Kieler Woche: Rekordfeld bei 29ern – Hunger/Jess auf Kurs 25 – Surfer kehren zurück

Der Segel-Nachwuchs drängt nach Kiel

Die Kieler Woche steht unter besonderen Vorzeichen. Zum zweiten Mal nach 2020 findet die Kieler Woche (4.-12.) im September statt.

Die 29er stellen die stärkste Nachwuchsflotte bei der Kieler Woche. Foto: S. Klahn/Kieler Woche

„Wir haben gemeinsam mit der Stadt Kiel die Entscheidung getroffen; denn der Regattasport und das Festival gehören einfach zusammen, damit es eine ‚richtige‘ Kieler Woche wird“, so der Organisationsleiter der Kieler Woche, Dirk Ramhorst.

Auch wenn die Pandemie noch immer Einfluss auf Veranstaltungen hat, sieht es deutlich besser aus als im Jahr zuvor. So sind in der Stadt und Schilksee auch an Land viele Programmpunkte geplant. „Natürlich behalten wir dabei die Entwicklung der Pandemie im Blick, aber wir sind wirklich optimistisch“, so Ramhorst.

Auf dem Wasser sind die Vorzeichen nach den Spielen und im dem Monat der Europameisterschaften verändert. Einige olympischen Klassen fehlen, der Nachwuchs drängt nach Kiel und mit der zukünftigen olympischen Klasse IQFoils kehren die Surfen nach neun Jahren Abstinenz wieder zurück nach Kiel. 

Seriensieger im 505er: Wolfgang Hunger und Vorschoter Holger Jess. Foto: www.segel-bilder.de

29er überschwemmen Kiel

Schon seit Jahren sind die Nachwuchsklassen bei der Kieler Woche gut besetzt, doch 2021 laufen die Felder über. Waren es im Vorjahr noch 99 Crews, die im Nachwuchsskiff 29er antraten, so haben in diesem Jahr 160 Starter aus 16 Nationen für die Kieler-Woche-Wettfahrten und den integrierten Eurocup gemeldet: Das ist Rekord. 25 Crews stehen bereits auf der Warteliste. „Die Jugend ist ein großer Bestandteil der Kieler-Woche-Regatten. Wir freuen uns, dass der Nachwuchs die Kieler Woche so stark annimmt. Das Zusammenspiel von Welt- und Europameistern, Olympiateilnehmern, Seeseglern und Nachwuchs macht die Kieler Woche aus“, so Regatta-Organisationsleiter Dirk Ramhorst.

Mit am Start sind die drei Kieler-Woche-Medaillengewinner des Vorjahres – allen voran die maltesischen Geschwister Richard und Antonia Schultheis. Die gebürtigen Deutschen sind vor 13 Jahren mit ihren Eltern nach Malta ausgewandert und haben dort das Segeln gelernt. Um einem Geschwisterstreit lieber gleich aus dem Weg zu gehen, steuern sie getrennt. Zu ihnen an Bord stiegen deutsche Vorschoter. Richard segelt mit Max Körner und gewann die Kieler Woche 2020, Antonia belegte nach erst zwei Monaten zusammen mit Ole Ulrich im 29er Rang zwei. Das dänische Duo Jens-Christian und Jens Philip Degn-Toftehöj (3.  Rang 2020) komplettiert das Favoriten-Trio.

Die unter deutscher Flagge startenden deutschen Nachwuchs-Crews dürften es schwer haben, obwohl mit Per Christoffer Schwall/Simon Schmidt (Kiel), Carl Krause/Max Georgi (Rostock) und  Anna Barth/Alva Feilcke drei Duos aus der deutschen Jugend-Nationalmannschaft am Start sind. Und neben der nächsten Generation Schwall (René, Vater von Per Christoffer, gewann 2000 vor Sydney an der Vorschot von Roland Gäbler Tornado-Bronze bei den Olympischen Spielen) taucht auch der Name Sach wieder in den Starter-Listen auf. Die Söhne von Christian Sach (zusammen mit seinem Bruder Helge zigfacher Kieler Woche-Sieger) sind ebenfalls am Start.

