Der Franzose Thomas Coville schickt gerne optimistische Nachrichten von Bord seines Ultim-Trimarans „Sodebo“. Nur in Nebensätzen erfährt man von gewissen, teils ernsten Problemen.
Am liebsten macht Coville einen auf „coolen Strahlemann“. Dann lächelt er schelmisch in die Bordkamera, redet mit vollem Mund, während er gleichzeitig Astronautennahrung in sich reinschaufelt. Der Hochseeheld, der sich in den letzten Jahren den Spitznamen „Pechvogel“ wegen zahlreicher abgebrochener Regatten und Rekordversuche eingehandelt hatte, zeigt sich locker und gelassen in Pudelmütze und Winter-Trockenanzug. Seit zwei Tagen ist er nun im Southern Ocean und macht bei 35 Knoten Windstärke trotz zweier Reffs im Groß und kleinem Vorsegel reichlich Speed: 29 Knoten im Durchschnitt, um genau zu sein.
Gut im Rennen
„Mein virtueller Vorsprung auf Joyon und seine IDEC beträgt derzeit etwas mehr als 1.200 Seemeilen,“ gab Coville bei seinem gestrigen Telefonat von Bord zu Protokoll, das sind gut zwei Tage. „Ich werde mir also im Southern Ocean den Luxus erlauben, nicht allzu weit ans Limit zu gehen.“
Der Mann hat allen Grund, äußerst locker aufzutreten. Denn bisher stehen alle Sterne günstig. Die Hochseegötter sind ihm wohlgesonnen. Die Tiefs, vor denen er durch den Atlantik und durch den Indischen Ozean heizte, bescherten ihm Rekorde, die noch lange Bestand haben dürften. So erreichte er in Rekordzeit den Äquator (SR berichtete), kam so schnell wie nie ein anderer Einhandsegler zuvor am Kap der Guten Hoffnung an und durchquerte den Indischen Ozean zwischen Südafrika und Tasmanien in acht Tagen und 12 Stunden (erneuter Rekord).
24 Tage und 19 Stunden ist er „erst“ unterwegs, und längst hat er die (theoretische) Hälfte der zurückzulegenden Strecke von 25.500 Seemeilen geschafft. Der Rekord, den es zu schlagen gilt: 57:13:34 Tage, aufgestellt 2008 von Francis Joyon.
Natürlich soll man den Tag nie vor dem Abend loben, aber Coville liegt richtig gut im Rennen. Er kann es sich daher erlauben, im derzeit sehr ungemütlichen Southern Ocean etwas den Fuß vom Gas zu nehmen.
Zwei Mal mit Wal kollidiert
Zumal es dort momentan richtig kalt ist. Coville sprach von Null Grad Wassertemperatur, minus fünf Grad Lufttemperatur und im Wind gefühlte minus 10 Grad. „Da gehe ich nur raus an die frische Luft, wenn’s unbedingt nötig ist,“ berichtete er seinem Shore-Team. „Mal hat sich hier etwas verknotet, mal gibt es dort ein kleines Problemchen, das repariert werden will…“
Doch ganz so entspannt, wie Coville am Telefon wirkt, schien die Situation in den letzten Tagen nicht immer gewesen zu sein. In einem weiteren Telefonat, das von Sponsor Sodebo kürzlich veröffentlicht wurde, erwähnt Thomas Coville im Nebensatz, dass er bereits zwei Mal mit einem Wal kollidiert sei. Dabei habe das Boot „nur kleine Schäden genommen“, die Coville offenbar rasch reparieren konnte.
Das Nervenkostüm des Einhandseglers dürfte nach solchen „Begegnungen“ reichlich belastet sein. Denn Coville, der behauptet, er sei in manchen Situationen alleine auf See dermaßen angespannt, dass seine Kiefer stundenlang blockieren und er keinen Gesichtsmuskel mehr bewegen kann, hat wie alle Einhandsegler gehörigen Respekt vor „Murphys Law“. Egal was der Einhandsegler bei Geschwindigkeiten um die 30 Knoten „touchiert“ – es könnte das Aus bedeuten!
Knochenjob am Vorsegel
Doch nicht nur UFOs aller Art bereiten Coville Sorgen. Auch die ganz normalen, seglerischen Probleme, die bei Riesentrimaranen wie „Sodebo“ nicht gerade selten auftreten, halten den Rekordjäger auf Trab. Coville: „Neulich werde ich nachts von einem schlagenden Geräusch des Segels wach. Ich dachte mir gleich, dass es ein Problem mit dem Fall des Vorsegels geben könnte, hechtete raus ins Dunkel, aber da war es schon zu spät!“
Tatsächlich hatte sich der Vorsegelbeschlag irgendwie gelöst und gut zwei Drittel des Vorsegels hingen bereits im Wasser. Folgten knappe zwei Stunden harte Maloche: „Es war echte Knochenarbeit, das Segel Zentimeter für Zentimeter wieder aus dem Wasser zu ziehen. Hinterher war ich in Schweiß gebadet. Aber es hat sich gelohnt – das Vorsegel hat den kleinen Unfall heil überstanden!“
Ein kleines, nun aber wirklich klitzekleines „Problemchen“ macht dem Skipper zudem Sorgen: So langsam gehen die „frischen“, eingeschweißten Nahrungsmittel zur Neige. Sponsor Sodebo, eine Art Fast-Food-Nahrungsmittelhersteller, der sich auf Sandwiches, Pizzen, Nudelschnellgerichte etc. (etwa auf Autobahnraststätten) spezialisiert hat, stellte im Vorfeld des Rekordversuches klar, dass seine „Frischprodukte“ unter Plastik höchstens einen Monat haltbar seien. „Es sind nur noch ganz wenige Äpfel und noch weniger Brot übrig,“ sagt Coville etwas missmutig und uncool am Telefon. „Bald gibt es nur noch gefriergetrocknete, eingeweichte Pampe!“ Na denn: Bon appétit!
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