Stephan Bodens Kolumne: Wohin entwickelt sich die Segelbranche?

Das Ende des Volkssports?

Der Yachtbau steckt in einem Dilemma. Werften, die früher Boote für normale Segler bauten, bauen heute Boote für die, die sich alles leisten können.  Kleine Boote verkaufen sich kaum noch, mittlere nur mit Mühe. Erfolgreich ist das obere Segment – groß, komfortabel, teuer. Bleibt der „normale“ Segler auf der Strecke? Nein, ganz und gar nicht – darin liegt auch eine große Chance.  

© Stephan Boden

Alles wird teurer. Die Werften reagieren darauf, wie Industrien oft reagieren, wenn das Brotgeschäft nicht mehr trägt – sie gehen in die Nische. Die Nische ist in diesem Fall dort, wo das Geld sitzt, dort, wo die Margen höher sind, wo Design zählt und Stückzahlen keine Rolle spielen. Es ist kein Boom, sondern eine Flucht nach vorn. Während Royal Huismann den Bau einer 81 Fuß Yacht mit dem höchsten Mast der Welt (93 Meter) baut und danach ein noch größeres Projekt in der Pipeline steckt, sitzen Vorstände von einst blühenden Serienwerften mit Schweißperlen vor ihren Budgetplanungen.

Über 100 Fuß geht die Post ab

Auch das Beispiel Elan zeigt, wohin die Reise geht.  Nur wenige Monate nach der Stilllegung des Werftbetriebes hat Elan die Produktion wieder aufgenommen. Der neue Eigentümer, KJK Sports aus Luxemburg, setzt auf einen Neustart mit kleinerer Modellpalette, klareren Strukturen und höherem Anspruch – vorbei ist die Zeit der soliden Blauwasseryachten, jetzt wird Luxus produziert. Der langjährige deutsche Händler wendet sich ab und stellt die Zusammenarbeit ein.  Elan Sixty-Five

Rendering der geplanten Elan Sixty-Five. © Elan Yachts 

So schwer es auch fällt, diese Entwicklung ist plausibel. Die reichsten 1 % der Weltbevölkerung besitzen etwa 45 % des weltweiten Vermögens. Die reichsten 10 % besitzen mehr als 75 % des globalen Vermögens. Das-Portfolio vieler Werften entwickelt sich ähnlich dieser Richtung. Was soll man da noch 30 Fuß Boote auf den Markt bringen? 

Für die Werften ist das Ganze also eine Überlebensstrategie. Aus der Branche hört man, dass Luxusyachten, die unter 100 Fuß ist, okay laufen, darüber ist die Lage offenbar blendend und „da geht die Post ab“. Für den Segler, der im Winter mit neonfarbener Kapuze beim Bäcker steht, ist es scheinbar ein Problem, für den, der sich Brötchen in seinem Anwesen backen lässt, ist es egal. Die Einstiegspreise sind in Regionen gerückt, in denen das Segeln zur Nebensache wird und die Lounges in feinstem Nappaleder zum Verkaufsargument.

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2 Antworten zu „Stephan Bodens Kolumne: Wohin entwickelt sich die Segelbranche?“

  1. Henry Jacobs

    sagt:

    Ich halte die Ursachen nicht für so einfach, wie sie dargestellt werden. Sicherlich müssen sich Hersteller an der Nachfrage orientieren. Daß „Otto-Normal“ sich aber kein neues Boot mehr leisten will, liegt zunächst daran, es nicht mehr zu können. Das ist zum einen die aktuell konjunkturelle Schwächung unserer Mittelschicht, also der Selbständigen und Unternehmer. Wer hingegen eine feste Anstellung hat, und noch ist die Arbeitslosigkeit ja überschaubar, sieht sich erheblich verteuerter Lebenshaltung ausgesetzt. Für die einen, wie die anderen fällt die Entscheidung für einen Neubau schwer. Das teure Spielzeug muß warten. Hinzu kommen Faktoren wie die Liegeplatzknappheit. Wir sind einfach mal voll! Desweiteren hat die Teuerung auch vor dem Wassersport nicht halt gemacht. Vieles an Dienstleistung und Waren ist einfach mal doppelt so teuer geworden. Da wurde auch versucht, viel mitzunehmen, wenn die Preise ohnehin schon steigen. Um es kurz zu machen: Das Lied von „den Reichen, die reicher werden“ ist hier unstimmig. Es ist die Mitte, die arm gemacht wird.
    Richtig ist hingegen, daß der Gebraucht-Markt einiges an attraktiven Yachten bereithält. Auffällig ist hierbei, daß die Nachfrage weniger aus Deutschland, sondern immer häufiger aus dem Ausland kommt. Auch das bestätigt oben genannte Gründe.
    Gänzlich unbesprochen ist hier das veränderte Freizeitverhalten. Die monothematische Ausrichtung auf nur Boot oder Yacht ist passé. Pflege, Investition, Instandhaltung sind nicht mehr Familienthema. Mitsprache und Erlebnisvielfalt haben Einzug gehalten. Heute definiert sich das Individuum in Vielfalt und erfährt sich in einer Menge an Erlebnisreizen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Eine Trendumkehr ist bislang nicht in Sicht. Den demographischen Wandel jetzt mal unbesprochen gelassen …

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  2. Volker König

    sagt:

    Die Beobachtungen zur Verteilung des Reichtums auf der Welt mögen ja alle richtig sein und auch ihre evtl.(?) Auswirkungen auf den Neubau- Markt.
    Völlig ausser Acht gelassen wurde bei dieser Betrachtung aber der Charter- Sektor. Die grossen Serien – Hersteller wie Beneteau/ Jeanneau, Bavaria, Hanse bauen doch schwerpunktmässig Yachten für den Charterbetrieb in der Grösse von 38 – 48 Fuss. Und in den Charterbasen des Mittelmeeres brummt der Betrieb.
    Problem ist eher dass eine Charteryacht nach dem Ende ihrer ca. 5jährigen Nutzungsdauer für den Privateigner weniger geeignet ist. Nicht weil sie etwa „abgesegelt“ist sondern wegen ihrer Kabinenzahl, Aufteilung, Zahl der Toiletten usw.

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