Auch in den anderen Nachwuchsklassen drängt die Jugend nach Kiel. Im 420er haben bisher 94 Crews aus vier Nationen gemeldet, im Nachwuchs-Einhand-Boot Laser ILCA4 78 Aktive, im ILAC 6 Frauen 88, im ILAC Männer 105.

Comeback der Surfer/-innen nach neun Jahren

Die Surfer/-innen finden in diesem Jahr den Weg zurück nach Kiel. Nach der Mistral-Klasse (1990 bis 2005) und den RS:X-Boards (2006 bis 2011) treten die Surfer/-innen nach neun Jahren Kieler-Woche-Pause wieder in Kiel an: Die neue olympische Klasse IQ-Foil startet im zweiten Teil der Kieler Woche von Donnerstag bis Sonntag (9.-12. September).

Und die deutschen Aktiven mischen in der neuen olympischen Klasse (ab 2024 in Paris) vorn mit. Bei den Internationalen IQ-Foil-Games auf dem Gardasee belegte Sebastian Kördel (NRV) nach dem Vorjahressieg im Mai diesen Jahres Rang vier in dem 69-Mann-starken Teilnehmerfeld aus 15 Nationen. Lena Erdil (NRV) belegte Rang sieben in dem Feld von 38 Surferinnen auch aus 15 Nationen. Für Kiel haben bisher Aktive aus vier Nationen gemeldet. Neben Lena Erdil und Sebastian Kördel (beide DSV-Perspektiv-Kader) gehen Fabian Wolf (Nachwuchskader) und die U21-Surferin Theresa Steinlein an die Kieler Startlinie, um die deutschen Farben zu vertreten. „Wir freuen uns, dass die Kieler Woche auch wieder Surfen im Programm hat“, so Organisationsleiter Dirk Ramhorst.

Heiko Kröger (Hamburg), zweimaliger Medaillengewinner bei den Paralympischen Spielen, ist Stammgast bei der Kieler Woche. Foto: S. Klahn/Kieler-Woche

Kieler Woche setzt auf Inklusion

Das Präsidium des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) hat entschieden: Segeln ist auch 2024 bei den Paralympischen Spielen in Paris nicht am Start sein. Die gesamte Segelwelt zeigte sich enttäuscht, so auch die Organisatoren der Segelveranstaltungen in Kiel, die im Gegensatz zum IPC auch weiterhin auf Inklusion im Segelsport setzen. „Die 2.4mR-Klasse bleibt ein fester Bestandteil der Kieler Woche“, so der Organisationsleiter der Kieler Woche Regatten, Dirk Ramhorst. „Es gibt kaum einen Sport, der so viele Möglichkeit der Inklusion bietet wie Segeln“, ergänzt der Dänischenhagener.

Die Begeisterung über die perfekte Integration der Para Sailing Championships in die Kieler Woche 2017 schlug hohe Wellen. Der Weltsegler-Verband World Sailing, das Internationale Paralympics Committee/IPC, der Deutsche Behinderten Sportverbandes/DBS, sowie die Vertreter der EUROSAF überschütteten Kiel mit Komplimenten.

Die Inklusion passt perfekt in das Konzept Kiels. „Wir haben dafür ideale Voraussetzungen. Daher ist die Inklusion seit Jahren ein fester Bestandteil der Kieler Woche“, so Ramhorst. 2002 wurden die paralympischen Klassen erstmalig in die Kieler Woche aufgenommen, seit 2008 wird die Klasse 2.4mR offen ausgeschrieben.

 „Wir brauchen eine inklusive Gesellschaft mit vollständig barrierefreien Umgebungen, die Menschen mit Beeinträchtigungen befähigen, sportliche Aktivitäten zu betreiben und eine sichere und faire Beteiligung zu erleben. Wie das geht, hat Kiel gezeigt“, so der damalige Präsident des Weltseglerverbandes Kim Andersen.

