Crash bei The Ocean Race: Die Protest-Entscheidung ist gefallen

Von Siegern und Verlierern

Die internationale Jury von World Sailing hat die Verhandlung zum Crash zwischen Guyot – Environment Team Europe und 11th Hour abgeschlossen. Erst ging es um den neuen Holcim-PRB Protest gegen das US-Boot, danach um die Wiedergutmachung.

Benjamin Schwartz macht klar, warum er auch noch protestiert. © TOR JER

Man muss den Glauben an Gerechtigkeit im Segelsport nicht verlieren. Die internationale Jury hat dem 11th Hour Racing Team nach dem Crash zu Beginn der siebten Etappe, vier Punkte als Wiedergutmachung zuerkannt.

Damit erhält es genau das Mittel der bisher gesammelten Punkte. Vor der letzten Etappe hatte 11th Hour 33 Punkte ersegelt, die durch acht geteilt werden (zwei Etappen doppelt gewertet). Das ergibt 4,125 Punkte, ist also etwas besser als ein zweiter Platz. In einem solchen Fall wird der Wert auf 4 abgerundet. Insgesamt kommt das Team also nun auf 37 Punkte und gewinnt überlegen The Ocean Race mit drei Zählern Vorsprung gegenüber Holcim-PRB.

Darüber hinaus entschied die Jury, dass der Protest von Holcim-PRB gegen 11th Hour ungültig ist. Er wurde gar nicht erst verhandelt.

Charlie Enright, der verdiente Sieger bei The Ocean Race.

Umso mehr ist Holcim-PRB, dessen Skipper Benjamin Schwartz den Fall vorbrachte, der große Verlierer dieser Regatta. Es war in unwürdiges Schauspiel. Unverständlich, dass er den unglücklichen Crash, über den sich niemand mehr ärgert als der Verursacher Benjamin Dutreux, zu seinen Gunsten nutzen wollte. Wie ungeschickt, diese Aktion auch noch vor der versammelten internationalen Segel-Öffentlichkeit durchzuziehen. Unter Seglern macht man so etwas nicht. Ob er Druck vom Sponsor bekam?

Die finale Abschlusstabelle

11th Hour kann damit als verdienter Sieger gekürt werden, wenn das Team vermutlich morgen erst seine Überführungsfahrt von Den Haag nach Genua beendet.

“Ich bin absolut begeistert”, kommentiert Skipper Charlie Enright vom Wasser aus. “Dieses Rennen verlangt dir alles ab – emotional, mental und körperlich. Ich bin unglaublich stolz auf unser ganzes Team, das drei Jahre lang unermüdlich gearbeitet hat, um an diesen Punkt zu gelangen. Es gab Höhen, einige unglaubliche Höhen, aber auch Tiefen, die uns alle umgehauen haben, aber sie waren es alle wert, heute diese Nachricht zu hören.

Als wir unsere Kampagne 2019 starteten, hätten wir nie gedacht, dass sie auf diese Weise enden würde. Jeder Segler wird Ihnen sagen, dass er Rennen auf dem Wasser und nicht im Jury-Raum gewinnen möchte, und nachdem wir drei Etappen hintereinander gewonnen hatten, gingen wir außergewöhnlich stark und zuversichtlich in die letzte Etappe. Wir freuen uns über die Entscheidung der Jury, obwohl wir uns gewünscht hätten, dass wir die Chance gehabt hätten, die letzte Etappe auf dem Wasser auszufechten, da Holcim-PRB außergewöhnliche Konkurrenten waren und uns den ganzen Weg über gefordert haben.

Das erste US-Team zu sein, das diese Trophäe in den Händen hält, ist eine außergewöhnliche Ehre, und die Botschaft zu verbreiten und Aktionen und Innovationen für die Gesundheit der Ozeane zu zeigen, hat diese Kampagne zu einer wirklich einflussreichen, globalen Kampagne gemacht. So hätte ich mir das nicht vorgestellt, aber der Sieg ist trotzdem schön.”

