ reden darf. Die Baustoffe unserer Boote sind immer noch zu einem großen Teil nicht Recycling-fähig. Und wenn doch, sind nur wenige Unternehmen überhaupt in der Lage, die jeweiligen Rohstoffe aus den Booten erneut in einen Produktionskreislauf rückzuführen.
Dies gilt ebenso für Winschen, Klemmen, Rollen, laufendes und stehendes Gut.

Und die Segel? Was wird eigentlich aus den ausgeleierten Hightech-Segeln oder den alten „Lappen“, wenn sie nicht mehr für den nötigen oder gewollten Vortrieb sorgen?

Da gibt es in einem eher geringen Ausmaß eine Art Segel-Recycling für Taschen aus Segeltuch, die bereits seit einigen Jahren auf dem Markt vertreten sind. Das Problem hierbei: Nur wenige Bootseigner nutzen diese Art der Entsorgung ihrer alten Segel. Zudem werden pro Segel nur wenige, besonders geeignete Flächen verwendet. Der Rest kommt in den Müll – wohin sonst?

Fünf Segel pro Regatta

Für die Herstellung von Segeln werden strapazierfähige synthetische Textilien verwendet, die extreme Wetterbedingungen überdauern sollen. Im Schnitt werden diese beim Cruising alle fünf Jahre gegen neue Segelsätze ausgetauscht. Regattasegler wechseln deutlich öfter. 

© Elvström Sails/Anderson

Große Segel-Hersteller und involvierte Recycling-Unternehmen schätzen, dass jährlich weit über 2.000 Tonnen Segel aus Polyethen-Terephthalat (PET) ausgemustert oder irreparabel beschädigt werden. Wobei der Großteil entweder gelagert oder auf Mülldeponien entsorgt wird.

Vanillegeschmack aus dem Segel

Das britische Start-Up „Sustainable Sailing“ hat nun ein Verfahren entwickelt, bei dem Kunststofffasern aus Segeln in neue Chemikalien wie synthetisches Vanillin umgewandelt werden.

Vanillin ist geschmacklich der wichtigste Teil der Vanilleschote. Der weltweite Bedarf an Vanillin kann jedoch mit diesem eher seltenen Naturprodukt nicht gedeckt werden. Deshalb wird Vanillin auch synthetisch hergestellt und sorgt so in Kosmetika und Lebensmitteln für Vanillegeschmack und -geruch.

Promotion, Segelmacher, Internet

Für jeden Einsatz das richtige Tuch © sailonet

Synthetisches Vanillin macht über 90 % des weltweit eingesetzten Vanillins aus. Normalerweise dient für die chemische Herstellung des synthetischen Vanillins als Ausgangsstoff Guajacol, das wiederum aus fossilen Rohstoffen stammt.

Mit Hochdruckdampf chemische Bausteine aufspalten

Sustainable Sailing hat ein Verfahren zur Behandlung von Segeltuch mit Hochdruckdampf entwickelt, um das Verbundmaterial in seine chemischen Bausteine aufzuspalten, die wiederum in bestehenden Industrie- und Fertigungsprozessen verwendet werden können.

Das Unternehmen konzentrierte sich zunächst darauf, diese Bausteine in andere Kunststoffarten umzuwandeln, befasst sich jetzt aber mit der Herstellung nachhaltigerer Materialien. Die Ergebnisse des Projekts könnten dazu führen, dass die Abfallsegel als Alternative zu fossilen Brennstoffen für die Herstellung hochwertiger Chemikalien verwendet werden.

Die wiederum in Alltagsprodukten zum Einsatz kommen.

Nachdem frühere Forschungsarbeiten die Machbarkeit der Umwandlung von Einweg-PET-Getränkeflaschen in Vanillin mithilfe von künstlich hergestellten E. coli-Bakterien als Katalysator bewiesen haben, wird nun das gleiche Verfahren angewandt, um die Machbarkeit des Recyclings von Segelabfällen für ähnliche Chemikalien zu bewerten.

Chemiker und Segler – die perfekte Symbiose

Das Start-up Sustainable Sailing wird von zwei Brüdern geführt, die als Doktor der Chemie und als Profi-Segler eine ideale Kombination respektive Symbiose für ein Recycling des „Wertstoffs“ Segel bilden.

Das noch junge Unternehmen ist für Entwicklung dieses Verfahrens eine Forschungskooperation mit dem Sadler Lab der Universität Edinburgh eingegangen. Gefördert wurden sie im Rahmen des Innovate UK’s bio-based manufacturing Launchpad competition for Scotland.

Doch wie so oft in der Marktwirtschaft kommt nach der Entwicklung oder Erfindung die Vermarktung.
Entsprechend wird es in der nächsten Phase des Prozesses darum gehen, das Verfahren in einen größeren Maßstab zu übertragen und die Dynamik von Angebot und Nachfrage zu ermitteln.

Nicht nur Segel

So soll festgestellt werden, ob die Herstellung von Alltagschemikalien durch dieses Recycling-Verfahren überhaupt rentabel wäre. Es besteht auch die Möglichkeit, verschiedene chemische Bausteine für andere industrielle Anwendungen zu extrahieren.
Sustainable Sailing-Boss Dr. Joe Penhaul Smith gibt sich für die Vermarktung seines Verfahrens jedenfalls optimistisch.

Man könne sich vorstellen, dass in Zukunft weitere Arten von technischen Textilien auf diese Weise recycelt werden. So würde sich das Verfahren nicht explizit auf Segel konzentrieren und könnte mit neuen Stoff- und Tuch-Lieferanten im großen Ausmaß rentabel werden.

Michael Kunst

Näheres zu miku findest Du hier

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