Boat Sharing: Bootschafter in Hamburg gescheitert – Die Gründe

Ist die Zeit noch nicht reif?

Peter Sorowka und Marius Schmeding geben ihr Boatsharing Projekt Bootschaft auf. Erdmann Braschos fragt nach den Gründen. Ist die Zeit noch nicht reif?

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So einfach wars: Einloggen via Smartphone und ablegen @ Bootschaft

Dinge für kleines Geld nutzen statt sie zu besitzen ist ein Trend, der sich in vielen Lebensbereichen durchsetzt. Siehe die cleveren Carsharing-Konzepte oder die Möglichkeit, sich in einigen Städten einfach auf ein Fahrrad zu setzen.

Man stellt das Auto oder Rad ab und loggt sich aus, wenn man es nicht mehr braucht. Moderne IT und eine neue Sicht der Dinge macht es möglich. Die Autoindustrie und Städte haben erkannt, daß sich der Wind dreht.

Aber ganz so einfach wird es beim Segeln nie sein. Der Umgang mit Autos oder Fahrrädern ist alltäglicher und Boote sind nun mal komplizierter. Aber einen entscheidenden Schritt ist Bootschaft gegangen und ist dennoch – vorerst ? – gescheitert.

Aufwändiger Sport

Segeln ist ein toller, aber teurer und zeitintensiver Spaß. Der Kauf, Betrieb und Pflege eines Bootes binden Geld und Zeit. Letztere ist meist dem Familienleben abgerungen. Wer diesen Aufwand jemals mit den tatsächlich auf dem Wasser genossenen Stunden verglichen hat, der weiß, dass die Segelbegeisterung riesig sein muss.

Außerdem gibt es heute nicht mehr die früher übliche Bereitschaft, sich überwiegend einem Hobby, dem Segeln zu widmen. Das lässt sich beklagen, oder als Tatsache anerkennen. Wer das kapiert, kann das Beste aus der Realität machen.

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Zeit für was Neues: Die beiden Bootschafter Peter Sorowka und Marius Schmeding hören auf © Bootschaft

Da traf das im Winter 2010/11 entwickelte Boatsharing-Konzept der beiden pfiffigen Hamburger Elektroingenieure Peter Sorowka und Marius Schmeding den Nerv der Zeit. Es heißt Bootschaft und sollte die Interessen vieler unbebooteter Segel-Interessenten, mit denen der Eigner in Einklang bringen. Es geht um die Besitzer, die ihr Boot zu wenig nutzen und die laufenden Kosten mit ein paar Euro in der Bordkasse dämpfen wollen.

Jetzt hören die beiden auf, stellen Bootschaft ein. Auf der Website des Portals verabschieden sie sich mit „Es war schön – auf Wiedersehen“, einer Erklärung und der Ankündigung, etwaige Guthaben zu erstatten. Ich wollte verstehen warum, habe Peter Sorowka mal angerufen und nach den Gründen gefragt.

Gute technische Plattform reicht nicht

Er sagt: „Marius und ich sind Techniker. Wir waren mehr an der Entwicklung und Inbetriebnahme der Hard- und Software interessiert. Wir hatten gedacht, eine gute technische Plattform wird irgendwann zum Selbstgänger. Das stimmt so leider nicht. Deshalb haben wir mit Pierre Manière noch einen dritten Mann ins Boot geholt, die Prozesse und das Design verschlankt.

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Segelreporter Erdmann Braschos fand über Bootschaft neue Segelfreude für seine Swede 55 © Swedesail

Die neue Website war schon startklar. Die Kautionsregelung haben wir zu Gunsten niedrigerer Hürden Stück für Stück abgeschwächt. Zuletzt war keine Anmeldegebühr mehr nötig. Wir haben 600 Interessenten. Davon sind 70 aktiv. Von den 50 Booten, die uns zur Verfügung stehen, wurden zehn genutzt. So ein Angebot muss gepflegt und immer wieder neu ins Gespräch gebracht werden. Hinzu kommt, daß wir mit Bootschaft früh waren. Car2Go oder ähnliche Angebote gab es noch nicht. Wir mussten das Thema Sharing noch erklären.“

Ein Riesenzaun?

Eine zweite Hürde war der eine oder andere Club, in denen die Boote liegen. Obwohl fast jeder Verein teils dramatische Nachwuchssorgen hat und unübersehbar vergreist, schottet sich mancher Club aus Dummheit, Standesdünkel oder Beidem gegenüber Interessenten ab.

Irgendwie leben viele noch in den Siebzigern – und Schnarchen weiter: Angrillen, Bräsigkeiten, Flaggenappell, Kaffeekränzchen, Präsis im blauen Blazer, Sitzungen, Satzungen, Saufen – irgendwie keine Freizeitgestaltung, die aktive jüngere Leute antörnt.

