Wer unter den SR-Lesern erinnert sich nicht mit einem milden Lächeln oder einer leicht ironisch gerunzelten Stirn an Yann Quenet? Diesen sympathischen Sonderling, der es an Land nicht lange ausgehalten hat. Es gibt „Neues“ von seiner Weltumseglung 2.0!
Skurril, absonderlich, ausgefallen, befremdend, bizarr und dennoch sympathisch, freundlich, mit sich zufrieden … es gibt eine Menge Adjektive, die den bretonischen Mikro-Weltumsegler Yann Quenet treffend beschreiben.
Und dennoch grenzt es immer wieder an eine visuelle Überraschung, wenn man auf eines der (eher seltenen) Videos von Yann Quenet klickt. Da „erscheint“ buchstäblich ein Gesicht, in dem man auf den ersten Blick gleich das Schicksal erkennt, das dieses Antlitz so geformt hat, wie es nun mal ist:
Ein Leben auf See, eine dreijährige, entbehrungsreiche Weltumseglung auf einem 4,20 m kurzen Segelboot, reichlich Enttäuschungen nach der Rückkehr in der Heimat und der daraus resultierende Wunsch, alles noch mal zu leben, ein weiteres Mal um die Welt zu segeln, auf See bei episch langen Törns wieder mit sich im Reinen zu werden.
So auch beim Video oben. Da hockt dieser Mann, der nichts dagegen hat, dass man sein Aussehen mit dem einer Maus vergleicht (und diese sogar als eine Art Karikatur und Erkennungszeichnung akzeptiert) auf einem „Etwas“ von einem Mini-Boot. Er hält sich seine Videokamera vor die Nase, um zu vermelden, dass Madeira inzwischen nicht mehr weit und überhaupt alles an Bord okay sei.
Immer wieder diese Technik!
Man spürt förmlich, wie er am liebsten sofort das Video beenden möchte – es reicht schließlich, das Wichtigste ist gesagt – und wie er sich dann doch zusammenreißt und seinen virtuellen Freunden etwas mehr erzählt.
Also freut man sich als verwöhnter Zuschauer auf Berichte vom Segeln, von der Einsamkeit auf See, von Delfin-Schulen, die das Boot tagelang begleiten, von Flauten und Stürmen und hofft im Tiefschnee des Herzens, dass er sich bei seinem Törn nach Madeira nicht mit den aufsässigen Orcas rumschlagen musste.
Doch all’ das wird schnell abgetan: „Neulich war es mal ein wenig kernig im Sturm auf Höhe Lissabon. Da waren wir noch auf der Kontinental-Platte unterwegs und die Wellen entsprechend chaotisch. Aber sonst alles normal-schön!“
Doch ein Medien-Profi?
Und dennoch zeigt sich auch bei Yann Quenet der Hauch eines Medien-Profis. Vor längerer Zeit schon sagt er einmal in einem Interview, dass sich die meisten seiner Fans ohnehin nur für sein Boot „Baluchon“ und die minimalistische Technik darauf interessieren. Und da „Baluchon“ rein zufällig auch Yann’s Lieblingsthema ist, sind Rundgänge (besser: ein Rundkriechen) über sein Zuhause immer ein dankbares Thema.
Also schwenkt die Kamera rüber zu „Bebert“, dem selbst gebastelten Autopiloten, der auch bei dieser Überfahrt laut Quenet „mal wieder ganze Arbeit geleistet hat“.
Interessant, und im typischen „Quenet-Stil“: Bebert funktioniert zwar bestens, aber eben anders. So muss man die Segelfläche dem Kurs, und nur in der Extreme dem Wind anpassen. So kann es sein, das Baluchon bei eher leichten Winden mit teils eingerolltem Groß segelt. Dafür hält der Autopilot die Richtung. Natürlich könne man schneller segeln, aber das kümmert einen Yann Quenet herzlich wenig. Schließlich sei er noch mit 3-4 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit unterwegs.
Bleiben wir noch ein wenig bei dem Autopiloten. bei seinem Zwischenstopp in Galicien machte er mal wieder einen Streifzug durch die Mülltonnen des Hafens. Und fand dort ein „schönes Stück Plastik“, mit dem er die selbst gebaute Windfahne des Autopiloten für eine sensiblere Funktionsweise in leichten Winden verlängerte. Seitdem steuert Bebert in fast allen Lebenslagen und Seegängen optimal.
Kein Freund von Elektronik
Allerdings gibt es an seiner ausgesprochen rudimentären Elektronik dann doch etwas zu nölen. Sein Mer Veille, mit dem Schiffe und Boote in der Nähe angezeigt werden, blinke zwar, wenn sich Schiffe nähern. Aber er gibt eben keine Warnlaute mehr von sich – will soll man dann also aufwachen. „Schon wieder Elektronik! Die schaffen es nicht, ordentliche Geräte zu bauen!“ Er müsse wohl die Sache selbst in die Hand nehmen und etwa eine Autohupe oder sowas einbauen!
Ähnliches Szenario ein paar Wochen zuvor, als er in La Coruna einen Zwischenstopp einlegen musste. Nein, nicht etwa weil die Querung der Biskaya besonders anstrengend für Mann und Boot gewesen sei. Sondern schon wieder wegen der Technik!
Vor seiner Abreise habe man ihm zwei kleine Lithium-Batterien zur Energiespeicherung empfohlen. Da sich aber die Biskaya während seines Törns von ihrer sprichwörtlichen Seite zeigte, wurde über die Solar-Panels offenbar nicht genügend Energie in den Batterien gespeichert. Was wiederum dazu führte, dass etwa die Positionslichter nachts ausgingen. Oder überhaupt die gesamte Elektrik teilweise ausfiel.
Energie wie ein Atomkraftwerk
Was nun folgt, ist ein typisches Quenet-Szenario: Andere Skipper würden in La Coruna in den nächstbesten Laden gehen und eine neue Batterie erstehen. Doch dem Bretonen passt so etwas nicht ins finanzielle Konzept. Also bittet er einen Freund, von dem er weiß, dass er in der Nähe Urlaub machen wird, seine alte, herkömmliche Batterie mitzubringen. Genau, die Batterie, die bereits um die Welt gesegelt ist.
Jetzt habe er zwei Energie-Versorgungssysteme an Bord und mehr Energie als ein Kernkraftwerk, berichtet Quenet grinsend. Und überhaupt könne er mit zwei (jetzt wieder funktionierenden) Energie-Versorgungssystemen auf einem Boot wie diesem nebenher noch eine Stadt mit Energie versorgen.
Dass er für die neu hinzu gekommene Batterie auch noch für einen korrekten Gewichtstrimm die Proviant-Dosen neu lagern musste – geschenkt!
Zeit habe er schließlich genug!
Apropos, wie lange Quenet und „Baluchon“ noch auf Madeira bleiben werden, lässt der bretonische Mikro-Segler offen. „Vielleicht warte ich noch eine Weile, vielleicht segle ich morgen schon wieder los. Alles eine Frage des Wetters!“ Boot und Mann seien jedenfalls bereit. Und alles Weitere wird sich dann schon ergeben.
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