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The Ocean Race 2022-23 – 29 June 2023. World Sailing International Jury attending 11th Hour Racing Team request for redress after their incident with GUYOT environnement – Team Europe in The Hague.

Benjamin Schwartz vor der Jury. © TOR JER

Boris Herrmann und Benjamin Dutreux. © TOR JER

Schwartz mit dem Vertreter des 11th Hour-Teams. © TOR JER

Abschließender Händedruck zwischen dem 11th Hour-Vertreter und Holcim-PRB-Skipper Benjamin Schwartz nach der späten Attacke am Gründen Tisch. © Sailing Energy / The Ocean Race

Freude nach der Protestentscheidung beim 11th Hour Team. © Sailing Energy / The Ocean Race

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

21 Kommentare zu „Crash bei The Ocean Race: Die Protest-Entscheidung ist gefallen“

  1. Sandra sagt:

    Hallo, liebe Kolleg*innen vom Segelreporter, liebe Segelsportfreunde, liebe Fans des Ocean Race! Ich möchte euch gerne hinweisen auf die 3-teilige Ocean Race-Doku der NDR-Autoren Sven Kaulbars und Boris Poscharsky. Ihr findet “Hard Water – Abenteuer Ocean Race” in der ARD Mediathek:

    https://1.ard.de/Ocean-Race_Dokuserie

  2. meerkater sagt:

    Mich würde mal interessieren, wieviele die hier diskutieren, schom mal mit einem foilenden Imoca Regatta gesegelt sind und deshalb beurteilen können, wie so ein Schiff reagiert und wie man mit dem ausweichen kann oder eben nicht?
    Muss man zum Beispiel damit rechnen das einer von beiden eine Boe bekommt, auf die Foils springt und stark beschleunigt?
    Wie reagiert das Schiff wenn man abfällt? beschleunigt das dann so, das man mit 20kn in den anderen reinkracht? Ich für meinen Teil denke, das die Schiffe so extreme Segeleigenschaften haben, das wir nicht ansatzweise beurteilen können was in dem Falle zu tun gewesen wäre, um diese Kollision zu verhindern.
    Die einzige logische Sache wäre gewesen, das Dutreux rechtzeitig abfällt, hinter Enright durchgeht, um dann hinter ihm zu wenden und ebenfalls die Layline entlang zur Tonne zu segeln. Davon musste auch Enright ausgehen.

  3. ketti sagt:

    Ich sehe es wie Stefan: “To finish 1st you have to finish first!”
    Punkte nur deshalb zu vergeben, weil es dem Durchschnitt der vergangenen Rennen entspricht, obwohl man es noch nicht mal bis zur Startlinie geschafft hat, ist m. E. denen gegenüber unfair, die ein Rennen aufgrund diverser Gründe (Mastbruch) nicht beenden konnten. Wo bleibt da die Gleichbehandlung.
    Nicht falsch verstehen, es tut mir wahnsinnig leid, dass das passiert ist, so sollte man nicht verlieren, aber wenn ein Skifahrer stürzt und nicht ins Ziel kommt, bekommt er anschl. auch keine Medaille, weil er “sonst” immer gewinnt.
    Vor dem Seegericht hätte 11th Hour sicher eine Mitschuld erhalten, sie hatten den Seeraum genauso wenig im Blick wie Guyot.

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  4. Schapi sagt:

    Die besten haben gewonnen. Feddich!

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  5. Stefan sagt:

    Ich bin dennoch der Meinung das der Skipper von 11th hour racing anstatt mehrfach zu schreien lieber ein (wesentlich entschlosseneres) Manöver des letzten Augenblicks hätte fahren sollen. D.h. Ruder hart Steuerbord. Um nach BB zu drehen war es vermutlich zu spät als er erkannte das Guyot offenbar nicht reagiert. Der Fehler liegt zwar dennoch klar bei Guyot aber zu einem Crash gehören schon immer 2! Ein Sieg am grünen Tisch gefällt mir einfach nicht, egal in welcher Sportart. 11th hour hätte auch Letzter in diesem Leg werden können, zwar unwahrscheinlich aber wie man in der Formel 1 sagt: To finish 1st you have to finish first!