„Teilweise gab es auch Unsicherheit, weil da eine Art gewerblicher Nutzung vermutet wurde.“ Der erfolgreiche Admirals Cup Segler und clevere Bootsbauer Michael Schmidt hat die Sache mal so auf den Punkt gebracht: „Um das Thema Segeln ist immer noch ein Riesenzaun drum.“

Die dritte Hürde war die Haftpflicht-Versicherung der gelegentlich vermieteten Boote. „Da hätte ein unbürokratisches Modell mit einer Pauschale vereinbart werden müssen. Das geht. Wenn man es will“, so Sorowka.

Neues Projekt

Auch wenn die Bootschafter selbst aufhören, weil sie ein neues Projekt startklar haben, ist das Konzept und die entwickelte Hard- und Software interessant genug, um von jemandem mit dem nötigen Talent für die Vermarktung durchgesetzt zu werden. „Marius und ich werden unsere Boote weiterhin anderen zugänglich machen“ berichtet Sorowka.

Entgegen üblicher Prognosen gab es keine Schwierigkeiten mit der Ehrlichkeit der Nutzer oder Schäden. Wenn mal etwas passiert ist, war die Kommunikation offen und ehrlich und konnte letztlich – im Zweifel über Versicherung – gelöst werden. Kleinigkeiten wie verlorene Schäkel oder Fender haben die Nutzer unaufgefordert selbst ersetzt.

Ich selbst hatte meine Swede 55  mit mir als Skipper angeboten und darüber einige nette Einsteiger kennengelernt. Einer davon ist beigeistertes Mitglied meines „Elch-Syndikats“ und ein verlässlicher Segelfreund geworden.

Interessantes Modell

Angesichts der abnehmenden Bereitschaft, sich exklusiv auf das zeitfressende Hobby Segeln festzulegen, der demographischen Entwicklung und der düsteren Zukunft vieler Clubs sollte Bootschaft ein interessantes Modell sein.

Das hat Gerhard Philipp Süß als Häuptling des Deutschen Segler-Verbands erkannt und den Vereinen damals (vergeblich) empfohlen, sich zu öffnen und Bootschaft zu unterstützen. Ich meine: „Segeln und Segeln lassen“ so das Bootschaft-Motto, ist ein viel zu cleveres Angebot, um es in der Backskiste zu versenken. In der Schweiz (Sailbox)  und Holland (Barqo) immerhin funktionieren solche Modelle.

11 Antworten zu „Boat Sharing: Bootschafter in Hamburg gescheitert – Die Gründe“

  1. Philip

    sagt:

    Wie ist den Kommentar im Artikel bzgl. „es wurde eine Art Gewerblicher Nutzung vermutet“ zu verstehen? Könnten die privaten Boote eingesetzt werden, um Gewinn zu machen, oder war nur eine Reduzierung der laufenden Kosten für Bootseignet erlaubt?

  2. olimu

    sagt:

    Sailbox bzw. SailCom in der Schweiz sind mit bootschaft wohl kaum vergleibar. Man tritt dort einer Genossenschaft bei, der die Boote samt Liegeplatz gehören. Ist damit also Anteilseigner auch der Boote. Ein Bootcaptain kümmert sich jeweils um ein Boot, das ihm selbst nicht gehört und erhält dafür Vergünstigungen bei der Bootsmiete.

    Das Interessante an den Genossenschaften ist aus meiner Sicht das überregionale Angebot. So kann jeder Segler mal auf Zürich-, Boden- oder Viewaldstättersee seinen Sport genießen. Außerdem steht verschiedenen Bootstypen zur Verfügung. Wer möchte kann sich auch um die Bootspflege kümmern, ist dazu aber nicht verpflichtet.

    1. Peter

      sagt:

      Das stimmt. Wir hatten eigentlich immer gedacht, mit einem flexiblen Pay-per-Use Modell eher den Zeitgeist zu treffen, als eben Sailcom/Sailbox mit einem recht verbindlichen Mitgliedschaftsmodell mit nicht unwesentlicher Aufnahmegebühr + Jahresbeitrag.

  3. Wenn man sich andere Beiträge so anschaut, entsteht der Eindruck der emotionalen Bindung zum Boot/ Yacht. Das ist wie bei einem Motorrad. Ein Motorrad liebt und pflegt man und als Dankeschön darf man am Wochenende eine runde fahren. Motorradvermietung läuft meistens nur beiläufig neben dem Vertrieb. Ich denke so ist es auch bei Yachten.

    1. Peter

      sagt:

      Genau. „Boot und Frau verleiht man nicht“. Das ist der Standard-Hammer, der von Anfang an gegen bootschaft geschwungen wurde.

