Der Yachtbau steckt in einem Dilemma. Werften, die früher Boote für normale Segler bauten, bauen heute Boote für die, die sich alles leisten können. Kleine Boote verkaufen sich kaum noch, mittlere nur mit Mühe. Erfolgreich ist das obere Segment – groß, komfortabel, teuer. Bleibt der „normale“ Segler auf der Strecke? Nein, ganz und gar nicht – darin liegt auch eine große Chance.
Alles wird teurer. Die Werften reagieren darauf, wie Industrien oft reagieren, wenn das Brotgeschäft nicht mehr trägt – sie gehen in die Nische. Die Nische ist in diesem Fall dort, wo das Geld sitzt, dort, wo die Margen höher sind, wo Design zählt und Stückzahlen keine Rolle spielen. Es ist kein Boom, sondern eine Flucht nach vorn. Während Royal Huismann den Bau einer 81 Fuß Yacht mit dem höchsten Mast der Welt (93 Meter) baut und danach ein noch größeres Projekt in der Pipeline steckt, sitzen Vorstände von einst blühenden Serienwerften mit Schweißperlen vor ihren Budgetplanungen.
Über 100 Fuß geht die Post ab
Auch das Beispiel Elan zeigt, wohin die Reise geht. Nur wenige Monate nach der Stilllegung des Werftbetriebes hat Elan die Produktion wieder aufgenommen. Der neue Eigentümer, KJK Sports aus Luxemburg, setzt auf einen Neustart mit kleinerer Modellpalette, klareren Strukturen und höherem Anspruch – vorbei ist die Zeit der soliden Blauwasseryachten, jetzt wird Luxus produziert. Der langjährige deutsche Händler wendet sich ab und stellt die Zusammenarbeit ein. 
Rendering der geplanten Elan Sixty-Five. © Elan Yachts
So schwer es auch fällt, diese Entwicklung ist plausibel. Die reichsten 1 % der Weltbevölkerung besitzen etwa 45 % des weltweiten Vermögens. Die reichsten 10 % besitzen mehr als 75 % des globalen Vermögens. Das-Portfolio vieler Werften entwickelt sich ähnlich dieser Richtung. Was soll man da noch 30 Fuß Boote auf den Markt bringen?
Für die Werften ist das Ganze also eine Überlebensstrategie. Aus der Branche hört man, dass Luxusyachten, die unter 100 Fuß ist, okay laufen, darüber ist die Lage offenbar blendend und „da geht die Post ab“. Für den Segler, der im Winter mit neonfarbener Kapuze beim Bäcker steht, ist es scheinbar ein Problem, für den, der sich Brötchen in seinem Anwesen backen lässt, ist es egal. Die Einstiegspreise sind in Regionen gerückt, in denen das Segeln zur Nebensache wird und die Lounges in feinstem Nappaleder zum Verkaufsargument.
Was früher ein Hobby der Mittelschicht war, wird langsam zum Luxusgut. Die gesamte Branche hat sich auch in der Außendarstellung verändert: weg vom Ölzeug und Südwester hin zu einer Raffaello-Welt, in der die Crew weißen Leinenhosen trägt. Man kann das bedauern oder nüchtern feststellen. Fakt ist: Die Branche wächst ihrer Basis davon. Und mit ihr verschwindet eine Idee vom Segeln, die einmal selbstverständlich war – dass jeder, der wollte, irgendwie aufs Wasser kam. Zeiten, in denen eine Dehler Varianta als Volksboot bezeichnet wird, werden nicht mehr zurückkommen.

Ausweg Gebrauchtmarkt
Ist das also das Ende vom Volkssport? Nein. Denn der Gebrauchtmarkt blüht, wenn man das aus Käufersicht betrachtet. Die Preise fallen, das Angebot steigt. Gute Boote gibt es für jeden Geldbeutel. Und darin liegt auch eine Chance – nicht nur für den Normalo, sondern auch für die Branche, die ja nicht nur aus Yachtwerfen, sondern auch aus Handwerksbetrieben, Zubehörhändlern und Anbietern für Refitprodukte besteht. Und die günstigen Gebrauchtpreise bieten auch eine Chance, um ein anderes, großes Problem zu lösen: Nachwuchs zu finden. Erst gestern sah ich die Verkaufanzeige eines sehr gepflegten, ostseetauglichen 25 Fuß Bootes. Vor Wochen wurde sie für 4.900 angeboten, nun für 2.500 Euro. Damit gibt es für eine kleine Familie sofort eine Chance, aufs Wasser zu kommen. Es gibt finanziell gesehen kaum Hindernisse, denn die Bootsbörsen sind voll mit tollen Booten zu kleinen Preisen. Boote, die bei entsprechender Pflege Jahrzehnte lang halten.
Auch für das Thema Nachhaltigkeit besteht eine große Chance in der derzeitigen Marktentwicklung. Denn nichts ist nachhaltiger, als alte Schiffe nicht zu verschrotten, sondern zu pflegen und weiterhin zu benutzen. Jedes Schiff, welches nicht gebaut wird, hilft. Und wenn künftig nur noch wenige, sündhaft teure Luxusyachten gebaut werden und die alten erhalten werden, wird jeder jubeln, der über sustainability nachdenkt. Hier und da mal ein paar Lackschichten, hier und dort mal ein paar neue Instrumente – da freuen sich Geldbeutel, Umwelt und Zubehörbranche.

Gleichzeitig überaltert die Gesellschaft und mit ihr die Seglerschaft. Das bedeutet, dass auch wenn es gelingt, wieder mehr Menschen unter Segeln aufs Wasser zu bekommen, werden es über die Zeit weniger. Und damit dürften auch die Kosten für Liegeplätze und Co. im Rahmen bleiben, denn wenn die Nachfrage sinkt, sinken auch die Preise.
Diese Entwicklung ist also nicht das Ende des Normalo-Seglers. Sie bringt nur eine Veränderung mit sich. Und darauf wird man sich einstellen müssen, egal ob Werften, Segler, Handwerker, Marinabetreiber, Bootsmessen oder Zubehörhändler. Wenn klug drauf reagiert wird, haben wir eine riesige Chance auf das Comeback des Volkssports Segeln.

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