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    • PL_sibylle_j sagt:

      Sofern Holcim auch bei 4 bzw. 5 Booten im Rennen 3. geworden wären, hätte 11th Hour in der Tat der 5. Platz zum Sieg gereicht. Im Tie-Break / In Harbor Race liegt 11th Hour uneinholbar vor Holcim.

    • PL_frikosail sagt:

      Hallo Stefan, als Vorfahrtsberechtigter ist man kurshaltepflichtig.
      Wenn Enright den Kurs geändert hätte und es wäre trotzdem zum Crash gekommen, hätte das Schiedsgericht gegen 11th hour racing entschieden.
      In dem Moment wo Enright vielleicht realisiert hat dass Guyot auf Crashkurs ist konnte durch eind Mannöver der Crash nicht mehr verhindert werden. (siehe auch Kommentar von LieberNicht )
      Man muss dabei auch beachten dass diese Schiffe nicht für schnelle Manöver konzipiert sind.

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  6. Lyr sagt:

    11th Hour hätte abfallen müssen, statt im letzten Moment anzuluven. Dadurch haben sie den Crash definitiv verschlimmert. Ich denke, dass ist das, was Holcim auch gesehen hat… im Endeffekt ist es aber natürlich nur fair, dass 11th den Sieg bekommt

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  7. PL_achso77 sagt:

    unter den gegebenen Umständen scheint das für mich auch die einzige akzeptable Lösung, auch wenn es fraglos unbefriedigend bleibt und natürlich für Holcim unglücklich ist – wobei ich deren Siegchancen als extrem gering eingeschätzt hätte, wenn 11th hour das Leg hätte segeln können. Und immerhin hat auch Dutreux selber die Sache glasklar und eindeutig als seinen Fehler benannt, da frag ich mich dann schon, was Holcim geritten hat, zu genau dem Zeitpunkt Protest einlegen zu wollen und nicht etwa direkt nach der Kollision…

  8. PL_frikosail sagt:

    Die Situation ist ganz eindeutig. 11th hour racing konnte gar nicht damit rechnen, dass Guyot nicht hinter ihrem Heck passiert.

    Es wäre etwas anderes wenn 11th hour racing Guyot in die Seite gefahren wäre. Dann hätte man sagen können 11hour racing hätte einfach draufgehalten. Da könnte dann der Paragraph zur Anwendung kommen dass man als Vorfahrtsberechtigter einen Crash mit dem Manover des letzten Augenblicks möglichst vermeiden müsste.

    Lieber Merlin ich glaube Du hast vom Regattasegeln überhaupt keine Ahnung.

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    • LieberNicht sagt:

      Dann (wenn klar ist dass Guyot hinter ihnen durchgeht) hätten Sie nach BB abfallen müssen, um das Heck schnell aus dem Bereich raus zu bekommen. bzw einfach weiter fahren müssen – hätte auch klappen können
      11th Hour war aber schon nach SB ausgewichen … vermutlich weil sie doch noch mit einer Wende von Guyot rechneten.

      Ab einem gewissen Punkt die beiden einzigen Möglichkeiten da noch einigermaßen raus zu kommen.
      Ich schätze das alle wichtigen Entscheidungen in ca 3 sec gefallen sind und leider beide in die falsche Richtung – natürlich nur (!!) wenn man vorher gewusst hätte, was das andere Boot macht.

