Seeunfall des Lotsenschoners „No.5 ELBE“: BSU-Bericht setzt Traditionsschifffer unter Druck

Neuer Zündstoff

Der schwere Seeunfall zwischen dem Lotsenschoner „No.5 ELBE“ und dem Frachter „ASTROSPRINTER“ auf der Elbe gekommen. Fast zwei Jahre nach der Kollision sorgt der abschließende Untersuchungsbericht  für Diskussionen. Der auf Fälle im maritimen Bereich spezialisierte Hamburger Jurist Ole Hecht analysiert für SR die 233 Seiten.

„Elbe 5“ kollidiert mit dem Containerfrachter „Astrosprinter“

Die Kollision auf der Elbe am 08.06.2019 fand große Beachtung in der Öffentlichkeit. Ein wunderschönes, frisch saniertes Schiff war gesunken, es gab spektakuläre Aufnahmen und der Unfall schien nur mit erheblichen nautischen Fehlern erklärbar. Nur durch diverse Zufälle ist den Menschen auf dem Boot relativ wenig passiert.

Der Unfall in der Kurzfassung: Der Lotsenschoner „No.5 ELBE“ bei 5 bis 6 Bft in Böen 7 bis 8 Bft, mit 15 Besatzungsmitgliedern und 28 Passagieren an Bord von der falschen Seite kommend das Elb-Fahrwasser und segelte dem Containerschiff „ASTROSPRINTER“ direkt vor die Schnauze. Im Internet tauchte schnell ein Video von Bord des Lotsenschoner auf. Es zeigte, dass der Schoner nicht abfiel, sondern dem „ASTROSPRINTER“ direkt vor den Bug wendete.

Obwohl der Großmast brach und da Schiff Leck schlug, gab es nur Leichtverletzte. Durch Zufall befanden sich mehrere Rettungsboote in unmittelbarer Nähe, die sofort zur Hilfe eilen konnten. Die „No.5 Elbe“ verzeichnete ein Wassereinbruch, sank aber wohl aufgrund ihrer neuen Beplankung nicht sofort, sondern konnte noch bis in die Schwingemündung geschleppt werden, bevor sie auf Grund ging.

Traditionsschifffahrt unter Druck

Der Unfallbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) enthält eine detaillierte Darstellung der Abläufe und die Analyse der zur Kollision führenden Ursachen. Laut BSU ist das Fehlverhalten der Schiffsführung der „No.5 ELBE“ hauptursächlich gewesen. Es kritisiert das Verhalten der Schiffsführung der „ASTROSPRINTER“ und die den Schiffsverkehr überwachende „Verkehrszentrale“.

Es gab aber auch Sicherheitsempfehlungen für Traditionsschiff und leitet ein:

Die Schiffssicherheit kann nicht gleichberechtigt neben dem Anspruch an ein originalgetreues Traditionsschiff stehen. Die Sicherheit der Besatzung, der Fahrgäste und den übrigen Verkehrsteilnehmer muss eine deutlich höhere Priorität haben, oder ein Traditionsschiff darf nicht fahren, sondern nur an der Pier besichtigt werden dürfen.

Die Explosivität dieser offenkundigen Feststellung erschließt sich nur mit weiteren Hintergrundinformationen.

Der Unterhalt eines Traditionsschiffes ist teuer. Traditionsschiffe werden zu großen Teilen von ideellen Vereinen betrieben, die mit hoher ehrenamtlicher Eigenleistung Schiffe am Leben erhalten. Trotz des großen persönlichen Einsatzes sind die Kosten des Unterhalts nicht allein durch ehrenamtliche Tätigkeit zu bestreiten. Traditionsschiffer sind daher auch auf die Einnahmen durch „kommerzielle Personenbeförderung“ in Form von Ausfahrten angewiesen.

Anforderung an Sicherheitsausrüstung schwer zu leisten

Schiffe, die zur kommerziellen Personenbeförderung eingesetzt werden, müssen die Anforderung der Fahrgastschiffsrichtlinie erfüllen. Insbesondere die baulichen Sicherheitsanforderung dieser Richtlinie kann kaum ein Traditionsschiff erfüllen.

Die Umsetzung der baulichen Sicherheitsanforderungen würde teils tief in die Substanz der schwimmenden Denkmäler eingreifen. Wenn die Umbauten möglich sind, sind sie derart kostspielig, dass ein “ideeller“ Verein, der von ehrenamtlicher Tätigkeit und Spenden lebt, nicht stemmen kann. Auch die Anforderung an die Sicherheitsausrüstung und die Bemannung der Fahrgastrichtlinie sind von Traditionsschiffern nur schwer zu leisten.

Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und Traditionsschiffe zu „historisch wertvollen Zeugen der maritimen Seeschifffahrtsgeschichte“ gemacht. Entsprechen dieser Traditionsschiffsrichtline sind sie grundsätzlich von den Anforderungen der Fahrgastschiffsrichtlinie befreit, soweit sie zu ideellen Zwecken betrieben werden. Selbstverständlich müssen die Schiffe auch nach entsprechend dieser Traditionsschiffsrichtlinie sicher sein. Deren Sicherheitsanforderungen sind aber „weicher“ und flexibler und berücksichtigen damit den Charakter des jeweiligen Schiffes.

Wann ist ein Schiff sicher?

Dennoch darf es nicht wundern, dass es einen dauerhaften Konflikt zwischen Schiffssicherheit und Erhalt eines Schiffes in seiner traditionellen Form mit begrenzten finanziellen Mitteln gibt.

Dabei geht es um die Frage, ab wann ein Schiff als „Denkmal“ gilt und diesen Sonderstatus verdient. Selbstverständlich gibt es auch unterschiedliche technische Auffassungen darüber, ab wann ein Schiff sicher ist.

Auch der Betrieb zu ideellen Zwecken ist ein Streitpunkt. Zwar ermöglicht die Traditionsschiffsrichtline Einnahmen zum Erhalt des Schiffes durch Ausfahrten, doch soll eine kommerzielle Nutzung der Boote zur Gewinnerzielung gerade nicht ermöglicht werden. Befeuert wird der Konflikt, durch Versuche, den Traditionsschiff-Gedanken zu unterlaufen und kommerzielle Personenförderung zu niedrigen Kosten zu betreiben.

Der Gesetzgeber hat zuletzt im Jahre 2017 eine Gesetzesinitiative gestartet, die nach Meinung der Traditionsschiffer in ihrer ursprünglichen Fassung das Aus eines Großteils der Traditionsschiffflotte bedeutet hätte. Aufgrund der Initiative führten diverse Schiffe bei der der Windjammerparade der Kieler Woche die schwarze Flagge und es konnten in letzter Minute ein Kompromiss gefunden werden.

Neue BSU-Sicherheitsempfehlung

Zurück zur Sicherheitsempfehlung der BSU nach dem Lotsenschoner-Unfall. Die BSU konkretisiert ihre Sicherheitsempfehlungen:

Es könne nicht angehen, dass ein solches Schiff bei einer Gästefahrt unter Segeln mit zwei Personen als sicher besetzt gelte. Die Führung eines Traditionsschiffes sei komplex. Der Gesetzgeber müsse die Anforderung an Befähigung und Besatzung verschärfen, so dass eine ordnungsgemäße Aufgabenverteilung an Deck und auch Funkverkehr gesichert sei. Die erforderlichen Befähigungen müssten in der Zulassung des Schiffes aufgeführt seien.

Die BSU mahnt, dass auf Traditionsschiffen dauerhaft Schwimmwesten getragen werden.

Bereits im Juli 2019 hatte sie empfohlen, dass Traditionsschiffe, die mehr als 12 Personen befördern, durch wasserdichte Schotten zu unterteilen sind. Dadurch soll beim Volllaufen eines Bereiches das Freibord nicht unter Wasser geraten.

Aber die Umsetzung dieser Empfehlung würde viele Traditionsschiffe vor erhebliche Probleme stellen. Insbesondere der Einbau der wasserdichten Schotten kann einen erheblichen, baulichen Eingriff in das „Denkmal“ bedeuten.

Auch die Verschärfung der Anforderung an Besatzung ist problematisch, da es umso schwieriger wird, Ehrenamtliche mit entsprechender Ausbildung zu finden. Das kleinste Problem wäre es, von der zahlenden Kundschaft das Tragen einer Rettungsweste zu verlangen.

Sicherheit vor Tradition

Es ist unstreitig, dass Sicherheit vor Tradition steht, doch gilt es eines nicht zu vergessen. Gerade das Segeln eines Traditionsschiffes verlangt die Einhaltung der Regeln guter Seemannschaft. Diese Regeln beruhen auf der Erfahrung der Führung solcher Schiffe. Traditionsschiffe bewahren diese Regeln nicht nur, sondern vermitteln sie auch, da sie dort gelebt werden.

Es wäre ein Irrglaube, dass diese Regeln der guten Seemannschaft nicht für modere Boote gelte. Auch auf moderne Yachten müssen die Aufgaben klar verteilt, der Wetterbericht gelesen und Rettungswesten getragen werden. Wenn kein Handyfunkmast in der Nähe ist, hilft auch keine App.