      Wie Erdmann aber treffend beschrieben hat, empfinden wir das eben nicht als den Punkt, an dem bootschaft gescheitert ist. Im Gegenteil, wir haben sehr viele Bootseigner kennengelernt, die dazu bereit waren, ihr Boot zu teilen. Ich selbst mache es mit meinem Privatboot auch und habe nur gute Erfahrungen gemacht.

      Schaut man sich in den Häfen um, gibt es genügend Boote die pro Jahr genau zweimal bewegt werden: Im Frühjahr vom Kran zur Box und im Herbst wieder zurück. Trotzdem fressen sie mit Liegeplatz, Winterlager, Versicherung und Pflege schnell 2.000€ bis 3.000€ pro Jahr auf. Diese Einsicht kann recht schnell dazu führen , dass Sharing eine gute Idee ist.

      Das Problem ist letztlich, dass es für den Eigner eben kein Mehraufwand sein darf, sein Boot zu teilen. Wir haben das versucht durch unsere technische Plattform für Eigner und Nutzer so unkompliziert wie möglich zu machen. Die Diskussion mit dem Hafenbetreiber/Verein oder eine Änderung in der Versicherungspolice sind aber leider Riesenbrocken auf diesem Weg, die letztlich die meisten ursprünglich interessierten Eigner dazu gebracht haben, ihr Boot doch nicht bei uns an zu melden.

      Es gibt in Deutschland ungefähr 200.000 Segelboote in privater Hand. Wenn ein Bruchteil davon Lust zum Teilen hat, könnte man schon ein für die Nutzer-Seite sehr interessantes Angebot aufbauen.

      1. Müller

        sagt:

        Die kleine Form des Bootsharing wird schon überraschend reichlich betrieben: einer besitzt das Boot, der andere kümmert sich drum und kann es benutzen. Das registrieren viele Segler aber nur unter „Gleichgesinnten“.

        1. Peter

          sagt:

          Interessanterweise war das auch das Standard-Modell bei bootschaft.

          Ein Eigner hatte einen Pool von 5 bis 10 Segler, die er kannte und eingewiesen hatte.

          So eine Art flexible Eignergemeinschaft. Mit dem Vorteil: Ein klarer Besitzer/Entscheider und alle anderen zahlen nutzungsabhängig.

          1. Müller

            sagt:

            Ich hatte vor einiger Zeit mit einem Freund ausführlich über Bootsharing nachgedacht und da war Euer Modell natürlich ein wichtiger Ansatzpunkt. Das Ergebnis war am Ende die Idee von sowas wie eine Bootspartnerbörse… So, wie Du es gerade aus der Praxis beschrieben hast. Und vor allem international, um z.B. auch mal das Dilemma der Charterjogurtbecher zu umgehen und eine Chance auf was interessantes zu haben.

          2. Peter

            sagt:

            Wer Ideen in diese Richtung hat und eine bewährte technische Basis benötigt, darf uns ruhig kontaktieren unter kontakt@bootschaft.net Unser Plattform ist extrem flexibel.

  4. Müller

    sagt:

    Wieso wird hier mein Verein beschrieben? 😉

    Sehr schade. Aber die Idee ist auf keinen Fall gescheitert. Vermutlich ist Deutschland einfach nicht das richtige Pflaster um Bootsharing in so einem frühen Stadium mit Leben zu füllen. Dafür braucht es Länder mit weniger Krampf beim Bootsbesitz. Wenn ich das richtig verstanden habe, funktioniert z.B. in Schweden privat chartern hervorragend über ebay-kleinanzeigen. Und da gibts noch nicht mal Führerscheine, dafür aber schrecklich gefährliche Schären.

    -> Norman: such Dir einen Verein in deiner persönlichen Bestlage, werde Mitglied und warte einfach, bis die Führungsebene und die meisten Mitglieder verstorben sind, das dürfte nicht lange dauern. Danach kannst Du machen was Du willst und bekommst noch ein 1a Seegrundstück kostenlos dazu. Der ganze Satzungskäse wird unbemerkt an Dir vorbei gehen, da die meißten Menschen im Alter vieles gleich wieder vergessen… 😉

  5. Norman

    sagt:

    Das mit der Abschottung der Vereine trotz Nachwuchssorgen liest man allenthalben.

    Wenn man sich das Aufnahme-Prozedere mancher Vereine ansieht, dann liest man tatsächlich sehr häufig etwas von „Paten“ oder ähnlichem. Irgendwie sollen sich wohl Mitglieder des Vereins für den Interessenten verbürgen. Das kann man natürlich so handhaben, aber den angeblichen oder tatsächlichen nachwuchssorgen begegnet man so wohl nicht. Ich habe jedenfalls keine Lust einen wie auch immer gearteten Kniefall zu machen. Ich habe die Suche nach einem Verein deshalb mittlerweile aufgegeben. Vielleicht ist es ja so, wie viele es von der Bootssuche berichten: Ein Verein findet irgendwann mich…

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