Auch das österreichische Youngster-Team „The Austrian Ocean Race Project“ – Altersdurchschnitt 26 Jahre – wartet in La Base/Lorient/Bretagne auf den Startschuss zum Ocean Race Europe. Auf der VO65 „Sisi“ herrscht aufgeregte Anspannung vor dem Start zum Prolog-Rennen rund um die Insel Groix.
Der niederländische Skipper Gerwin Jansen, die deutsche Big Boat-Seglerin Annika Möslein und die österreichische 49er-Seglerin Anna Luschan beschreiben und beschwören im Interview den Team-Spirit an Bord.
SegelReporter: Gerwin, im TV-Gespräch hast Du gesagt, dass es sich beim Ocean Race Europe für euer Projekt um eine Art Sichtungsrennen handelt?
Gerwin Jansen: Stimmt, allen Beteiligten ist klar, dass wir hier beim Ocean Race Europe eine Auswahl für die Weltumseglung im nächsten Jahr unter den jungen Mitseglern treffen werden. Wir wollen dann nach dem Rennen möglichst auch den einen oder anderen erfahreneren Hochseesegler anheuern, um die Chancen des Teams bei der Weltumseglung Ocean Race zu erhöhen. Aber das wird auch eine Frage des Budgets und somit neuer Sponsoren sein – insofern ist dieses Rennen in vielerlei Hinsicht wichtig für das Projekt. Wir nähern uns so Schritt für Schritt einer idealen Team-Konstellation an Bord.
SegelReporter: Also geht es Euch in diesem Rennen weniger um Sieg oder Niederlage, sondern um die Vorbereitung und Auswahl für das Ocean Race?
Gerwin Jansen: O nein, wir wollen hier schon mitmischen. Man sollte die Sache allerdings realistisch sehen – ich wäre schon ganz glücklich, wenn wir in machen Etappen nicht Letzte werden. Das tut aber dem Elan und dem Spirit an Bord keinen Abbruch. Das Team ist „heiß“, alle wollen, dass es endlich losgeht, alle sind motiviert, alle wollen sich sportlich profilieren.
SegelReporter: Das Austrian Ocean Race Project stellt die mit Abstand jüngste Crew. Und nicht nur das, Ihr habt auch Skiff- und Jollen-Segler dabei, wie zum Beispiel 49er-Seglerin Anna Luschan. Wie kommen diese Segler und Seglerinnen mit so einem Hochsee-fernen Background auf der VO65 zurecht?
Gerwin Jansen: Klar, auf einem Big Boat mit dicken Winschen und großer Segelfläche geht’s natürlich anders zu als auf dem 49er. Aber was zum Beispiel Anna vom 49er mitbringt, ist ein tolles Gefühl fürs Boot. Man darf ja nicht vergessen, dass die VO65 vielleicht im Vergleich zu den IMOCA etwas behäbiger wirken, letztendlich sind es aber schnelle Racer, die etwa auf jede Veränderung im Segeltrimm oder beim Kurs ansprechen. Und da bringen die Jollen- und Skiff-Segler eine Menge Input und Gespür mit.
SegelReporter: Welche Rolle spielt die Disziplin in eine derart jungen, energiegeladenen und motivierten Crew?
Gerwin Jansen: Natürlich geht es mit so einer Crew etwas lockerer zu, als bei den erfahreneren Profis. Aber eigentlich herrscht meistens wirklich gute Disziplin an Bord. Ich muss vor allem ein Auge darauf haben, dass alle zu ihren Ruhephasen kommen. Das wird natürlich immer dann schwer, wenn ein Teil der Crew unter Deck sein sollte, draußen aber gerade bei 25 kn Speed auf den großen Wellen surfend die Post abgeht. Dann wollen alle dabei sein…
SegelReporter: Nochmal zurück zum „Gefühl fürs Segeln“ – Anna, kannst Du bestätigen, was Euer Skipper eben sagte?
Anna Luschan: Es ist sicher einfacher, ein Gefühl für ein Boot zu entwickeln – auch wenn es sich um eine VO65 handelt – wenn man vom 49er kommt. Letztendlich ist es eben „segeln“, egal auf welchem Boot man sitzt.
SegelReporter: Abgesehen von der Größe des Bootes – was macht für Dich als 49er-Seglerin den Unterschied aus?
Anna Luschan: Das ist ja offensichtlich: Wir sind hier mit 11 Personen im Team – das sind schon ein paar mehr Leute an Bord als beim 49er. Also muss man sich auf die anderen im Team 100 Prozent verlassen können. Für mich persönlich ist natürlich der Sprung vom Olympischen Segelzirkus auf ein Big Boat, auf dem Tag und Nacht offshore gesegelt wird, gewaltig.
SegelReporter: Annika, wie siehst Du als Seglerin, die aus dem Big Boat-Bereich kommt, diesen Mix unterschiedlicher Backgrounds?
Annika Möslein: Wir haben hier wirklich eine bunte Mischung: Klasse Inshore- und klasse Offshore-Segler, solche die von der Jolle oder vom Skiff kommen und andere, die auf dem Kielboot ihre Erfahrungen gemacht haben. Jede und jeder bringen Kompetenzen und Kenntnisse mit – da kommt eine Menge Know-how zusammen. Sei es Feintuning, die beste Startposition, gefühlvolles Steuern auf der Welle usw. Außerdem darf die enorme Motivation nicht vergessen werden – alle machen mit, jeder ist für den Anderen oder die Andere da. Mittlerweile sind wir richtig gut eingespielt und alle freuen sich jetzt auf die „Große Regatta“.
SegelReporter: Das hört sich alles perfekt an. Gibt es auch Nachteile, die eure Crew mit sich bringt?
Anna Luschan: Sicher ist ein gewisser Mangel an Erfahrung nachteilig, das geht ja gar nicht anders, weil wir ein so junges Team sind. Aber das können wir hoffentlich mit Ehrgeiz, Motivation und vor allem Lernbegeisterung wieder wettmachen. Auf den anderen Booten sind mitunter sogar mehrere Crew-Mitglieder, die schon mehrmals um die Welt gesegelt sind…
Annika Möslein: Wir sind wirklich noch nicht die großen Rock-Stars, aber das kann ja noch werden.
SegelReporter: Ist es nicht auch eine Belastung wenn man/frau sich innerhalb der Crew noch beweisen muss. Oder motiviert das eher?
Annika Möslein: Wir haben an Bord alle den gleichen, großen Traum – wir wollen das Ocean Race um die Welt mitsegeln. Klar, dass sowas motiviert!
SegelReporter: Oder sind etwa schon Crew-Mitglieder „gesetzt“?
Anna Luschan: Es gab sicherlich schon Überlegungen, dass sich die eine oder andere Person besonders eignen würde für das Ocean Race. Aber letztendlich werden auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Im Großen und Ganzen ist aber die Crew-Zusammenstellung für die Weltumseglung noch völlig offen. Alle konzentrieren sich jetzt auf das europäische Rennen und wollen ein Maximum für das Projekt herausholen. Wir werden uns auf uns und unseren Lernprozess konzentrieren. Und viel Spaß dabei haben!
SegelReporter: Wir wünschen viel Erfolg fürs Team, aber auch für Eure persönlichen Ziele!
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