Ist es nicht auch die Leistung von Traditionsschiffen, die über Seemannsgenerationen gesammelten Erfahrung und Kenntnisse von zu bewahren und zu vermitteln? Führen damit Traditionsschiffe in ihrer Funktion als „schwimmende Denkmäler“ und Wahrer der Seemanntradition nicht auch zu mehr Schiffsicherheit?

Von Ole Hecht

8 Antworten zu „Seeunfall des Lotsenschoners „No.5 ELBE“: BSU-Bericht setzt Traditionsschifffer unter Druck“

  1. Rainer

    sagt:

    In dem bei YouTube geposteten Video sieht man das Unheil ja schon ohne großes Seglerwissen für einen unerträglich langen Zeitraum kommen. Die Mitsegelnden oder Mitreisenden stehen in erster Linie in der Gegend herum und rauben die Sicht. Es ist auch fraglich, ob es etwas bringt ungeschulten „Passagieren“ seemännische Befehle zuzurufen. Vielleicht muss man da final auch mal zur normalen Sprache zurück. Lieber missverständliche Befehle als unverstandene Befehle.

    Man sollte aufgrund dieses Vorfalls aber nicht die Traditionsschifffahrt in Frage stellen, sondern einmal überlegen, ob man tatsächlich überall segeln kann. Vielleicht sollte man gewisse Bereiche nur unter Motor befahren dürfen.

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  2. Von einem Juristen hätte ich zu diesem Thema zwei Dinge erwartet:
    1. Fundierte Kenntnis der neuen SiRi und Betrachtung des BSU-Berichts vor diesem Hintergrund;
    2. Mehr sachliche Details aus dem BSU-Bericht zur Verdeutlichung der gesamten Situation
    Als mittelbar Betroffener ‚kämpfen‘ wir seit nun seit vier Jahren mit der BG, der neuen SiRi und deren Umsetzung auf unserem Schiff. Auch wenn es schwer fällt, die Sicherheit der Gäste muß an erster Stelle stehen. Auch wir müssen immer wieder Kompromisse eingehen und zwischen der Sicherheit und der Tradition abwägen. Nicht alles ist der Tradition zuträglich, aber die Fahrten müssen sicher durchgeführt werden können.
    Das Verhalten der Schiffsführung, dazu gehört auch die Auswahl von geeigneten Personal auf den einzelnen Posten, ist ernsthaft zu hinterfragen. Die im BSU-Bericht geschilderten Probleme auf dem Vorschiff hätte die dort eingeteilte Crew auch alleine lösen müssen.
    Die Elbe ist und bleibt ein herausforderndes Revier, da muß um so mehr auf eine gute Crew geachtet werden.
    @Segelreporter: Ein Lektor täte diesem Artikel gut, es gibt zu viele Rechtschreib- und Setzfehler.

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  3. Winnetou

    sagt:

    Wer jemanden ans Ruder stellt, der nicht in der Lage ist ein Schiff mit der Pinne nicht zu steuern, ist als Schiffsführer ungeeignet. Da nützen auch Sicherheitsschotten nichts.

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  4. Olli

    sagt:

    Und – wenn man die 233 Seiten denn dann auch tatsächlich gelesen hat – an der mangelhaften Kommunikation über den Funkverkehr…

  5. Wolfgang

    sagt:

    Moin.
    Auf dem Lotsenschoner wzrde ganz deutlich das Kommando „Backbord“ gegeben, die offenbar unerfahrenen Mitsegler drückten die Ruderpinne auch nach Backbord, steuerten das Schif also dadurch nach Steurbord und direkt vor den Bug der Astrosprinter. Sicher hat die Schiffsführung des Schoners hier den Kurs von vornherein anders legen müssen, aber der Fehler lag in der Bedienung des Ruders durch unerfahrene Personen.

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  6. Michael

    sagt:

    um ehrlich zu sein würde ich mir auch wünschen, dass sich hier Juristen zu Wort melden, die zumindest eine homepage haben und fundiertes Wissen beisteuern können. Ist nicht böse gemeint aber das ist alles irgendwie drittklassig…bezahl ich die offensichtliche Reklame eigentlich mit meinem Abo? Es grüsst, ein Surfer aus Neustadt…

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  7. Olli

    sagt:

    In meinen Augen wäre die ganze Diskussion über Traditionsschiffe nicht entstanden, wenn man sich an Bord der „Elbe 5“ seemännisch korrekt verhalten hätte.

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  8. Juristodertaxifahrer

    sagt:

    Ich habe den BSU-Bericht auch gelesen aber diese „Analyse“ hier hätte mein 12 Jähriger Sohn besser geschrieben…viel heiße Luft und wenig Fakten. Erinnert mich an den „Kommentar“, ach nee, heißt ja jetzt „Meinung“ in den Tagesthemen…

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