Heiko Kröger, zweimaliger paralympischer Medaillengewinner, hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, dass Kiel die idealen Voraussetzungen für barrierefreies Segel geschaffen hat. Und die Landeshauptstadt hat dafür viel Geld in die Hand genommen, um barrierefreies Segeln und barrierefreies Zuschauen in Schilksee zu ermöglichen.  

So ist die 2.4mR-Klasse auch in diesem Jahr ausgeschrieben, und bereits 24 Aktive aus fünf Nationen haben gemeldet. Neben Heiko Kröger sind auch namhafte nicht-behinderte Segler in Kiel dabei, wie Kalle Dehler, der ansonsten eher auf Dickschiffen regattiert. Doch das 4,18 Meter lange Kielboot begeistert viele Neueinsteiger

Auch den fast 40-fachen Deutschen Meister in fünf Bootsklassen Frank Schönfeld aus Hamburg. Der singende Pirat (Schönfeld hat Songs geschrieben, gesungen und ist im Piraten „groß“ geworden) ist von der kleinsten nach der Meter-Regel vermessenen Konstruktionsklasse begeistert.

In kaum einem anderen Boot gäbe es diese Chancengleichheit.

Ob Frau oder Mann. Ob 80 oder 16 Jahre alt, alle könnten gegeneinander antreten, erklärt der Segelmacher. Alle sitzen tief im Boot, und es gibt keine körperlichen Nachteile in diesem idealen Inklusionsboot, das nach der einmaligen Pandemiepause 2020 wieder in Kiel ausgeschrieben ist. Der Weltseglerverband, die Stadt Kiel und die Veranstalter der Regatten um den Kieler Yacht-Club ziehen auch in Zukunft an einem Strang für die perfekte Inklusion.

Hunger jagt die 25

Noch zwei Kieler-Woche-Siege, und Dr. Wolfgang Hunger hat die magische 25 geknackt. Nach einer langen Erfolgsserie im olympischen 470er mit drei Teilnahmen an Olympischen Spielen (Rang 4, 5 und 8), zwei Weltmeistertiteln und zweimal WM-Silber folgte eine noch längere Erfolgsgeschichte im 505er, die bis heute anhält. Insgesamt fünf WM-Titel und zwei Bronzemedaillen stehen in der sportlichen Jolle zu Buche. Doch in Kiel hält der Strander Arzt einen ganz besonderen einsamen Rekord. Bis jetzt ersegelte Wolfgang Hunger 23 Kieler-Woche-Siege.

In diesem Jahr nimmt der Ausnahmesegler zusammen mit seinem Vorschoter Holger Jess Anlauf zum 24. Titel.  Bereits von 1997 bis 2007 sicherte sich dieses Duo sieben Titel, bevor Julien Kleiner an Bord von Wolfgang Hunger stieg. Es folgten sechs weitere 505er-Erfolge für Hunger in Serie, bevor diese riss, und ausgerechnet der Ex-Vorschoter Jess seinem ehemaligen Steuermann in die Quere kam. 2015 an der Vorschot von Maike Schömäker (bisher die einzige Frau in der Kieler-Woche-Siegerliste im 505er) und 2018 zusammen mit Steuermann Michael Quirk (Australien) lag Jess vor Hunger. Das möchte er in diesem Jahr wiederholen, dann aber wieder vereint im selben Boot.

Das große Ziel ist nun einmal die 25. Natürlich wolle man jede Wettfahrt gut segeln und gern gewinnen. Da ginge es aber nicht um eine Zahl, erklärt Hunger. Doch die Öffentlichkeit verfolgt natürlich die Erfolgsserie, und eine 25 hat noch keiner erreicht. Und die will Hunger im nächsten Jahr unter Dach und Fach bringen.

Die Kieler-Woche-Sieger Jan-Philipp Hofmann (Langenfeld/2014), Jan Saugmann (Dänemark/2006), Tim Böger (Hamburg/1994) sowie 18 weitere Crews aus drei Nationen werden versuchen, diese silberne 25 über das Jahr 2022 hinaus zu verschieben. Doch frisch gekürte Deutschen Meister sind auf der Kieler Förde immer Favorit.

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