Die 18-jährige Gorch-Fock-Kadettin Jenny Böken ging vor zehn Jahren auf der „Gorch-Fock“ über Bord und starb. Die Gründe sind im Dunkeln geblieben. Nun gibt es eine neue Zeugenaussage.

Das Unglück von Jenny Böken ist schon zehn Jahre her und längst abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen 2009 eingestellt und geht von einem tragischen Unglück aus. Aber wie wenig diese Darstellung gesichert ist, zeigte schon ein ARD-Film im April vergangenen Jahres, der viel Beachtung fand.
Darin ließen die Eltern keinen Zweifel daran, dass sie nicht an einen Unfalltod ihrer Tochter glauben. Sie unterstützten die Dreharbeiten auch in der Absicht, dass der Fall neu aufgerollt wird. Nun könnten sie Erfolg haben. Denn im August hat sich ein Zeuge bei der Familie gemeldet, wie der WDR in einem Beitrag mitteilt.
Er soll eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, der zufolge es um Mord geht. Laut Vater Uwe Böken spricht der Zeuge von einer Vorgeschichte inklusive Vergewaltigung mit möglicher Schwangerschaft, die zu dem Verbrechen führte. Dazu passt unter anderem, dass in der Lunge der geborgenen Leiche kein Wasser gefunden wurde, sie also schon vor dem Sturz gestorben sein könnte.
Anwalt Rainer Dietz äußert in dem WDR-Interview die Meinung, dass es nun nach der neuen eidesstattlichen Zeugenaussage mindestens den Verdacht eines Totschlags gebe. Er fordert nun die Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft und hofft, dass sich weitere Zeugen melden. Denn für mögliche Mit-Wisser oder -Täter treten nach zehn Jahren einige Verjährungsfristen in Kraft. Mord ist allerdings davon ausgenommen.
“Schlampige Ermittlungen”
Schon nach dem Film im vergangenen Jahr hatte die Familie gehofft, dass sich Zeugen melden, die bisher geschwiegen haben. Sie äußerten, dass sie die damaligen Ermittlungen als “schlampig geführt” empfinden. Sie warfen der Marine sogar aktive Vertuschung und mehreren Personen Falschaussagen vor.
Es wurden drei Möglichkeiten untersucht, die zum Tod der Kadettin geführt haben könnten: Selbstmord, Unfall oder Mord. Besonders der letzte Fall schien möglich, da Böken mit ihrer Art offenbar schwer in die Gruppe passte und schnell als Besserwisser und Außenseiter galt.
Im Film wurden auch Verfehlungen der Marine deutlich. Denn Böken wurde schon im Vorfeld nachweislich als nicht für den Dienst auf der “Gorch Fock” geeignet beurteilt. Bei der Musterung wurde gar auf den Belastungstest verzichtet. Politisch war es wichtig, einen höheren Frauenanteil zur Marine zu bekommen.
“Es war fürchterlich”
In einem ausführlichen Interview mit SegelReporter beschrieb damals der Autor und Segler Jan von der Bank die Zustände an Bord der „Gorch Fock“. Er fuhr selber vier Monate auf der Bark zur See und schrieb zufällig gleichzeitig an dem Gorch-Fock-Roman “Hundewache”.
Er war nach dem Erlebnis auf dem Schulschiff desillusioniert. “Wenn ich später jemandem erzählt habe: ‘Ich war auf der Gorch Fock und bin über den Atlantik, durch den Panamakanal und bis Acapulco gesegelt’, dann haben die immer leuchtende Augen gekriegt und gesagt ‘Was für eine tolle Reise!’. Aber das war es nicht! Es war fürchterlich!
Ich habe damals Tagebuch geführt über all die blöden Erlebnisse mit dem festen Vorsatz, später niemals auf diese romantische Verklärerei hereinzufallen und zu sagen: “Ach, im Nachhinein war’s doch ganz schön!” Die Leute sehen immer nur das tolle weiße Schiff und dieses sorgsam gepflegte Klischeebild vom “Botschafter in Weiß”… Aber das ist eine riesige Lüge… Ich habe das Schiff damals tatsächlich nur noch “die schwimmende Lüge” genannt.”
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