Julia Büsselberg hatte mit einem tollen Auftakt bei der ILCA-6-WM im Oman die Elite geschockt. Nach kleineren Rückschlägen bestätigte sie mit Rang fünf den Durchbruch in die Weltspitze.
Deutschland hat auch nach den Rücktritt von Svenja Weger wieder eine internationale Spitzenseglerin im Laser Radial (ILCA 6). Julia Büsselberg, die 21-jährige Berlinerin vom Verein Seglerhaus am Wannsee legte bei der WM im Oman eine beeindruckende Serie hin und landete im Feld der 63 Seglerinnen aus 33 Nationen auf Rang 5.
Dabei erlebte sie ein Wechselbad der Gefühle. Dem sensationellen Starttag folgte ein Tiefschlag mit einer Frühstarttdisqualifikation. Außerdem litt sie an einer akuten HNO-Erkrankung und dachte schon ans Aufgeben. Aber sie hielt durch, schob sich wieder auf Rang zwei vor, verbuchte dann doch ihr zweites Streichergebnis, lag immer noch auf Medaillenkurs, rutschte dann aber mit einem 36. Platz aus den Top Ten.
Es wäre immer noch eine gute WM gewesen. Aber mit einem sensationellen letzten Tag machte Büsselberg daraus noch den größten Erfolg ihrer jungen Karriere. Nach den Plätzen 2/1 schob sie sich auf Platz fünf vor. Mit der geplanten zwölften und letzten Wettfahrt wäre sogar noch mehr drin gewesen. Aber das Zeitlimit für den möglichen Start lief ab. So fehlten fünf Punkte zu Bronze und sieben zu Gold. Olympiasiegerin Anne Marie Rindom (4.) lag nur einen Punkt voraus.
Weltmeisterin wurde die Olympia-Vierte und WM-Titelträgerin 2018 Emma Plasschaert (Belgien) punktgleich vor der Europameisterin Agata Barwinska (Polen) und der großen Überraschung Viktorija Andrulyte, Olympia 25. und Weltranglisten 41. aus Litauen.
Büsselberg sagt: „Auf der einen Seite bin ich sehr glücklich über meine Leistung. Insbesondere heute am Finaltag. Auf der anderen Seite sind es nur sieben Punkte bis zum Titel und ich hatte es in mindestens drei Rennen selbst in der Hand, in denen ich aber Fehler gemacht habe. Damit bin ich am Ende nicht hundertprozentig zufrieden. Das Leistungsniveau war hier meiner Meinung nach sehr hoch. Fast alle, die an den Olympischen Spielen teilgenommen haben und weitermachen wollen, waren am Start.“
Sie habe sich schon im Training auf dem WM-Revier im Oman wohlgefühlt und Vertrauen zu dem gestellten Material gewonnen. „Ich bin ohne große Erwartungen in den ersten WM-Tag gestartet, das scheint dann immer gut für mich zu laufen.“ Am Ende war sie die einzige Seglerin, der in der Serie zwei Tagessiege gelangen.
Büsselbergs Fazit: „Ich weiß jetzt, dass eine Medaille bei großen Regatten möglich ist, auch wenn ich sie am Ende fast etwas ärgerlich verpasst habe. Es war sicher nicht schlecht für mich, dass ich versucht habe, mit Svenja Weger und Hannah Anderssohn – jede auf ihrem Weg – den Anschluss an die Weltspitze herzustellen. Keine von uns Deutschen war in unserer Disziplin in den vergangenen Jahren konstant vorne dabei. Das ist ein zusätzlicher Anreiz.“
Auf die Frage, ob sich für sie mit diesem besten Ergebnis ihrer Karriere etwas verändert hat, sagt die Steuerfrau aus Berlin: „Ja und nein. Ja, ich will unbedingt mal eine olympische oder eine WM-Medaille haben. Aber ich weiß noch nicht, wann ich mir die zum Ziel erklären sollte.“
Früchte harter Arbeit
Bei der Einstellung dürfte der erfahrene Coach Thomas Piesker helfen können. Er führte schon Simon Grotelüschen (2012) und Philipp Buhl (2016) zu den Olympischen Spielen und scheint auch mit Büsselberg bestens zurecht zu kommen. „Vor allem die Comebacks waren beeindruckend“, sagt Piesker. „Ziel von Julia Büsselberg war es vor der WM, in den erweiterten Kreis der Weltelite hineinzufahren. Die Früchte ihrer harten Arbeit konnte sie nun noch deutlich eindrucksvoller einfahren“.