      Ohne dieses Wissen war das Ausweichmanöver von 11th Hour korrekt und rechtzeitig
      Guyots Ausweichmanöver war zu spät und leider in die falsche Richtung. Die haben vermutlich erst realisiert was los war als der Bugspriet von 11th in Luv zu sehen war … und dann sind das nur noch 10tel Sekunden für eine Entscheidung. Aber auch hier gilt: kann man mit dem Wissen um das Verhalten von 11th sagen – ohne dies ist die Entscheidung plausibel

      Daher ist der Protest von Holcim auch substanzlos: beide Skipper haben in den letzten Sekunden reagiert und versucht den Crash zu verhindern.

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  9. Maria Elisa sagt:

    eine Sauerei.. aber wenn sie es so erreichen müssen.. Geld regiert die Welt..

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  10. Alexander sagt:

    Auf welcher Grundlage und Regel hat denn Holcim Protest eingelegt?

  11. PL_sibylle_j sagt:

    Danke für diesen klaren Kommentar zu der Verhandlung. Ich kann nicht genau einschätzen, ob der Protrst von Holcim zumindest entfernt eine berechtigte Grundlage hatte. Ich fand den Zeitpunkt des Einreichens allerdings als sehr peinlich – direkt nach einem etwas unglücklichen 3. Platz. Der Protest hätte nach meinem Empfinden gleich nach dem Crash oder gar nicht vorgebracht werden müssen. Daher habe ich erfreut zur Kenntnis genommen, dass 11th Hour zum Sieger erklärt wurde.

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    • atlantis sagt:

      Sorry, aber Holcim konnte den Protest doch erst nach beendeter Wettfahrt einreichen, nachdem man die Videos von dem Guyot-11th Hour Crash gesehen hat.

      Vorher konnte man doch die Schuldfrage gar nicht beurteilen. Möglicherweise hat man den Crash auf dem Wasser gar nicht mitbekommen.

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      • PL_sibylle_j sagt:

        Malizia wird ja wohl nicht fas einzige Team sein, dass Videos von dem Unfall gesehen hat. Außerdem gibt es ja auch immer noch das Shore-Team!

        • atlantis sagt:

          Unsinn. Man hat zwei Stunden Zeit, nachdem das letzte Schiff die Wettfahrt bendet hat, um einen Protest einzureichen.

          Als der Crash zwischen Guyot und Holcim passierte war noch gar nicht absehbar, ob sich daraus für die unbeteiligte Holcim ein Protestgrund ergeben könnte.

          Peinlich war an diesem Protest eigentlich nur, dass die 2h-Frist nicht eingehalten wurde und der Protest somit abgewiesen werden musste.

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  12. Merlin sagt:

    11th hour trägt eine Mitschuld und hätte den Crash vermeiden können. Man muss nicht draufhalten, wenn man Wegerecht hat!
    Auch Holcim musste ein Leg wegen Mastbruch aufgeben!

    Ich finde das Urteil ungerecht und Holcim hätte den Sieg verdient!

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    • Michael sagt:

      Kann jeder sehen wie er will. Aber wenn die besten Segler der Welt und eine hochkarätige Jury keinen Anlass für den Einspruch sehen, dann ist für mich relativ klar, dass es eben keine Mitschuld gab. Es gab ja genug Augenzeugen und Videobeweise, so dass der Fall für die Experten glockenklar ist. Schwartz hat da einen letzten verzweifelten Versuch gestartet…

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      • PL_frikosail sagt:

        Die Situation ist ganz eindeutig. 11th hour racing konnte gar nicht damit rechnen, dass Guyot nicht hinter ihrem Heck passiert.

        Es wäre etwas anderes wenn 11th hour racing Guyot in die Seite gefahren wäre. Dann hätte man sagen können 11hour racing hätte einfach draufgehalten. Da könnte dann der Paragraph zur Anwendung kommen dass man als Vorfahrtsberechtigter einen Crash mit dem Manover des letzten Augenblicks möglichst vermeiden müsste.

        Lieber Merlin ich glaube Du hast vom Regattasegeln überhaupt keine Ahnung.

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