Julia Büsselbergs Teamkameradin Hannah Anderssohn vom German Sailing Team, die bei zuvor bei der EM 2021 in Bulgarien als Sechste überzeugt hatte, konnte ihre Starkwindstärke im leichtwindigen Oman-Revier nicht ausspielen. Die Rostocker ILCA-6-Steuerfrau vom Warnemünder Segel-Club segelte im Oman auf Platz 36.
„Ich beende die WM deshalb aber gar nicht so negativ, wie man vielleicht denken möchte. Ich konnte in der Zusammenarbeit mit DSV-Trainer Maurice Paardenkooper vieles umsetzen, woran wir gerade arbeiten. Ich habe in den vergangenen Jahren aufgrund von Verletzungen und den Auswirkungen der Corona-Pandemie nur eine Handvoll großer Regatten bestreiten können. Das Ziel fürs kommende ist klar: In Balance mit dem Training so viel Rennpraxis reinkriegen wie möglich.“
Die neue belgische Weltmeisterin Emma Plaaschaert sagte nach dem spannenden Finale: „Ich bin ohne große Erwartungen in diesen letzten Tag gestartet. Ich wollte einfach drei gute Rennen segeln.“ Die dritte und letzte geplante Wettfahrt der Welttitelkämpfe konnte mit Blick auf das nahende Zeitlimit nicht mehr ausgetragen werden. Emma Plaaschaert sagte über die Hochspannung bis zum Schluss: „Es ist ein bisschen surreal, an Land zurückzukommen und die Punktstände noch nicht genau zu kennen. Jetzt bin ich natürlich hin und weg und superstolz darauf, Weltmeisterin zu sein.“
Die im Kampf um den Titel so knapp geschlagene Agata Barwinska beschrieb ihre Gefühlswelt so: „Ich hatte mir ein Top-Drei-Ergebnis zum Ziel gesetzt. Für mich ist es also ein bittersüßer Moment. Ich habe die WM mit der gleichen Punktzahl wie die neue Weltmeisterin beendet. Aber ich sage ja nicht, dass es meine letzte WM war. Es waren viele starke Athletinnen am Start wie beispielsweise Anne-Marie-Rindom, die gerade olympisches Gold gewonnen hat. Es war großartig, gegen sie zu segeln. Wir hatten oft leichte Winde in dieser Woche, die ich wirklich mag.“
Im Barceló Mussanah Resort sind die Auftritte der internationalen Spitzensegler noch nicht beendet. Die Veranstalter bereiten sich nach der WM für Skiffs und Nacra 17, bei der Tim Fischer und Fabian Graf vom Norddeutschen Regatta Verein im November WM-Silber im 49er sowie Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer vom Kieler Yacht-Club WM-Bronze im foilenden Katamaran gewonnen hatten, nun auf die Jugend Segel-Weltmeisterschaft 2021 vor. Vom 11. bis 18. Dezember werden unter den 350 jungen Seglern und Seglerinnen aus aller Welt auch starke deutsche Crews anlässlich des 50. Geburtstages der Veranstaltung im Oman um die Medaillen kämpfen. Mit dem WM-Gipfel für den Nachwuchs wird erstmals eine Jugend-Segelweltmeisterschaft im asiatischen Raum ausgetragen.
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